Am 11. Oktober 1927 als Ruth Peggy Sophie Parnass in Hamburg geboren, hat Peggy Parnass sel.A. ein Leben geführt, das von Mut, Widerstandskraft und unerschütterlichem Engagement geprägt war. Nun ist sie im hohen Alter verstorben. Mit ihr verliert die Welt eine Stimme, die sich stets für Gerechtigkeit, Toleranz und Menschenrechte eingesetzt hat.
Ihre Kindheit wurde von den Schrecken des Nationalsozialismus überschattet. Als Jüdin war sie von Verfolgung bedroht, ihre Eltern wurden im Vernichtungslager Treblinka ermordet. Nur durch einen Kindertransport nach Schweden entkam sie mit ihrem Bruder Gady dem Holocaust. Diese Erfahrung hat sie zeitlebens geprägt – und ihr eine tiefe Entschlossenheit verliehen, gegen Unrecht zu kämpfen.
„Alles, alles, was wir machten, war verboten. Meine süße kleine Mutti, die hat Vieles gemacht, weil sie wollte, dass wir auch Spaß haben. Dabei wusste sie, dass es schlimme Folgen haben würde, wenn wir erwischt worden wären.“
— Peggy Parnass sel.A. in einem Interview mit „Hagali“ 2020
Peggy Parnass sel.A. war eine Frau mit vielen Talenten und Leidenschaften. Sie studierte in Stockholm, London, Hamburg und Paris, arbeitete als Sprachlehrerin, Kolumnistin, Dolmetscherin, Filmkritikerin und Gerichtsreporterin. Besonders ihr Wirken für die linke Monatszeitung konkret machte sie bekannt. 17 Jahre lang berichtete sie aus den Gerichtssälen – mit scharfem Blick auf NS-Prozesse, in denen Täter viel zu oft geschont wurden.
„Es regt mich auf, in einem Land zu leben, in dem Dinge bestraft werden, die ich nicht als strafwürdig ansehe, aber Massenmörder frei rumlaufen.“
Ihre kompromisslose Haltung brachte ihr Anerkennung, aber auch Widerstand. Dass sie 2008 das Bundesverdienstkreuz annahm, bereute sie später: „Wenn ich daran denke, wer alles diese Auszeichnung bekommen hat, welche Schweine dieses sogenannte Verdienstkreuz am Hals tragen.“
Neben ihrem politischen Engagement war Peggy Parnass sel.A. eine leidenschaftliche Künstlerin. Sie wirkte als Schauspielerin, schrieb Bücher, übersetzte Märchen und trat als Sängerin auf. Ihr Herz schlug für das Kino – insbesondere für Charlie Chaplin und den französischen Film Noir. Auch ihre eigene Leinwandpräsenz hinterließ Spuren: Sie spielte in Panische Zeiten (1980) an der Seite von Udo Lindenberg und in Keiner liebt mich (1994) unter der Regie von Doris Dörrie.
Die queere Community war für sie Heimat und Familie. Sie marschierte stolz mit der Regenbogenfahne beim Christopher Street Day und bezeichnete diese Gemeinschaft als „Mutter- und Familienersatz“. Viele sahen in ihr eine Ikone der Minderheitenrechte, eine „heimliche Königin“ von St. Georg, ihrem langjährigen Zuhause.
„Ich bin ein Liebes-Junkie“, sagte sie einmal über sich selbst. „Sexualität ist für mich wie Essen und Trinken, aber ich hab immer selber entschieden: wann und mit wem.“
Bis ins hohe Alter blieb sie aktiv, engagierte sich für die Erinnerungskultur und nahm an Gedenkveranstaltungen teil. 2023 wurde in Eimsbüttel ein Platz nach ihr benannt – nicht weit von der Wohnung, aus der ihre Familie einst vertrieben wurde.
Nun ist Peggy Parnass sel.A. von uns gegangen. Ihr Erbe jedoch bleibt – in ihren Büchern, in den Erinnerungen jener, die sie inspiriert hat, und in ihrem unermüdlichen Einsatz für eine gerechtere Welt. Ihre Stimme mag verstummt sein, doch ihr Lebenswerk wird weiterklingen.
Baruch Dayan HaEmet!