Schabbat-Tage und Schabbat-Jahre

Shabbat Candles | Foto: © Armin Levy
Lesezeit: 3 Minuten

Wir freuen uns jeden Freitagnachmittag auf die Ankunft des Schabbats. Wir singen dem Schabbat zu wie einer Braut. Schabbat ist Ruhe, Entspannung, Feiern, Geselligkeit, Lernen, Beten und Singen mit der Familie und Freunden. Schabbat ist ein Neubeginn voller neuer Energie. Rabbi Jannai pflegte bei der Begrüßung des Schabbats auszurufen: „Komm Braut, komm Braut!“, was später in dem bekannten Begrüßungslied ‘Lecha Dodi‘ zum Ausdruck kam, in dem wir als Synagogenbesucher einander zurufen: „Komm, meine geliebte (Israel) Braut, um den Schabbat zu begrüßen“, das noch immer in allen Synagogen weltweit gesungen wird. Der Schabbat ist eine Quelle der Inspiration, auf die wir uns jede Woche freuen. Den Schabbat feiern wir mit einer strengen Ruhe. Doch in der Praxis erweist er sich als eine Oase der Ruhe, aus der wir jede Woche wie neu geboren hervorgehen. Der Schabbat ist die Quelle der Kraft für die folgende Woche.

Schabbat ist Heiligung der Zeit

Wir kennen in der Tora Schabbat-Tage und Schabbat-Jahre. Interessanterweise ist das erste, was in der Bibel als heilig bezeichnet wird, nicht ein Gegenstand, ein Berg oder ein Altar, sondern ein Tag, ein Stück Zeit. G’tt segnete den siebten Tag und heiligte ihn (1. Mose 2,3). In der Schöpfungsgeschichte ist der Schabbat die Heiligung der Zeit.

Bemerkenswert ist auch, dass das Wort „heilig“ im Buch Genesis nicht mehr vorkommt und erst in Exodus 19,6 wieder zu finden ist, wenn von einem Volk die Rede ist, dem ein besonderer Befehl gegeben wird: „Ihr sollt ein heiliges Volk sein“, worauf das Wort bald darauf in den Zehn Geboten folgt: „Gedenke des Schabbats, dass du ihn heilig hältst“ (Exodus 20,8).

Das Schabbatjahr

Das vorangegangene jüdische Jahr 5782/2021-2022 war ein Schabbatjahr. In Lev. 25:1-7 schreibt die Tora das Schabbatjahr vor: “G’tt sprach zu Mose am Berg Sinai: Rede zu den Israeliten und sprich zu ihnen: Wenn ihr in das Land gekommen seid, das Ich euch geben werde, dann soll das Land Ruhe haben, einen Schabbat für G’tt. Sechs Jahre lang dürft ihr euer Feld besäen, sechs Jahre lang dürft ihr euren Weinberg beschneiden und seine Früchte ernten. Aber im siebten Jahr muss für das Land Schabbat sein, eine Zeit der völligen Ruhe, ein Schabbat für G’tt. Du darfst dein Feld nicht besäen und deinen Weinberg nicht beschneiden…”

Ruhe für G’tt, aber der Ertrag ist für Menschen und Tiere

„Der Ertrag des Schabbats des Landes soll euch als Nahrung dienen: dir und deinem Sklaven und deiner Sklavin, deinem Tagelöhner und deinem Gast, der als Fremder bei dir wohnt.“ Alle sind gleichberechtigt und haben das gleiche Recht auf den Ertrag.

Auch auf die Tiere wird Rücksicht genommen: „Auch deinem Vieh und den wilden Tieren, die in deinem Land leben, mögen alle seine Erzeugnisse zur Nahrung dienen“.

Einander zur Bestimmung bringen

Heiligen“ bedeutet „absondern“ oder „abseits stellen“. Der Schabbat muss warten – von der Schöpfung bis zu dem Zeitpunkt in den Zehn Geboten, an dem der Schabbat verpflichtend wird. In der Praxis bedeutet das, dass man bis zum Jahr 2448 nach der Schöpfung warten muss, bis das Volk Israel auf der Weltbühne erschien. Aber „heiligen“ bedeutet auch „zur Bestimmung bringen“. So finden wir im Hebräischen, dass das Wort „heiligen“ auch die Bedeutung von „heiraten“ hat. Wenn Mann und Frau zueinander finden, ist die Absicht, sie an ihr endgültiges Ziel zu bringen. Dieses Bild passt auch auf die Verbindung des Jüdischen Volkes mit dem Schabbat. Der Schabbat wird als die Braut gesehen, die jeden Freitagabend vom Bräutigam – Israel – wieder empfangen wird. Und er bietet Israel eine weitere Gelegenheit, seine eigene Identität wiederzufinden. Denn der Schabbat ist für das Gebet und das Studium der Tora bestimmt. Zwei Tätigkeiten, die unseren wahren Charakter ausmachen.

© Oberrabbiner Raphael Evers