Margot Friedländer – Die Stimme, die nicht verstummte

Margot Friedländer
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Gestern verstarb Margot Friedländer im Alter von 103 Jahren. Mit ihr geht nicht nur eine der letzten Überlebenden des Holocaust, sondern auch eine der eindringlichsten Stimmen gegen das Vergessen und für Menschlichkeit. Bis zuletzt war sie unermüdlich unterwegs – in Schulen, auf Podien, in Fernsehsendungen – um ihre Geschichte zu erzählen. Nicht um Mitleid zu erregen, sondern um zu mahnen.

Geboren wurde Margot Friedländer am 5. November 1921 in Berlin. Ihre Jugend war geprägt von einem selbstverständlichen jüdisch-deutschen Leben – bis die Nationalsozialisten ihr alles nahmen: die Freiheit, die Familie, die Heimat. Nach der Deportation ihrer Mutter und ihres Bruders im Jahr 1943 tauchte sie unter. 13 Monate lang lebte sie im Verborgenen, wechselte ständig ihre Unterkunft, vertraute auf den Mut von Freunden und Fremden. 1944 wurde sie verraten, verhaftet und ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert. Sie überlebte.

Nach dem Krieg emigrierte sie in die USA. Sie sprach jahrzehntelang kaum über das Erlebte – bis sie, nach dem Tod ihres Mannes, ihre Geschichte niederschrieb: „Versuche, dein Leben zu machen“ – die letzten Worte ihrer Mutter, übermittelt durch Nachbarn, bevor sie in Auschwitz ermordet wurde.

2003 kehrte Margot Friedländer erstmals wieder nach Berlin zurück, 2010 schließlich dauerhaft. Es war ein bewegender Akt der Versöhnung mit einem Land, das ihr alles genommen hatte. Doch sie wollte den Dialog. Nicht aus Hass, sondern aus Hoffnung.

„Ich bin nicht zurückgekommen, um zu klagen“, sagte sie oft, „sondern um zu erzählen.“ In Hunderten Veranstaltungen sprach sie mit Jugendlichen über ihre Geschichte – stets mit der Botschaft: „Ihr seid nicht verantwortlich für das, was geschehen ist. Aber dafür, dass es nicht wieder geschieht.“

Margot Friedländer wurde vielfach geehrt: mit dem Bundesverdienstkreuz, der Ehrenbürgerwürde Berlins, dem „Deutschen Nationalpreis“, der Goldenen Kamera für ihr Lebenswerk. Doch für sie war die größte Ehre stets, wenn ein junger Mensch ihr nach einer Veranstaltung sagte: „Ich werde dich nie vergessen.“

Ein Leben für die Erinnerung

Margot Friedländer war mehr als eine Zeitzeugin. Sie war eine Brücke zwischen Vergangenheit und Zukunft. Ihre Geschichte war nicht nur Mahnung, sondern auch ein Appell an den Mut, die Menschlichkeit, die Verantwortung. In einer Zeit, in der antisemitische und demokratiefeindliche Tendenzen wieder lauter werden, bleibt ihr Vermächtnis dringlicher denn je.

Mit dem Tod von Margot Friedländer verliert Deutschland eine moralische Instanz. Doch ihre Stimme hallt weiter – in ihren Büchern, in den Erinnerungen derer, die ihr zuhörten, in den Herzen der jungen Menschen, die sie erreichte.

© Foto: Wikipedia

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