Ein „Auge um Auge“ zu viel – Der Streit um Ben Gvirs Aussagen

Israelische Fahne und Deutsche Fahne in einer Fahne vereint
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Ein neuer Schlagabtausch in Israels ohnehin aufgeheiztem politischen Klima:
Israels nationaler Sicherheitsminister Itamar Ben Gvir steht erneut in der Kritik, nachdem der ehemalige Geisel Bar Kuperstein in einem Interview über seine zweijährige Gefangenschaft im Gazastreifen gesprochen hatte – und dabei auf eine beunruhigende Verbindung zwischen seiner Misshandlung und den öffentlichen Äußerungen des Ministers hinwies.

„Auge um Auge, Zahn um Zahn“ – Kupersteins erschütternde Aussagen

Bar Kuperstein, einer der zuletzt freigelassenen israelischen Geiseln, berichtete dem Sender Kan, dass seine Entführer ihn und andere israelische Gefangene wiederholt geschlagen und misshandelt hätten – angeblich als Reaktion auf die von Ben Gvir durchgesetzten oder angekündigten Maßnahmen gegen palästinensische Sicherheitsgefangene in israelischen Gefängnissen.

„Sie sagten, es sei wegen Ben Gvir – wir würden spüren, was unsere Gefangenen in Israel spüren. ‘Auge um Auge, Zahn um Zahn’“, schilderte Kuperstein.
Er berichtete von schweren Schlägen, Demütigungen und gebrochenen Knochen. „Ich erinnere mich, dass ich ein Bein über das andere legte, damit sie nur eines verletzen – damit mir wenigstens eines bleibt“, sagte er.

Kuperstein machte dabei deutlich, dass sein Zorn sich weniger gegen den Minister selbst richte, sondern gegen die öffentliche Darstellung der Haftbedingungen palästinensischer Gefangener in den Medien: „Warum muss so etwas in die Presse gelangen, wenn ihr wisst, dass wir in ihren Händen sind?“, fragte er.

Ben Gvir kontert – und greift die Medien an

In einer Videobotschaft reagierte Ben Gvir scharf auf Kupersteins Aussagen und warf der israelischen Presse vor, „das Narrativ der Hamas“ zu übernehmen.
„Ich umarme Bar Kuperstein und alle heimgekehrten Geiseln“, erklärte der Minister, „aber die israelischen Medien verbreiten die Version der Hamas.“

Ben Gvir verteidigte seine Politik, die seit seinem Amtsantritt auf eine Verschärfung der Haftbedingungen palästinensischer Gefangener abzielt. Er betonte, dass die Hamas „keinerlei Vorwand gebraucht habe“, um die Gräueltaten des 7. Oktober zu begehen: „Mord, Vergewaltigung, Folter, verbrannte Babys – all das geschah lange vor den Veränderungen in den Gefängnissen.“

Der Minister behauptete zudem, die Sicherheitsbehörde Schin Bet habe ihm bestätigt, dass die öffentliche Bekanntmachung der strengeren Haftbedingungen zu einer Abschreckung geführt habe. Doch offiziellen Zahlen zufolge stieg die Zahl der Terroranschläge während seiner Amtszeit deutlich an – ein Widerspruch, der die Glaubwürdigkeit seiner Aussage infrage stellt.

Politik der Härte – Symbolik oder Sicherheit?

Seit seinem Amtsantritt hat Ben Gvir wiederholt Reformen angekündigt, die von vielen als politisch motivierte Härtepolitik gesehen werden. Er untersagte unter anderem frisches Pitabrot in Gefängnissen, schränkte Duschzeiten ein und ließ nach dem 7. Oktober Betten entfernen, was zu Überbelegung führte.

Erst im vergangenen Monat urteilte das israelische Oberste Gericht, dass der Staat seine Pflicht, palästinensische Sicherheitsgefangene angemessen zu ernähren, verletzt habe – eine klare juristische Ohrfeige für den Minister.

Zwischen Empathie und Spaltung

Kuperstein, der nach über zwei Jahren Gefangenschaft am 13. Oktober 2025 im Rahmen einer von den USA vermittelten Waffenruhe freikam, steht sinnbildlich für die Zerrissenheit des Landes: zwischen Mitgefühl für die Opfer, dem Wunsch nach Gerechtigkeit und der Angst, dass politische Rhetorik die Gräben nur vertieft.

In seiner Videobotschaft sprach Ben Gvir von Solidarität – doch viele fragen sich, ob seine Worte und Taten am Ende eher die Einheit gefährden, die Israel in diesen Zeiten so dringend braucht.