Wenn man heute auf die internationale Werbe- und Kommunikationsbranche blickt, wirkt vieles selbstverständlich: Marken erzählen Geschichten, Unternehmen sprechen direkt zu ihren Kunden, und Medienlandschaften verändern sich rasant. Doch nur wenige wissen, dass eines der einflussreichsten globalen Netzwerke, die Publicis Groupe, auf den Schultern eines jungen Mannes aus einer jüdischen Einwandererfamilie entstand. Seine Geschichte ist nicht nur unternehmerisch bedeutend – sie ist ein zutiefst jüdisches Narrativ über Mut, Verlust, Identität und Neubeginn.
Marcel Bleustein-Blanchet: Kind einer jüdischen Einwandererfamilie
Marcel Bleustein-Blanchet wurde 1906 in Paris geboren – als Sohn eines russisch-jüdischen Möbelhändlers, dessen Familie vor Pogromen geflohen war. Die kulturelle Offenheit und politische Spannkraft des Pariser Judentums prägten ihn tief. Er wuchs in einem Umfeld auf, das gleichermaßen von Tradition, intellektuellem Austausch und dem Willen zum sozialen Aufstieg geprägt war.
Mit gerade einmal zwanzig Jahren gründete Marcel 1926 eine kleine Werbeagentur. Der Name „Publicis“ war damals ein Wortspiel – doch der junge Gründer sollte bald zu einer der prägenden Stimmen einer neuen Branche werden.
Publicis vor dem Krieg: Innovation aus jüdischer Perspektive
Schon in den 1930er Jahren war Publicis kein gewöhnliches Unternehmen. Bleustein-Blanchet verstand Kommunikation als gesellschaftliche Kraft. Er gründete Radio Cité, einen der ersten modernen Radiosender Frankreichs, und schöpfte aus jener jüdischen Tradition, in der Sprache, Erzählung und Debatte zentrale Rollen spielen.
Seine Vision war klar: Kommunikation sollte Menschen verbinden, informieren, aufklären.
Schließung, Enteignung, Verfolgung: Die NS-Besatzung trifft Publicis
Mit der deutschen Besatzung änderte sich alles. Für jüdische Familien in Frankreich begann eine Zeit der Ausgrenzung, Gewalt und Angst. Publicis wurde als „jüdisches Unternehmen“ klassifiziert und geschlossen. Radio Cité wurde beschlagnahmt. Der Name Bleustein-Blanchet verschwand aus dem öffentlichen Leben.
Für Marcel war dies nicht nur der Verlust seines Unternehmens, sondern die gewaltsame Auslöschung seiner Existenz durch ein Regime, das jüdisches Leben systematisch zerstörte.
Widerstand statt Schweigen: Bleustein-Blanchet in der Résistance
Während viele jüdische Familien Frankreichs deportiert wurden, floh Marcel und schloss sich der Résistance an. Unter dem Decknamen „Blanchet“ wurde er Teil eines Netzwerks, das Informationen sammelte, verbreitete und gegen das NS-Regime arbeitete.
Sein Weg zeigt die Vielfalt jüdischen Widerstands: Er kämpfte nicht nur um politische Freiheit, sondern auch darum, die eigene Kultur und Identität zu retten.
Neuanfang 1946: Die Wiedergeburt von Publicis
Nach dem Krieg war von Publicis nichts mehr übrig. Doch Marcel Bleustein-Blanchet war entschlossen, sein Werk wiederaufzubauen. 1946 eröffnete er Publicis erneut – ein symbolischer Akt des Überlebens, ein Zeichen gegen die Auslöschung jüdischer Geschichte.
Der Wiederaufbau gelang. Publicis wurde innerhalb weniger Jahre wieder zu einer führenden Kraft der französischen Kommunikation und entwickelte sich später zu einem globalen Konzern. Die jüdische Geschichte des Unternehmens blieb – bewusst oder unbewusst – ein Teil seiner DNA: der Glaube an die Kraft der Sprache, die Bedeutung der Erinnerung und die Verantwortung, die Vergangenheit nicht zu verdrängen.
Die nächste Generation: Jüdisches Denken prägt weiter
Die Tochter des Gründers, Élisabeth Badinter, heute eine der bekanntesten französischen Philosophinnen, verkörpert die Verbindung von jüdischem Humanismus, Aufklärung und gesellschaftlichem Engagement. Sie prägte über viele Jahre Kultur und Ethik des Unternehmens – und zeigte, dass Publicis immer ein Familienerbe blieb, nicht nur ein Konzern.
Warum die jüdische Geschichte von Publicis heute wichtiger ist denn je
Publicis ist heute ein globaler Riese – doch im Herzen trägt das Unternehmen eine Geschichte über jüdische Herkunft, über Vertreibung und Widerstand, über Wiederaufbau und Hoffnung. In einer Zeit, in der Antisemitismus weltweit wieder zunimmt, erinnert die Geschichte von Marcel Bleustein-Blanchet daran, welchen unverzichtbaren Beitrag jüdisches Leben für Kultur, Medien und Gesellschaft geleistet hat – und weiterhin leistet.
Seine Geschichte zeigt: Jüdische Stimmen lassen sich nicht auslöschen. Sie kehren zurück. Sie bauen neu auf. Und sie prägen die Welt.
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