„Er ist ein einzigartiger Mensch“ – Die erschütternde Geschichte von Avinatan Or und die jüngste Geiselentlassung in Israel

Friedenstauben über Jerusalem
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Nach über zwei Jahren in der Gewalt der Hamas wurde Avinatan Or, ein 32-jähriger israelischer Ingenieur aus Tel Aviv, im Rahmen des jüngsten Geiselaustauschs freigelassen. Seine Rückkehr nach Israel ist ein Moment tiefer Erleichterung – und zugleich ein eindringlicher Blick in das, was Menschen im Namen von Terror und Ideologie erleiden müssen.

Die Befreiung – ein Moment der Hoffnung nach dunklen Tagen

Am Montag, bestätigte das Büro des Premierministers, dass 20 lebende Geiseln in Folge des neuen Waffenstillstandsabkommens mit der Hamas freigelassen wurden. Es war die größte einzelne Freilassungsaktion seit Beginn des Konflikts vor zwei Jahren. Familien warteten an Krankenhäusern und Luftwaffenstützpunkten, Fahnen wurden geschwenkt, Tränen flossen.

Unter den Freigelassenen: Avinatan Or – jener junge Mann, dessen Entführung im Oktober 2023 weltweit durch ein Video bekannt wurde, das ihn gemeinsam mit seiner Freundin Noa Argamani auf einem Motorrad in den Gazastreifen verschleppte.

Noa wurde bereits im Juni 2024 bei einer spektakulären Militäraktion befreit. Doch von Avinatan fehlte bis vor wenigen Tagen jede Spur.

Schreckliche neue Details über Avinatan Ors Zeit in Gefangenschaft

In einem Interview mit dem Radiosender Kan Reshet Bet schilderte Avinatans Vater, Yaron Or, am Mittwochmorgen erstmals öffentlich, was sein Sohn ihm nach der Rückkehr anvertraut hat.

„Er war in völliger Isolation, getrennt von allen anderen Geiseln. Zwei Jahre lang hatte er weder Bücher noch menschlichen Kontakt. Einmal bekam er einen Zauberwürfel – das war alles.“

Avinatan wurde in einem winzigen Käfig festgehalten, gerade groß genug, um sich hinzulegen. Mit einer Körpergröße von 1,95 Metern konnte er nicht stehen. Über ein Jahr lang war er an Ketten gefesselt.

Die Hamas-Entführer gaben ihm falsche Informationen – sie sagten ihm, Noa sei längst freigelassen worden, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt noch gefangen war.

Bei einem Transport zwischen Tunneln versuchte Avinatan zu fliehen, doch der Versuch scheiterte. Danach verschärften seine Entführer seine Haftbedingungen und misshandelten ihn schwer.

„Er wusste, dass Krieg herrschte“, sagte sein Vater. „Und er war der Meinung, dass dieser beendet werden sollte – selbst wenn das auf Kosten der Geiseln ginge. Er sagte dem Premierminister, dass er davon ausgehe, noch Jahre lang festgehalten zu werden, und dass dies notwendig sei. Er ist ein einzigartiger Mensch.“

Ein Symbol für menschliche Würde – trotz allem

Avinatan Ors Geschichte steht exemplarisch für die psychische und körperliche Tortur, die viele Geiseln in den Tunneln des Gazastreifens ertragen mussten. Laut medizinischen Berichten hat er massiv an Gewicht verloren und leidet an chronischen Verletzungen durch die langen Fesseln.

Doch die Ärzte beschreiben ihn als gefasst, ruhig, fast philosophisch. Freunde berichten, dass er sich bereits nach seiner Rückkehr erkundigt habe, wie es anderen Geiseln gehe.

„Er denkt zuerst an andere“, sagte ein Bekannter aus seiner Armeezeit. „Das war schon immer so.“

Ein Land zwischen Freude und Schmerz

Israel atmet auf – doch der Schmerz bleibt. Während einige Familien ihre Angehörigen endlich wieder in die Arme schließen dürfen, bangen andere weiterhin. Etwa 30 Geiseln werden noch vermisst oder gelten als tot.

Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sprach von einem „heiligen Moment der Heimkehr“, mahnte aber zugleich, dass „der Kampf um die Sicherheit Israels noch lange nicht vorbei ist“.

In Tel Aviv versammelten sich hunderte Menschen auf dem Platz der Geiseln, zündeten Kerzen an und beteten das Kaddisch für jene, die nicht mehr zurückkehren werden.

Das Echo in der jüdischen Welt

In jüdischen Gemeinden weltweit löste Avinatans Geschichte tiefe Betroffenheit aus. Rabbiner in New York, Berlin und Melbourne widmeten ihre Schabbat-Predigten dem Thema Hoffnung und Widerstandskraft.

„Avinatan steht für das Licht, das selbst in der tiefsten Dunkelheit nicht erlischt“, sagte Rabbi Tzvi Rosenbaum in Jerusalem. „Er erinnert uns daran, dass Am Jisrael Chai nicht nur ein Spruch ist – es ist ein Versprechen.“

Ein Ende – und ein Auftrag

Die Freilassung der Geiseln ist nicht das Ende der Geschichte. Es ist ein Auftrag – an die israelische Gesellschaft, an die Welt, an uns alle.

Die Rehabilitation der Rückkehrer, die Unterstützung der Familien, die Suche nach Wahrheit und Verantwortung – all das bleibt.

Und vielleicht liegt darin die größte Lehre dieser Tage:
Dass das menschliche Herz, selbst nach Jahren der Dunkelheit, fähig ist, neu zu schlagen.

Am Jisrael Chai.