Von Haifa nach Berlin: Die bewegende Lebensgeschichte eines Grenzgängers zwischen Kulturen
Dan Lahav war vieles in einem: Schauspieler, Theatergründer, Maler, Intendant, Kulturschaffender – ein Brückenbauer zwischen Deutschland und Israel, zwischen jüdischer Tradition und moderner Theaterkunst. Am 14. Dezember 2016 verstarb er in Berlin – der Stadt, die er liebte und die er mit seinem Wirken maßgeblich bereicherte.
Geboren wurde Dan Lahav am 1. Februar 1946 im israelischen Haifa. Seine Familie war geprägt von Flucht, Mut und künstlerischer Leidenschaft. Seine Mutter Jeanette war einst Hamburger Sprintmeisterin, seine Großmutter Opernsängerin aus Lübeck. Die Familie floh in den 1930er-Jahren vor den Nationalsozialisten nach Belgien, später gelang einigen Mitgliedern über sportliche Erfolge die Emigration nach Palästina – ein tragischer Weg, denn nicht alle überlebten den Holocaust. Lahav wuchs ohne Vater auf, von der Großmutter liebevoll betreut, die ihm täglich deutsche Opernarien vorsang. Die Bühne war früh Teil seines Lebens.
Zunächst arbeitete Lahav als Erzieher für schwer erziehbare Kinder – doch das Theater zog ihn unaufhaltsam an. An der Pantomimeschule des großen Marcel Marceau lernte er die Kunst der stummen Darstellung. Es folgten Schauspielstudien in Tel Aviv und Haifa, erste Engagements an renommierten Bühnen wie dem Habimah-Theater in Tel Aviv und am deutschsprachigen Theater Gescher.
Doch Lahav war mehr als ein Schauspieler. Seine künstlerische Begabung erstreckte sich auch auf die Malerei – ein Jugendpreis ermöglichte ihm eine Reise nach Europa, die ihn schließlich für zwei Jahre nach Westberlin führte. Hier sammelte er erste Eindrücke der deutschen Theaterwelt – darunter Auftritte im Schillertheater – und knüpfte wertvolle Kontakte.
1980, längst verheiratet und Vater von zwei Kindern, kehrte Lahav zurück nach Berlin – diesmal dauerhaft. Es war eine Rückkehr zu den deutschen Wurzeln seiner Familie, aber auch eine bewusste Entscheidung für eine Stadt im Aufbruch. In Westberlin fand er eine lebendige jüdische Gemeinde und eine offene Gesellschaft, die seine Vision beflügelte: jüdische Kultur in Deutschland wieder sichtbar machen.
Zunächst brachte er israelische Kunst zur 750-Jahr-Feier Berlins, später leitete er die Jüdischen Kulturtage. Es folgten ambitionierte Kulturprojekte, darunter das geplante Gastspiel der Berliner Staatskapelle in Israel – ein Projekt, das an der politischen Wende der DDR scheiterte.
Doch Lahav gab nicht auf – im Gegenteil. 2001 gründete er sein Herzensprojekt: das Deutsch-Jüdische Theater Berlin. Unter dem Namen Bimah – Bühne – wurde es zu einem einzigartigen Ort für jüdische Geschichten, für interkulturelle Begegnung, für Humor, Schmerz, Geschichte und Gegenwart.
„Das deutsch-jüdische Theater ist eine Begegnungsstätte mit der reichhaltigen jüdischen Kultur. Es ist ein Ort der Toleranz und Freundschaft“, sagte Lahav einst. „Und ich wünsche mir, dass wir noch lange in dieser schönen und spannenden Stadt spielen können.“
Dan Lahav starb 2016 an einem Hirntumor. Doch seine Vision lebt weiter – in den Erinnerungen seiner Weggefährten, in den Bühnen seiner Stadt, in jedem Lachen, das sein Theater entlockte.
Sein größtes Vermächtnis, das Deutsch-Jüdische Theater Berlin, existiert bis heute. Es steht weiterhin als lebendige Bühne für jüdische Kultur, Dialog und Verständigung – ganz im Sinne seines Gründers. Die Aufführungen verbinden Tradition mit Zeitgeist, erzählen von Geschichte und Identität, und laden Menschen aller Herkunft ein, sich berühren und begeistern zu lassen.
Beigesetzt wurde Dan Lahav auf dem Jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee. Auf seinem Grabstein steht ein Satz, der sein Leben vielleicht besser beschreibt als jede Biografie:
„Er ist nicht an Langeweile gestorben.“