Von: Armin Levy
Mit Streit und Straßenkampf – Unterwegs für die Freiheit veröffentlicht Karoline M. Preisler ein Werk, das sich mit großer Klarheit in die politischen und gesellschaftlichen Erschütterungen unserer Zeit einschreibt. Es ist ein zutiefst persönliches, aber zugleich hochpolitisches Buch, das weit über eine klassische Autobiografie hinausgeht. Der Ariella Verlag legt damit eines der relevantesten deutschsprachigen Sachbücher dieser Saison vor.
Seit dem 7. Oktober 2023 steht Preisler im Zentrum einer Entwicklung, die die demokratische Öffentlichkeit sichtbar verändert hat: Die drastische Zunahme israelbezogenen Antisemitismus‘, Übergriffe auf jüdische Einrichtungen und die Enthemmung auf deutschen Straßen. Inmitten dieses Klimas entscheidet sich Preisler, sichtbar zu bleiben – mit einem Schild, einem Blumenstrauß und einer klaren Botschaft: „Rape is not Resistance“.
Dass aus einer stillen Geste ein öffentliches Risiko wird, beschreibt sie eindringlich. Drohungen, Angriffe, Polizeischutz für sie und ihre Kinder – das Buch erzählt auch davon, was es heute bedeutet, den öffentlichen Raum nicht zu meiden, obwohl er längst nicht mehr sicher ist. „Die Tatsache, dass Preislers Engagement Schutz braucht, ist ein Warnsignal“, schreibt Ulf Poschardt in seinem Vorwort. Recht hat er: Das Buch dokumentiert die Fragilität eines demokratischen Miteinanders ebenso wie die Entschlossenheit einer Einzelnen, dieser Entwicklung etwas entgegenzusetzen.

Zwischen Straße und Staatsraison: Ein persönliches Zeugnis mit politischer Wirkung
Preisler gelingt eine Form der politischen Selbstbeschreibung, die selten ist: Sie zeigt sich verletzlich, ohne sich zu inszenieren. Sie erklärt, ohne zu moralisieren. Und sie bleibt konsequent beim Thema Freiheit: Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit, Pressefreiheit – und die Frage, was diese Werte bedeuten, wenn der öffentliche Raum bedroht ist.
Dabei ist Streit und Straßenkampf ebenso politisches Tagebuch wie Analyse. Preisler beschreibt nicht nur ihre Demonstrationserfahrungen, sondern bettet sie ein in einen historischen und gut verständlichen Blick auf Antisemitismus – von rechten, linken und islamistischen Strömungen bis hin zur Rolle von Universitäten, sozialen Netzwerken und internationalen Diskursen.
Besonders bemerkenswert ist das Kapitel, in dem sie den Bericht eines Aussteigers aus der rechtsextremen Szene aufgreift. Es verleiht dem Buch eine zusätzliche Dimension, indem es zeigt, wie ideologische Feindbilder zusammenfließen und sich in neuen Formen radikalisierter Allianzen äußern.
Israel: Ein traumatisiertes Land – und ein Wendepunkt im Buch
Einen besonderen Schwerpunkt bildet ihre Israelreise im Juni 2025. Preisler gewährt den Leserinnen und Lesern einen seltenen, unmittelbaren Blick in ein Land, das noch immer vom Massaker der Hamas traumatisiert ist.
Sie trifft Angehörige verschleppter Geiseln, begegnet Überlebenden, besucht die Knesset, spricht mit Abgeordneten der Mitte-Partei Yesh Atid, begleitet die Helfer von ZAKA und wird im Präsidentenpalast von Isaac Herzog und seiner Frau Michal empfangen. Diese Begegnungen gehören zu den eindringlichsten Passagen des Buches.
Besonders das Gespräch mit Doron Steinbrecher – einer Frau, die die Brutalität der Geiselhaft überlebt hat – ist ein Moment, den Preisler mit großer Sensibilität beschreibt. Nichts daran wirkt voyeuristisch; es ist ein respektvolles, fast behutsames Erinnern, das lange nachhallt.
Hanna Veiler, Präsidentin der European Union of Jewish Students, bringt in ihrem Vorwort auf den Punkt, was Preislers Haltung bedeutet:
„Wer sieht, dass eine Einzelne aufsteht, gewinnt selbst leichter die Kraft, es ihr gleichzutun.“
Genau das spürt man beim Lesen jeder Seite.
Mut hat einen Preis – und dieses Buch verschweigt ihn nicht
Preisler beschreibt offen, wie sich Bedrohungslagen im Alltag zeigen: ein Notfallprotokoll für ihre Kinder, der Verlust privater Normalität, die permanente Anspannung. Doch sie schreibt darüber nicht klagend, sondern realistisch. Der Preis ihres Engagements wird sichtbar – und zugleich der Grund, warum sie es fortsetzt.
Streit und Straßenkampf ist damit auch ein Plädoyer für gewaltfreie Auseinandersetzung. Preisler zeigt, was es bedeutet, den Dialog zu suchen, auch wenn man auf Hass trifft – und wie weit die Grenzen einer Demokratie gedehnt werden, bevor sie anfangen zu reißen.
Biografie und Haltung – eine Verbindung mit Gewicht
Die politische Klarheit des Buches speist sich nicht zuletzt aus Preislers eigener Geschichte.
1971 in Ost-Berlin geboren, geriet sie bereits als Teenager ins Visier der Stasi. Sie beteiligte sich an der friedlichen Revolution 1989, studierte Jura, erwarb die Lehrbefähigung für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache und ist seit 2013 FDP-Mitglied.
Ihr erstes Buch Demokratie aushalten! (2021) brachte ihr den Amos-Preis ein; es folgten der Eugen-Kogon-Preis 2024 und der Paul-Spiegel-Preis 2025. Preisler ist Mutter und lebt in Berlin. Diese biografische Erdung macht ihre politische Stimme glaubwürdig – und ihr Buch umso relevanter.
Ein leidenschaftliches Plädoyer für die Verteidigung der Demokratie
Das Buch verbindet persönliche Erfahrung, historische Einordnung, politische Analyse und moralische Haltung zu einem Gesamtbild, das selten so geschlossen gelingt. Es ist ein Aufruf, Demokratie nicht als Selbstverständlichkeit zu behandeln.
Es erinnert daran, dass Meinungsfreiheit, Vielfalt und Rechtsstaatlichkeit erkämpft wurden – und dass sie heute aktiver verteidigt werden müssen als in den Jahrzehnten zuvor.
Empfehlung
Streit und Straßenkampf ist ein außerordentlich wichtiges Buch.
Es ist mutig, persönlich, analytisch klar und politisch hochrelevant.
Es zeigt, dass Zivilcourage keine abstrakte Kategorie ist, sondern ein täglicher Entschluss.
Und es demonstriert, wie eine Einzelne – ohne Amt, ohne Machtposition – zum moralischen Kompass einer demokratischen Gesellschaft werden kann.
Ein Buch, das man lesen sollte.
Ein Buch, das man verstehen muss.
Und ein Buch, das man weitergeben sollte.
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Foto: © Ariella Verlag








