Ein Licht mehr

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Zum Ende des Jahres 2025 fällt Chanukkah erneut in jene still gewordenen Tage, in denen Rückblicke lauter sind als Zuversicht und Müdigkeit oft stärker scheint als Hoffnung. Und doch setzt das jüdische Kalenderjahr genau hier einen anderen Akzent: nicht mit einem großen Abschluss, sondern mit dem beharrlichen Entzünden von Licht.

Chanukkah erinnert uns daran, dass jüdische Geschichte selten linear verläuft. Sie ist geprägt von Brüchen, Neuanfängen und der Fähigkeit, selbst unter widrigen Umständen Kontinuität zu schaffen. Das vergangene Jahr hat diese Fähigkeit erneut gefordert. Jüdisches Leben war sichtbar, kreativ und lebendig – und zugleich verletzlich. Diese Spannung prägt unsere Gegenwart und spiegelt sich auch in den Fragen wider, die wir als Redaktion begleiten.

Raawi versteht sich als Ort des Innehaltens und der Einordnung. In einer Zeit der Beschleunigung wollen wir Räume offenhalten für Zwischentöne, für Widersprüche und für leise Formen der Stärke. Chanukkah ist dafür ein passendes Bild: Acht Abende, acht kleine Gesten, die zusammen mehr sind als ihre einzelnen Teile. Kein spektakuläres Licht, sondern eines, das wächst.

Dieses Editorial ist daher weniger Abschluss als Einladung. Einladung, das Jahr nicht nur zu bewerten, sondern zu befragen. Einladung, jüdische Gegenwart nicht ausschließlich durch Krisen zu definieren, sondern auch durch die Praktiken, die sie tragen: Lernen, Erzählen, Streiten, Erinnern – und Weitergeben.

Wenn wir in diesen Tagen die Menora entzünden, tun wir das nicht im Vertrauen auf einfache Lösungen. Wir tun es im Bewusstsein, dass Sichtbarkeit Mut braucht und Hoffnung Arbeit ist. Ein Licht mehr zu entzünden heißt nicht, die Dunkelheit zu leugnen, sondern ihr etwas entgegenzusetzen.

Mit diesem Geist verabschieden wir 2025 – dankbar für das, was war, aufmerksam für das, was bleibt, und offen für das, was kommt. Chanukkah sameach.

Herzlichst, Ihre Sandra A. Borchert