60 Jahre Besuchsprogramm – ein lebendiges Stück jüdischer Erinnerungskultur in Hamburg

Jüdische Familie auf einem schwarz weiß Bild
Lesezeit: 2 Minuten

Vor 60 Jahren setzte Hamburg ein wichtiges Zeichen: Der damalige Erste Bürgermeister Dr. Herbert Weichmann rief das Besuchsprogramm ins Leben, das bis heute jüdischen Emigranten und ihren Nachkommen ermöglicht, die Stadt ihrer Herkunft wiederzusehen. Viele von ihnen waren durch die nationalsozialistische Verfolgung zur Flucht gezwungen, andere haben hier ihre familiären Wurzeln. Mit diesem Programm würdigt die Stadt seit Jahrzehnten die Schicksale der Vertriebenen und lädt dazu ein, die Verbindung zu Hamburg neu zu knüpfen.

Zum Jubiläum hat die Behörde für Kultur und Medien gemeinsam mit dem Institut für die Geschichte der deutschen Juden (IGdJ) einen Fotokatalog herausgegeben, der diese Erinnerungen in den Mittelpunkt stellt.

Dr. Carsten Brosda, Senator für Kultur und Medien, betont: „Der Fotokatalog macht die Geschichte der aus Hamburg gewaltsam vertriebenen jüdischen Familien auf berührende Weise sichtbar. Die Fotos und Dokumente erzählen von Ausgrenzung, Flucht, Ankunft und Neubeginn. Sie sind Ausdruck gelebten Lebens und damit auch wichtige historische Zeugnisse. Der Katalog schlägt eine Brücke zwischen Wissenschaft und Leben der Familien. Er macht individuelle Erfahrungen sichtbar und holt sie zurück ins kollektive Gedächtnis der Stadt Hamburg. Er fordert dazu auf, jüdische Geschichte nie wieder zu verdrängen, sondern sie als wichtigen Teil unserer Geschichte zu begreifen.“

Auch die Herausgeber*innen Dr. Anna Menny und Dr. Björn Siegel unterstreichen die besondere Bedeutung der Sammlung: „Das Projekt ermöglicht es, das jüdische Hamburg anhand persönlicher Fotos selbst zu entdecken. Die Bilder repräsentieren dabei die Geschichten und Verwurzelungen der Familien in der Stadt. Sie stehen aber auch für den Verlust und die Vertreibung und die langwierigen und schmerzhaften Annäherungs- und Erinnerungsprozesse, die bis heute andauern. Gerade die Bilder zu bewahren und aufzubereiten, macht Vergangenheit lebendig und verständlich sowie Aspekte der jüdischen Geschichte Hamburgs sichtbar.“

Das IGdJ hat die eingereichten Familienmaterialien sensibel ausgewählt, wissenschaftlich eingeordnet und gemeinsam mit den Gestalterinnen von atcu&tactu eine Publikation geschaffen, die Einblicke in das jüdische Leben in Hamburg bis in die 1930er Jahre gibt. Die Fotografien und Dokumente zeigen nicht nur die dramatischen Flucht- und Exilerfahrungen, sondern auch den Neubeginn in der Fremde. Besonders eindrucksvoll sind die Stimmen der Nachkommen, die das Weiterwirken dieser Geschichten bis in die Gegenwart spürbar machen.

Mit dem Fotokatalog wird der Wunsch vieler Familien erfüllt, ihre Geschichten in das kollektive Gedächtnis der Stadt zurückzutragen. Gleichzeitig werden wertvolle Quellen zur jüdischen Stadt- und Familiengeschichte dauerhaft bewahrt.

Der Katalog ist im Institut für die Geschichte der deutschen Juden erhältlich (kontakt@igdj-hh.de) und steht zudem online zur Verfügung: www.igdj-hh.de/publikationen/weitere-publikationen/familienfotos-familiengeschichten.

Ergänzend entstehen derzeit im digitalen Bildarchiv des IGdJ (https://bildarchiv-juedische-geschichte.de/) neue Familienalben, die weitere Facetten jüdischen Lebens in Hamburg sichtbar machen – eine stetig wachsende Erinnerungssammlung für kommende Generationen.