Die Kraft des Gebets

Tische be Aw, Synagoge Hohe Weide, JGHH | Foto: © Armin Levy
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Zwischen dem 17. des Monats Tammuz und dem 9. des Monats Aw trauert das jüdische Volk:

es finden keine Hochzeiten statt und auch fröhliche Veranstaltungen, wie Konzerte, sind nicht erlaubt. Das Volk Israel trauert um die Zerstörung des Tempels in Jerusalem vor 2000 Jahren. Seitdem können wir einen großen Teil der Mitzwot nicht erfüllen. Die meisten betreffen den Dienst im Tempel, wie das Darbringen von Opfern, das Anzünden der Menora und vieles mehr.

 

Die Weisen Israels haben uns jedoch gelehrt, dass es eine Möglichkeit gibt, die fehlenden Mitzwot zu erfüllen und das ist das Gebet.

Der Prophet Hosea sagt: „Nehmt Worte mit euch und kehrt zum Herrn zurück und sprecht zu ihm: Vergib alle Schuld und nimm Güte an; wir wollen die gelobten Farren mit unseren Lippen opfern“.

Es wird erklärt: Das Opfersystem wurde durch das Gebet „mit unseren Lippen“ ersetzt, d.h. anstatt Tiere zu opfern, wie man es zu Zeiten des Tempels tat, nähern wir uns nach seiner Zerstörung G-tt mit unseren Lippen.

Und so hei.t es im Midrasch Vajikra Rabbah: „Rabbi Acha im Namen von Rabbi Chanina Bar Papa: Damit Israel nicht sagt: In der Vergangenheit haben wir Opfer gebracht und uns damit beschäftigt. Jetzt, da es keine Opfer

mehr gibt, warum sollten wir uns damit beschäftigen? Der Allmächtige sagte: Da ihr euch mit ihnen beschäftigt, rechne ich es euch an, als ob ihr sie opfert.“

Das bedeutet, dass das Gebet, das wir jeden Tag sprechen, nicht nur eine Bitte für unsere Bedürfnisse ist, sondern auch die Erfüllung des Willens G-ttes.

Dies ist eigentlich die Bedeutung des Wortes Korban. „Korban“ wird meist mit „Opfer“ übersetzt, aber das ist eigentlich nicht ganz richtig.  Es bedeutet nicht nur „opfern“, sondern auch “sich nähern“, von dem Hebräisches Wort Karow, also nah, sich G-tt nähern. So wird es im Chassidismus und auch von Rabbiner Shimshon Raphael Hirsch in seinem Kommentar zur Tora erklärt. Wir nähern uns G-tt also in unseren Gebeten und mit unseren Opfern.

Dieser Gedanke gewinnt noch mehr an Bedeutung, wenn wir uns in den Tagen der Trauer um den Tempel befinden. Etwas zu betrauern, das vor Tausenden von Jahren geschehen ist, ist wichtig.

Aber in Verbindung mit dem zerstörten Tempel etwas Positives zu tun, ist noch besser. Und so, wie das Gebet den Mangel an Opfern ausgleicht, so füllt das Studium der Geschichte, der Gesetze und der Fakten über den Tempel die Leere, die der zerstörte Tempel hinterlässt und bringt uns seinem Wiederaufbau näher.

Als G-tt Hesekiel die Gestalt des Hauses zeigte, was sagte Er zu ihm? „Du aber, Sohn der Menschheit, zeige dem Hause Israel das Haus, damit sie sich ihrer Sünden schämen und den Grundriss ausmessen.

Hesekiel sagte vor dem Heiligen, gepriesen sei er: Herr der Welt, bis jetzt sind wir ins Land unserer Feinde verbannt, und du sagst mir, ich soll hingehen und Israel die Form des Hauses mitteilen … und was können sie tun? Erlass es ihnen, bis sie aus dem Exil zurückkehren, und dann gehe ich hin und sage es ihnen!

Der Heilige sagte zur Hesekiel: „Und weil meine Kinder im Exil sind, wird der Bau meines Hauses nichtig sein?! “ Der Heilige sagte zu ihm: Das Lesen der Tora ist größer als das Bauen. Sage ihnen, sie sollen die Form des Hauses aus der Tora lernen, und als Belohnung werde ich es ihnen vergelten, als ob sie das Haus gebaut hätten.

 

Tischa be Aw 5783 / 2023 Hamburg