Jüdische Gemeinde zu Berlin übernimmt Trägerschaft des Abraham Geiger Kollegs

Abraham Geiger Kolleg
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Anlässlich der Neustrukturierung des für die Ausbildung liberaler Rabbiner zuständigen Abraham Geiger Kollegs (AGK) hat die Jüdische Gemeinde zu Berlin am 10. Januar 2023 alle Anteile des als gemeinnützige GmbH firmierenden Kollegs übernommen. Die Trägerschaft lag zuvor bei der Leo Baeck Foundation, von der die Berliner Gemeinde im gleichen Zug auch die Trägerschaft des für die Ausbildung konservativer Rabbiner zuständigen Zacharias Frankel College übernommen hat. Beide Einrichtungen sind An-Institute der Universität Potsdam.

Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Dr. Gideon Joffe: „Die wertvolle Arbeit des AGK ist für den Fortbestand des liberalen Judentums in Deutschland unverzichtbar. Vor allem die Jüdische Gemeinde zu Berlin hat von den Früchten dieser einzigartigen Ausbildung stets profitiert. Deshalb ist es für uns der logische Schritt, wenn wir als Jüdische Gemeinde in Zukunft für die Ausbildung der Rabbiner und Kantoren Verantwortung übernehmen. Die oberste Priorität ist für uns im Moment, das AGK in ein ruhiges Fahrwasser zu bringen und den Studierenden den Weg zu ebnen, ihre Ausbildung in einer stabilen Struktur fortzuführen. Nach vielen Monaten der Aufregung möchten wir uns dafür einsetzen, die Gemüter zu befrieden und diese wunderbare Einrichtung in eine nachhaltige Zukunft zu begleiten.“

Die Jüdische Gemeinde zu Berlin ist seit jeher das Zentrum eines pluralistischen Judentums in Deutschland.

„Unsere Gemeinde steht für Einheit in der Vielfalt und ist der Rabbinerausbildung in Potsdam durch seine Dozenten und Alumni, durch Praktika und viele Ordinationsfeiern eng verbunden. Mit der Trägerschaft beider Rabbinerseminare setzt die Jüdische Gemeinde zu Berlin ihre Tradition als Plattform eines gelebten religiösen Pluralismus in überzeugender und konsequenter Weise fort“, so Dr. Joffe weiter.

Der für die Religionsgemeinschaften zuständige Berliner Senator Klaus Lederer begrüßt den Entschluss der Jüdischen Gemeinde zu Berlin: „Aus meiner Sicht ist es die natürliche Entwicklung einer seit Jahren bereits existierenden und immer enger werdenden Partnerschaft. Ich freue mich sehr über diesen konsequenten Schritt. Die Jüdische Gemeinde zu Berlin ist als Religionsgemeinschaft und anerkannte Körperschaft des öffentlichen Rechts ein verlässlicher Träger der Rabbinerausbildung.“

Neue Interimsgeschäftsführerin des AGK wird die Rechtsanwältin und amtierende Geschäftsführerin der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Milena Rosenzweig-Winter.

Von 1872 bis zur Zerstörung durch die Nationalsozialisten 1942 war Berlin Standort der liberalen Hochschule für die Wissenschaft des Judentums. Ihr spiritus rector Abraham Geiger (1810–1874) war ebenso wie ihr letzter Dozent Leo Baeck (1873–1956) Berliner Gemeinderabbiner. Das 1999 gegründete Abraham Geiger Kolleg und das 2013 gegründete Zacharias Frankel College stehen in der Tradition der Hochschule für die Wissenschaft des Judentums.

1928 war die Jüdische Gemeinde zu Berlin das Forum für die erste internationale Konferenz der World Union for Progressive Judaism, zu deren Gründungsmitgliedern sie zählt. Nach der Schoa war die Jüdische Gemeinde zu Berlin als Trägerin der verschiedenen religiösen Strömungen des Judentums unter einem Dach lange Zeit einzigartig in Deutschland.

Heute gibt es sieben Gottesdienstangebote, davon fünf nichtorthodoxe. 1999 wurde die Synagoge Sukkat Schalom gegründet. Seit 2007 gehört mit einer konservativen Masorti Gemeinderabbinerin an der Synagoge Oranienburger Straße auch diese religiöse Richtung zum Gemeindebild.

 

© Jüdische Gemeinde zu Berlin

 

STATEMENT DES ZUR ÜBERGABE DER RABBINERAUSBILDUNG AN DIE JÜDISCHE GEMEINDE ZU BERLIN

„Die Übertragung der GmbH-Anteile des Abraham-Geiger-Kollegs und des Zacharias-Frankel-Colleges durch Walter Homolka an die Jüdische Gemeinde zu Berlin erfolgte ohne Rücksprache mit den Studierenden, Beschäftigten oder den Zuwendungsgebern. Auch die an der Universität Potsdam angesiedelte School of Jewish Theology war offenbar nicht eingebunden; genauso wenig wie die Leitung des konservativen Frankel-Colleges. Wir sind erstaunt über diesen Deal, der uns keinen Schritt dabei weiterbringt, die liberale und konservative Rabbinerausbildung für die Zukunft zu sichern. Ob die Rabbinerausbildung in Potsdam unter diesen Umständen überhaupt vom Zentralrat weiter gefördert werden kann, wird rechtlich zu prüfen sein. Die nun gegebene Trägerstruktur ist in jedem Fall ungeeignet und nur ein weiterer Akt des von Walter Homolka und seiner Gefolgschaft inszeniertem Trauerspiels. Die Situation ändert nichts daran, dass sich die Stakeholder eine neue Struktur für die Rabbinerausbildung in Potsdam überlegen müssen. Eine trag- und förderfähige Struktur für die liberale und konservative Rabbinerausbildung in Potsdam wird derzeit von Herrn Prof. Gerhard Robbers entwickelt und im Folgenden mit den Zuwendungsgebern, den Studierenden und Beschäftigten beraten.“