Wajeze: DANKBARKEIT IST EINE WICHTIGE EIGENSCHAFT

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JA’AKOV LIEBT RACHEL: LAWAN VERTAUSCHT LEA GEGEN RACHEL UNTER DER CHUPPA. JA’AKOV HEIRATET LETZTENDLICH VIER FRAUEN UND BEKOMMT ZWÖLF SÖHNE UND EINE TOCHTER. ALLE ERHALTEN VON IHREN MÜTTERN SPEZIELLE NAMEN.

 

NAMENSGEBUNG

 

  • Der Talmud (B.T. Joma 83b) erzählt, wie Rabbi Mejir (zweites Jahrhundert) den Charakter von Menschen aus ihren Namen analysierte. Rabbi Elijahu Dressler (zwanzigstes Jahrhundert) besagt, dass ein Neugeborenes nicht rein zufällig einen Namen bekommt. Den Namen, den die Eltern in ihren Köpfen mit sich tragen, gilt als eine NEVU’A KATANA – eine kleine Prophezeiung, da das Wesen des neuen kleinen Menschen in seinem Namen zum Ausdruck kommt. Deshalb gelten so besonders viele MINHAGIM – Gewohnheiten – bei der Namensgebung, die augenscheinlich alle auf mystischen Prinzipien beruhen.

 

  • Die Namensgebung wird oft durch die Tradition der Vorfahren bestimmt. Ein Kind wird meistens traditionsgemäss nach einem verstorbenen Familienmitglied benannt oder nach einer prominenten Persönlichkeit aus der jüdischen Geschichte. Der Talmud (B.T. Rosch Haschanah 18a) spricht dieses vorhin Genannte wie folgt an: „Haben Sie jemals Jemanden gesehen, der sein Kind nach Pharao, Sisera oder Sancherib genannt hatte? Man benennt nach Avraham, Jitzchak oder Ja’akov“.
  • Ein anderer Anknüpfungspunkt für die Wahl eines Namens bildet der Zeitpunkt im jüdischen Kalender, an dem das Kind geboren wurde. Manche geben einem Kind, das an Shabbat geboren wurde, den Namen Schabtai. Dieser Name ist jedoch nicht mehr gebräuchlich, wahrscheinlich seit dem Vorfall mit dem falschen Messias Shabtai Zwi im siebzehnten Jahrhundert. Ein Chanukka-Kind kann jedoch ohne Weiteres den Namen Mattitjahu erhalten, denn so hiess der Anführer der Makkabäer beim Aufstand gegen die Hellenisten, also gegen die Griechen. Ein Purim-Kind heisst Mordechai oder Esther. Ein Kind, das an Jom-Kippur zur Welt kommt, wird schon mal Rachamim genannt – Barmherzigkeit – und ein Kind, das an Tischa Be’Aw geboren wird – dem nationalen Trauertag zur Erinnerung an die Zerstörung der beiden Tempel – heisst Menachem – der Tröster.

 

  • Im Laufe der Zeit sind auch nichtjüdische Namen in Mode gekommen, vor allem bei Mädchennamen. So ist der Jiddische Name Schprinse eine Verbiegung des französischen Princesse oder Esperance (Hoffnung) . Jungensnamen, wie z.B Abba, Bär, Mendel oder Mechel sind entweder aramäischen Ursprungs oder jiddische Verbiegungen und Übersetzungen von hebräischen Namen. Die Gelehrten, die im Talmud vor kommen, haben öfters keine Namen aus der Thora: Abaji, Rav, Rawa, Rawina, Rabba, Schammai, Zejira, Pappa und Chisda.

 

  • Eine besondere Geschichte betrifft den Namen Alexander: als Alexander der Grosse, anlässlich seines Besuches des Tempels zu Jerusalem, dort sein Monument errichten wollte, soll der damalige Hohepriester ihn mit der Zusage, dass alle Jungens, die in dem damaligen Jahr geboren würden, als dankbarer Erinnerung und zu seiner Ehre, den Namen Alexander erhalten sollten.

 

  • Ein Junge erhält seinen Namen bei seiner Brith-Milah, der Beschneidung. Auch dieser Brauch geht nicht eindeutig aus der geltenden Literatur hervor. Aus der Thora (Bereschit 21:3-4) scheint sich das Gegenteil zu ergeben: „Und Abraham nannte seinen Sohn, der ihm geboren wurde, Jitzhak (und erst danach) beschnitt Abraham seinen Sohn Jitzhak, als er acht Tage alt war“. In den Sprüchen von Rabbi Eliezer (48) scheint es jedoch, dass die Namensgebung bei der Beschneidung schon recht früh beim Jüdischen Volk vor kam:

„Moses (Mosche) wurde am achten Tag beschnitten und JEKUTI’EL genannt“ (Mosche hat zehn Namen).

 

  • Gelegentlich muss die Beschneidung aus medizinischen Gründen für kürzere oder längere Zeit verschoben werden. Dann nennt der Vater bei erster Gelegenheit, wo er zur Thora aufgerufen wird, den Namen seines Sohnes. Andere pflegen den Brauch, hiermit zu warten, bis die Beschneidung wirklich erfolgt, auch wenn das erst in einigen Wochen der Fall sein sollte. Wenn es einen Bechor – den Erstgeborenen – betrifft, den man am einundreissigsten Tag nach der Geburt freikaufen muss, gibt man dem Kind beim Pidjon Haben – der Freikaufung oder Auslösung – seinen Namen.

 

  • Ein Mädchen erhält ihren Namen, sobald ihr Vater zum ersten Mal (nach ihrer Geburt) zur Thora aufgerufen wird. An einigen Orten ist es Brauch, hiermit bis zum ersten Schabbat nach der Geburt zu warten. Andere warten hiermit bis zum Schabbat, an dem die Mutter wieder in der Lage ist, die Synagoge zu besuchen. Mit der Namensgebung der Tochter sollte man jedoch nicht länger als dreissig Tage warten. Bei den Sefarden ist die Namensgebung eines Mädchens eine ganze Zeremonie, die SEWED HABAT genannt wird. Einige verbinden ein festliches Essen anschliessend hiermit, aber den Aschkenasim war dieses – bis vor Kurzem – nicht bekannt. In mystischen Kreisen wird das Fehlen dieses Brauches, also das gemeinsame Essen nicht ab zu halten, bedauert, da die Seele sich bei der Namensgebung mit dem Körper vereint. Heutezutage feiert man oft ein SIMCHAT HABAT.

 

  • Wenn ein nicht-jüdisches Kind von jüdischen Eltern adoptiert wird, erhält das Kind seinen jüdischen Namen bei seinem Übertritt zum Judentum. Für einen Jungen bedeutet das, dass er seinen Namen erst erhält, nachdem er in der Mikwe – dem rituellen Bad-ganz unter Wasser getaucht war und nicht bei der Beschneidung, die bereits vorher erfolgte. Wenn die Adoptiveltern die Verschiebung der Namensgebung als unangenehm empfinden, erhält das Kind seinen Namen bereits  bei der Beschneidung. Bei adoptierten Mädchen erfolgt die Namensgebung grundsätzlich erst nach dem Tauchvorgang in der Mikwe, der übrigens meistens erst im zweiten Lebensjahr erfolgt.

 

DIE DUDAIM – REUVEN FINDET LIEBESÄPFEL.

LEA GEBÄHRT JA’AKOWS SECHSTEN SOHN. RACHEL BEKOMMT JOSEPH, JA’AKOW MÖCHTE NACH ISRAEL ZURÜCK.

Ruven hatte Pflanzen gefunden und gab sie seiner Mutter Lea. Die Thorah nennt diese Pflanzen DUDAIM. Rachel besteht jedoch darauf, dass auch sie etwas von den Pflanzen bekommt. Lea weigert sich jedoch: „Reicht es nicht schon aus, dass Du mir meinen Mann ausgespannt hast, musst Du jetzt auch noch die Pflanzen (Dudaim) meines Sohnes haben?“.

Rachel jedoch lässt nicht locker und ist selbst bereit, ihrer Schwester Lea ihre Nacht mit Ja’akow ab zu treten, als Tausch für die von ihr begehrte Pflanze.

Lea ist mit dem Tausch einverstanden und kommt Ja’akow, der abends von den Feldern zurück kehrt, begeistert entgegen. Ein fünfter Sohn – Jissachar (Issachar) – wird gezeugt.

 

eine Pflanze, die einen positiven Einfluss auf die Fruchtbarkeit hätte

Bei genauerer Betrachtung scheint es hier um mehr zu gehen, als nur um einen Streit über welche Pflanzen. Sehr wahrscheinlich handelt es sich hier nämlich um eine Pflanze, von der man dachte, sie hätte einen positiven Einfluss auf die Fruchtbarkeit (vergleiche Ibn Esra, Nachmanides).

Rachel, die noch keine Kinder hatte, wollte diese DUDAIM gerne haben. Die Pflänzchen hatten den gewünschten Effekt. Nach der Kontroverse über die DUDAIM erzählt die Thorah dann etwas später im Text, dass auch Rachel endlich schwanger wurde, mit dem ersten Sohn, während ihre Schwester Lea schon sechs Jungens hatte.

 

Was waren nun diese DUDAIM genau?

Im Hohelied lesen wir: „Die DUDAIM duften schon“, aus dem jedenfalls zu entnehmen ist, dass es sich um eine Pflanze mit einem sehr angenehmen Geruch handelt. Auch die Übereinstimmung zwischen dem Namen der Pflanze – DUDAIM – und dem Wort für Geliebte – „DOD“ – verstärkt die Annahme, dass es sich um eine Pflanze mit einer liebevollen Wirkung handelt.

Weiterhin finden wir im Talmud einen Hinweis, dass die Blumen dieser Pflanze violett oder purpurfarbig sind. Viele vermuteten aufgrund dieser Angaben, dass mit den DUDAIM die Alraune gemeint war, eine Pflanze, der man allerlei besondere Wirkungen zuschrieb.

Dieses ist eine Pflanze mit einer dicken braunen Wurzel und kurzstieligen Blättern, die ein Wenig denen von Brennnesseln ähneln. An der Pflanze wachsen Früchte und violette Blümchen. Die Orange-roten Früchte ähneln kleinen Tomaten und werden auch „Liebesäpfel“ genannt. Die Anziehungskraft der Pflanze wurde durch die besondere Form der Wurzel inspiriert. Diese war nämlich in vielen Fällen gegabelt und mit Auswüchsen behaftet. Mit etwas Fantasie sah man in ihr die Form eines Menschen.

 

 

DANKBARKEIT IST EINE WICHTIGE EIGENSCHAFT

Jeden morgen nach dem Wachwerden fangen wir unseren Tag mit einem Satz an, der im Volksmund MODE ANI LEFANECHA heißt: ich danke Dir, o G“tt.

Dankbarkeit ist ein wichtiger Wert. Mit dieser Erklärung bezeugen wir, dass wir uns nach einer guten Nachtruhe erfrischt und wie neugeboren fühlen. Unsere Seele legt nachts vor G“tt über den vorhergegangenen Tag Rechnung und Verantwortung ab. Wir stehen bei G“tt in der Kreide. Jedoch erhalten wir Sein Pfand, unsere Seele, zurück.

Aber es ist mehr. Ich nenne es Verwunderung. Der religiöse Mensch wundert sich durchgehend über alle Wunder der Natur. Wir wundern uns über die Tatsache, dass wir uns vollkommen ausgeruht fühlen, obwohl unser Körper während der Nacht sicherlich nicht still gelegen hat.

Täglich begegnen uns Wunder. Unsere Seele ist wie ein Pfand aus G“ttes Hand. Im zwischenmenschlichen Bereich kommt ein Pfand zum Eigentümer älter zurück. Es ist ein Wunder G“ttes, dass unsere Seele gerade vollkommen erfrischt in unseren Körper zurück kehrt.

 

Lea, als erste in der Weltgeschichte

Dankbarkeit ist einer der Pfeiler unseres Judentums. Wie eigenartig das auch erscheinen mag, erzählt uns der Midrasch, dass niemand bis zu Zeiten unserer vierten Erzmutter Lea, G“tt jemals gedankt hatte. In der Parascha von dieser Woche wird über die Geburt der Stammväter erzählt. Bei ihrem vierten Sohn Jehuda rief Lea aus: „dieses Mal möchte ich G“tt danken. Deshalb nannte sie ihren Sohn Jehuda“ (29:35). Jehuda entstammt derselben Hauptwortwurzel wie Mode von Mode ani lefanecha und drückt Dank und Verwunderung aus. Weshalb fühlte Lea sich, als erste in der Weltgeschichte, dazu berufen, G“tt zu danken? Und weshalb erst bei ihrem vierten Sohn?

 

G“tt bedachte Lea besonders

Unsere Erzmütter hatten prophetische Fähigkeiten. Lea wusste, dass in der Familie unseres dritten Erzvaters Ja’akow zwölf Söhne und ein Mädchen geboren würden. Würde alles ehrlich verteilt werden, hätte jede Erzmutter drei Söhne bekommen. G“tt bedachte Lea besonders, da sie etwas weniger als Rachel geliebt wurde und gab ihr mehr, als ihr eigentlich gebührte. Lea wurde dadurch bewegt, G“tt zu danken.

 

Dankbarkeit ist wichtig für unser geistiges Wachstum 

Eigentlich müssen wir G“tt für alles, was wir bekommen, danken. Aber wenn wir mehr erhalten, als wir eigentlich verdient hätten, haben wir sicherlich guten Grund, G“tt dankbar zu sein.

Dankbarkeit ist für unser geistiges Wachstum wichtig. Aber Dankbarkeitsgefühle lassen wir nicht gerne zu, denn das würde bedeuten, dass wir unserem Gönner etwas schuldig wären, wir von der Güte eines Anderen abhängig und wir somit nicht ganz selbständig wären. Deshalb ist das Zeigen von Dankbarkeit oft so schwer. Manchmal ist es selbst eine Herausforderung.

 

Lea hatte mehr erhalten, als sie eigentlich verdient hätte

Deshalb war es so bemerkenswert, dass Lea in spontaner Dankbarkeit geriet, als sie sich bewusst wurde, dass sie mehr, als sie eigentlich verdient hätte, erhalten hatte. Die Thorah erwähnt diese Gegebenheit, da Dankbarkeit zu zeigen immer und für jeden wichtig ist.

 

LIEBE DIE ARBEIT UND LEHNE SUCHT ZU HERRSCHAFT AB

Ja’akov kommt in das Haus seines Onkels Lavan und möchte sieben Jahre arbeiten, damit Rachel seine Frau wird. Nach diesen sieben Jahren schiebt Lavan in betrügerischem Vorgehen die außerordentlich intensiv verschleierte Lea unter die Chuppa. Nach einer Woche ehelicht Ja’akov auch Rachel. Um das zu erreichen, muss er nochmals sieben Jahre für Lavan arbeiten.

 

Ja’akov wurde ein einfacher Hirte

Ja’akov arbeitete also auch. Er wurde kein Direktor eines großen Unternehmens und erhielt kein Auto mit Fahrer. Er wurde ein einfacher Hirte. Dieses schließt sich einer anderen bekannten Aussage von Schemaja in den Sprüchen der Väter an (Pirkej Awot 1:10). Schemaja spricht: Liebe die Arbeit, vermeide die Sucht zu Herrschaft und begib Dich nicht zu den Mächtigen (in etwa: gehe nicht zum Fürst, wenn Du nicht gerufen wirst..).

… Liebe die Arbeit. Für diese Lektion gibt es – lau Raschi und Rambam – drei Erklärungen:

(1)     Man darf sich nicht zu groß oder zu wichtig achten, um zu arbeiten.

(2)     Indem Du arbeitest, verfällst Du nicht einfach dem Diebstahl oder anderen unehrlichen Vorhaben.

(3)     Es ist nicht schön, von der Wohlfahrt abhängig zu sein. Dieses führt zur Verkürzung des Lebens, wie es geschrieben steht: „wer Geschenke hasst, wird leben“ (Sprüche 15:27).

Rabbejnu Jona vermerkt: Du darfst nie Arbeit verweigern, denn Faulheit verursacht Depressionen.

 

Ja’akov strebte nicht nach Macht. Hasse die Herrschaft. Laut Raschi verkürzen Machpositionen das Leben. Das scheint aus der Tatsache hervor zu gehen, dass Joseph im wesentlich geringeren Alter als seine Brüder verstarb. Er lebte kürzer, da er Vizekönig von Ägypten war. Maimonides behauptet, dass Macht korrumpiert. Sie erzeugt Eifersucht und verursacht Kritik. Man unterstellt Autoritäten auch Machtmissbrauch. Tiferet Jisra’ejl teilt uns auch noch mit, dass wenn Du Dich dazu berufen fühlst, der Leiter einer Gemeinde zu werden, Du nicht hochmütig und hart werden darfst. Autorität soll mit Liebe und sanfter Hand erfolgen. Den Eigenwahn sollst Du hassen.

Suche keine Größe, begehre keine Ehre. Unsere Gelehrten, die uns andauernd dazu anhalten, den richtigen Weg zu gehen, erzählen uns: „Liebe die Arbeit und vermeide herrschsüchtig zu sein oder zu werden“.

 

Und weshalb arbeitete Ja’akov?

 

ALLES FÜR DIE KINDER

Diese Woche wird die Basis für das Jüdische Volk gelegt. Awraham und Jitzchak waren Einzelkinder. Mit Ja’akov und seinen zwölf Söhnen ging das  Judentum auf jedes Mitglied des Stammes über. Damit entstand ein Volk von Juden, ein Jüdisches Volk.

 

nur auf das Hervorbringen von religiös perfekte Nachkommen ausgerichtet

Die Gründer dieses neuen Volkes hatten buchstäblich alles dafür übrig, um eine gesunde Basis für lautere, anständige Kinder zu legen. Deshalb heiratete Ja’akov spät. Er verließ seine Eltern, als er dreiundsechzig Jahre alt war, ging dann zuerst vierzehn Jahre ins Bejth Hamidrasch lernen, dem Lehrhaus von Sem und Ewer, und arbeitete dann noch mal sieben Jahre, um Rachel zu bekommen. Er heiratete also erst im vierundachtzigsten Lebensjahr. Nach so viel spiritueller Vorbereitung, hatte er beim Zusammenleben keine egoistischen Nebenabsichten. Er war vollkommen anständig und sauber, nur auf das Hervorbringen von religiös perfekte Nachkommen ausgerichtet.

 

Ein vollkommen unangebrachter Sprachgebrauch?

Als die Dienstzeit vorbei war, sprach Ja’akov wortwörtlich zu seinem Schwiegervater Lavan: „Gib mir meine Frau, damit ich ihr beiwohne“ (29:21). Ein vollkommen unangebrachter Sprachgebrauch? Nein, denn unsere Erzväter schweiften nicht in amourösen Romanzen ab, sondern wollten nur heilige Kinder. Sie führten ein normales irdisches Leben weiter. Die Thora vermerkt, dass jedoch nur sie tiefer gehende Absichten hatten.

 

Halbschwestern von Lea und Rachel

Rachel war unfruchtbar. Sie überlegte, dass es vielleicht sinnvoll wäre, eine zusätzliche Frau mit in die Ehe ein zu beziehen. Vater Lavan hatte noch zwei Töchter von einer Beifrau: Bilha und Silpa. Halbschwestern von Lea und Rachel.

 

Lea leistete ihr Allerbestes

Der erste Sohn von Bilha hieß Dan (von „beurteilen“). „G“tt hat mich eingeschätzt, hat mir zugehört“. Der zweite Sohn von Bilha wurde Naftali benannt (von „Gebete“). Rachel besagte damit, dass sie dieses zweite Kind über Bilha bekommen hatte, indem sie andauernd dawwente (betete). Lea hörte nach Jehuda mit dem Gebären auf. Deshalb gab sie ihre Halbschwester Silpa dem Ja’akov. Silpa gebar Gad („Glück“). Sie sah, dass Gad den anderen Stämmen helfen und Glück bringen würde. Da Lea ihr Allerbestes leistete, um das Jüdische Volk wieder auf zu bauen, bekam sie selber auch noch zwei weitere Kinder.

 

Für keine einzige Frau ist es einfach, Rivalinnen mit in die Ehe einzubeziehen

Jedem wird klar, was es bedeutet, dass es für keine einzige Frau einfach ist, Rivalinnen mit in die Ehe einzubeziehen. Lea und Rachel machten dieses trotzdem, um die Zahl der zwölf Stammväter zu erreichen.

 

ÜBER DIE HUTSCHNUR HINAUS DENKEN: DIE FÄHIGKEIT, SICH BEI DER RELIGION ETWAS VOR ZU STELLEN, IST WICHTIG

Ja’akov, unser dritter Erzvater, musste bei seinem Schwiegervater Lavan für seinen Lebensunterhalt arbeiten. Zunächst hatte er sieben Jahre bei und für Lavan gearbeitet, um die Rachel als Frau zu bekommen, die eine Tochter von Lavan, die er begehrte und liebte. Als er von seinem Schwiegervater mit der Schwester von Rachel, Lea, betrogen wurde (der diese ja so verschleiert hatte, dass Ja’akov meinte, sie sei Rachel), arbeitete er weitere sieben Jahre für Lavan (Gen. 29:2-35).

 

Beschuldigungen des Viehdiebstahls widerlegt

Im Anschluss daran musste ein Gehalt vereinbart werden. Lavan hatte inzwischen fest gestellt, dass er von G“tt gesegnet wurde, da Ja’akov bei ihm wohnte. Der Lohn waren gesprenkelte oder gefleckte Ziegen und dunkelfarbige Schafe. Auf diese Weise konnten Lavans andauernde und haltlose Beschuldigungen des Viehdiebstahls durch seinen bluteigenen Schwiegersohn Ja’akov, einfach widerlegt werden: „alles, was nicht bei den Ziegen gesprenkelt oder gefleckt ist und bei den Schafen nicht dunkelfarbig ist, ist durch Diebstahl in meinen Besitz gelangt“ (Bereeschit/Gen. 30:33). Lavan war damit einverstanden und bestimmte, dass zwischen seinen und Ja’akovs Herden ein Abstand von drei Tagen bleiben müsse.

 

Genetische Manipulation

Aber Ja’akov hatte von Geschäftemachen etwas mehr Verstand (oder Erfahrung), als Lavan. Ja’akov nahm junge Pappelnzweige, Mandelbäume und Platane und schälte diese so ab, dass Streifen an ihnen entstanden, indem er das Weiße der Zweige sichtbar machte. Die geschälten Zweige legte er in die Trinkwassertröge, aus denen die Weibchen der Kleintiere trinken kamen; und während des Trinkens wurden die Weibchen brünstig (das bedeutet, bereit sich zu paaren). War das Kleinvieh bei den Zweigen brünstig geworden, dann warf es gestreifte, gesprenkelte und gefleckte Tiere

Ja’akov sortierte die Schafe aus und ordnete das Kleinvieh jeweils zu den gestreiften und zu allem schwarzen Kleinvieh. Auf diese Weise schuf Ja’akov große Herden und Reichtum für sich selbst (Bereschit/Gen. 30:33-43).

 

Es sieht etwas nach genetischer Manipulation aus

Raschi (1040-1105) erklärt jedoch, dass die Weibchen vor den geschälten Zweigen erschraken und nach hinten sprangen, so dass die männlichen Tiere sie besteigen konnten. Wie dem auch sei: die Jungen ähnelten den Zweigen, die ihre Mütter bei der Paarung gesehen hatten und wurden gestreift, gepunktet und gefleckt.

 

Die Fantasie beeinflusst

Ja’akov drückt uns mit der Nase auf die Tatsachen: die Vorstellungsfähigkeit ist sehr wichtig. Die Fantasie kann einen enormen Einfluss ausüben. Wenn schon Tiere, die sicherlich nicht über viel Verstand verfügen, durch ihr Vorstellungsvermögen schon dermaßen beeinflusst zu werden scheinen, indem sie Junge werfen, die geschälten Zweigen ähneln, dann können wir doch sicherlich an nehmen, dass auch der Mensch durch seine Vorstellungskraft beeinflusst wird.

 

der Mensch kann sich selbst total verlieren

Normalerweise haben religiöse Angehörige nicht so viel für Vorstellungskraft übrig, da der Mensch durch einen Überfluss an Fantasie schon mal in Fahrt kommt und aus der Spur gerät. Der Intellekt scheint seine Beherrschung über den Menschen zu verlieren bei zu vielfarbigen, lebendigen Fantasien im Sinne des Irdischen, des Materiellen. Wenn der Mensch sich den Träumen über allerhand mögliche und unmögliche Wünsche und Begierden, Leidenschaften und Lüste hin gibt, kann das solche gewaltige Emotionen hervor rufen, dass der Mensch sich selbst total verliert.

 

Auf das Gute hin ausrichten

Aber wie alles auf dieser Welt, können auch Fantasie und Vorstellungsvermögen für das Gute verwendet werden. Ein religiöser Mensch verwendet sein Vorstellungsvermögen, um sein religiöses Leben zu intensivieren.

 

So können wir über die Größe G“ttes nachdenken. Ein Gefühl inniger Verbundenheit erhebt uns in höhere Sphären. Wir erleben in unserer Fantasie wieder die Offenbarung G“ttes am Berge Sinai, als wir die Thora erhielten. Unsere Dankbarkeit, Ehrfurcht und Verlangen nach G“ttes Offenbarung erhält hierdurch einen kräftigen Impuls. Wenn wir uns vorstellen, wie das ganze Volk erleuchtet wurde, als G“tt zu ihm sprach, können wir etwas von dieser geistigen Erhabenheit, mit einem modernen Begriff als Upgrade zu betiteln, nach empfinden, die dort, am Fuße des Sinai, die Menschheit mit guten, erhabenen Gefühlen beglückte und sie beseelte.

 

unsere Fantasie dazu verwenden, um unseren Glauben zu festigen

Schlechte Menschen benutzen ihre Fantasie, um zu sündigen. Unser Vorstellungsvermögen bildet unsere Gefühle und Emotionen. G“tt zu dienen bedeutet in der Praxis, unsere Fantasie dazu zu verwenden, um unseren Glauben zu festigen und einen spirituellen Erdrutsch in uns selber in Gang zu setzen.

 

unsere Religiosität kann einen kräftigen Stoß erhalten und gesteigert werden 

Wenn wir uns den Tempel zu Jerusalem in seiner ehemaligen Pracht vor unser geistiges Auge führen, kann unsere Religiosität einen kräftigen Stoß erhalten und gesteigert werden. Wenn wir uns unsere großen Gelehrten im Geiste betrachten, werden wir zu intensiveren Gebet angespornt, gelangen wir zur Erkenntnis, dass wir unser Leben verbessern sollten, unser Tun zu analysieren und unsere Ziele auf einen erhabeneren Lebensweg mit erhöhter Spiritualität und intensiverer religiösen Tatkraft, aus zu richten.

G“tt hat uns diese verblüffende geistige Kraft des Wachstums, der Fantasie und des Vorstellungsvermögens bei unserer Geburt nicht ohne Grund mit gegeben. Wenn wir diese zu Gutem nutzen, gewinnt unser religiöser Glaube an Farbe und an Kraft.

 

 EINSAMKEIT

Ja’akov zog Mutterseelen allein nach Charan weg. Er war dreiundsechzig Jahre alt und ging zusätzlich vierzehn Jahre zu Schejm und Ewer, um dort zu lernen. Nach sieben Jahren Arbeit, die hier anschlossen, stand Ja’akov also als Vierundachtzigjähriger unter der Chuppa.

Er musste alles mit sich selber ausmachen. Wie ging Ja’akov mit seiner Einsamkeit um? Es gibt zwei Arten von Einsamkeit:

  • soziale Einsamkeit und
  • emotionale Einsamkeit

 

Die Rede von der ersten ist, wenn Du weniger Kontakte, als von Dir gewünscht wird, hast.

Emotionale Einsamkeit kannst Du empfinden, wenn Du viele Menschen um Dich herum hast, aber mit Niemandem eine engere Verbindung fest stellst. Einsamkeit ist ein subjektives Empfinden, keine objektive Gegebenheit.

 

mit G“tt in Beziehung stehen

Das Wort religiös bedeutet, mit G“tt in Beziehung zu stehen. Für einen Tzaddik (ein heiliger Mann) wie Ja’akov bestand keine wirkliche Einsamkeit, da er sich immer innig an seinen G“tt klammerte. Religion verlangt Tätigkeit, Bewegung. Im Jüdischen Leben gibt es nie einen „Augenblick des Stillstandes“. Wir sollten und müssen andauernd an uns selber arbeiten.

In den Sprüchen der Väter (1:14) steht eine bekannte Aussage, die in Zusammenhang mit der oft empfundenen Einsamkeit eine ganz neue Dimension erhält. Hillejl sagte: „Wenn ich nicht für mich selber bin, wer ist dann für mich? Wenn ich nur für mich selber bin, was bin ich dann? Und wenn nicht jetzt, wann dann?“.

Was bedeutet das von Hillejl Gesagte? Laut Maimonides sagte Hillejl: „Wenn ich nicht höhere Ziele anstrebe, wer wird mich dann inspirieren? Die externe Motivation ist nicht so effektiv, wie die Selbstmotivation“.

Rabbejnu Jona erklärt das wie folgt: „Wenn ich selber abgeneigt bin, die Mitzwot (Gebote) zu erfüllen und guten Dingen nach zu gehen, wer wird mich dann darauf hinweisen? Ab und zu helfen Ratschläge oder Hinweise von Anderen, aber sie haben keinen bleibenden Effekt. Wenn man selbst nicht motiviert ist, bleibt man in zunehmendem Maße abgeneigt“.

 

Materiell und spirituell

Im Hinblick auf materiellen Erfolg besagt der Talmud:  „Vor der Empfängnis eines Kindes steht schon fest, ob das Kind reich oder arm sein wird“ (B.T. Nidda 15a). Deshalb setzt die Mischna fort: „Wenn ich nur für mich selber sorge, das soll heißen, mich nur um meine körperlichen Bedürfnisse kümmere, was habe ich dann erreicht?“

Im Hinblick auf das geistige Wohlbefinden sagt der Talmud: „alles ist vorab bestimmt, mit Ausnahme der Ehrfurcht vor G“tt“. Also wenn man nicht für geistiges Wachstum kämpft, wird man es nicht erreichen. Rabbi Mosche Chajim Lussatto behauptet, dass wenn man sich um seine eigene geistige Ebene Sorgen macht, G“tt uns im Kampf gegen die Jejtzer Hara (den bösen Trieb) hilft.

 

Ziel im Leben

Jeder Mensch wird erschaffen um ein bestimmtes Ziel zu erreichen, das ausschließlich für ihn bestimmt ist. Jeder Augenblick des Lebens ist dazu da, ein bestimmtes Ziel zu erreichen, das nur für diese Person und für diesen Augenblick ist. Dieses Ziel kann nicht von einem Anderen erreicht werden oder an einem anderen Augenblick, sagt der Chiduschej haRim: „Wenn ich nicht das exklusive Ziel, für das ich erschaffen wurde, erreiche oder erfülle, kann das niemand anders machen. Wenn ich nicht die spezifische Aufgabe erfülle, die für diesen Moment bestimmt ist, kann sie nie mehr erfüllt werden“.

 

Eine Chance vorbei gehen lassen

… Und wenn nicht jetzt, wann dann wohl? Rabbejnu Jona erläutert: „Wenn ich mein Leben nicht jetzt verbessere, wann dann? Nach meinem Dahinscheiden ist es zu spät. Wenn ich mir in jungen Jahren keine guten Eigenschaften zu lege, wann soll ich dann diese erwerben? Nicht wenn ich alt bin, denn dann ist es sehr schwierig, Gewohntes ab zu legen. Verhaltensmuster, gute oder schlechte, sind schon verankert. Sprich nicht: „Ich bin heute durch meine Arbeit sehr beschäftigt. Morgen werde ich wieder an mir selber arbeiten“. Wer weiß, ob sich die Gelegenheit noch mal ergibt? Und selbst wenn die Gelegenheit sich noch mal ergibt, ist der spezifische Tag schon wieder vorbei. Du hast eine Gelegenheit verstreichen lassen, G“tt zu dienen. Jener Tag wird nie mehr wiederkehren.

 

GESCHLECHTUMWANDLUNG UND LIEBESÄPFEL

„Und danach gebar sie eine Tochter, und sie nannte sie Dina“ (30:21).

Lea verstand, dass nur zwölf Stammväter geboren würden. (das bedeutet, diese Zahl war vorgegeben und nicht weniger und nicht mehr). Als sie zum siebenten Mal schwanger wurde, wurde Lea sich bewusst, dass Rachel weniger Kinder als Bilha und Silpa bekommen würde, die inzwischen jede zwei Kinder bekommen hatten. Deshalb dawwente Lea, dass der Sohn in ihrem Bauch sich in ein Mädchen verwandeln sollte: Dina (kommt vom Wort „Din“: Berichtigung). Sie hatte sich selber analysiert und entschieden, dass das Kind ein Mädchen werden sollte. Außerdem hat das Wort „dina“ auch als Nebenbegriff „genügend“.

 

Jetzt war Rachel an der Reihe

Alle drei Schwestern von Rachel (Lea, Bilha und Silpa) dawwenten zu G“tt, dass sie jetzt genug Kinder hatten und dass jetzt Rachel an der Reihe sei. Sie alle waren nur auf ein Ziel ausgerichtet.

Ganz auffallend in diesem Zusammenhang ist die Geschichte der Liebesäpfel. Ruben, Lea’s ältester Sohn, fand auf dem Feld Liebesäpfel und brachte diese seiner Mutter. Die unfruchtbare Rachel hoffte, hiermit Kinder zu bekommen und „verkaufte“ eine Liebesnacht mit Ja’akov für diese Liebesäpfel.

 

den Beischlaf mit Ja’akov weitergegeben 

Es wird Rachel übelgenommen, dass sie den Beischlaf mit Ja’akov weiter gegeben hatte, aber andererseits zeigt das ihr Bestreben, am Aufbau des Jüdischen Volkes mit zu helfen. Der im fünfzehnten Jahrhundert gelebte Italienische Erklärer Seforno vermerkt hierzu, dass dieser „Tauschhandel“ so manchem Leser gegen den Strich ging.

 

Sexualität bei unseren Erzvätern hatte einen ganz anderen Stellenwert als bei uns

Die Thora vermerkt jedoch, dass die Sexualität bei unseren Erzvätern einen ganz anderen Stellenwert als bei uns hatte. Sie standen auf der Ebene von Adam und Eva vor dem Sündenfall. Ja’akov und seine Frauen hatten nichts anderes im Sinn, als ein Volk zu schaffen, das sich vollständig und lauter auf die Religion ausrichten und nur dafür leben würde. Und das ist ihnen gelungen.

 

DER BETRUG VON LAVAN

Lavan hörte, dass sein Neffe Ja’akov eingetroffen war. Er rannte hinaus, denn er erwartete einen reichen Mann. Aber Ja’akov war von Elifas, dem Sohn von Esau, beraubt worden und kam mit leeren Händen in Charan an. Vielleicht hatte Ja’akov etwas in seiner Kleidung versteckt? Lavan umzingelte Ja’akov, mit dem Versuch, ihn zu filzen (eingehend zu durchsuchen). Vielleicht hatte er in seinen Mund Diamanten versteckt? Lavan küsste Ja’akov voller Hingabe, aber auch sein Mund schien vollkommen leer zu sein.

 

Ja’akov war nicht nach Charan gekommen, um Geld zu verdienen

Trotz der Enttäuschung, lud Lavan Ja’akov trotzdem ein, bei ihm zu wohnen. Ja’akov wurde sofort bei der Tierhaltung eingesetzt. Nach einem Zeitraum nicht dotierter Arbeit fragte Lavan Ja’akov, wie viel er sich als Entlohnung vorstellen würde. Lavan war nur bereit, die Hälfte seines Gehaltes zu bezahlen. Aber Ja’akov war nicht nach Charan gekommen, um Geld zu verdienen. Er wollte die Basis für das Jüdische Volk erschaffen.

 

Lea hatte immer intensiv dafür gebetet, dass sie den Tzaddik Ja’akov heiraten würde

Ja’akov bot Lavan an, sieben Jahre für Rachel zu arbeiten. Lavan willigte ein. Er gab Rachel lieber an Ja’akov, anstatt sie mit einem Fremden zu verheiraten. Aber Lavan hatte andere Pläne. Seine älteste Tochter war Lea. Der örtliche Brauch war, dass die Älteste zuerst heiratete. Lea hatte immer intensiv dafür gedawwent (gebetet), dass sie den Tzaddik Ja’akov heiraten würde.

 

Alle Gäste sangen Leo/Lea

Erst am nächsten Morgen entdeckte Ja’akov den listigen Betrug. Wenn er den Gästen anlässlich der Chassene (beim Hochzeitsmahl) richtig zugehört hätte, dann hätte er gewusst, dass er verschaukelt wurde. Alle Gäste sangen nämlich: „Ole-ole-ole-o“, womit sie indirekt sagten, dass Lea (aschkenasisch: Leo) dort unter der Chuppa stand.

 

Du hast Deinen Vater Jitzchak betrogen Leschejm Schamajim

Ja’akov war auch auf Lea böse.  Aber Lea parierte seine Frage: „ Du hast Deinen Vater Jitzchak betrogen, als Du Dich damals als Esau verkleidetest.  Du tatest dieses Leschejm Schamajim, um G“tt besser dienen zu können. So wurde auch ich als Rachel verkleidet Leschejm Schamajim. Ich habe das, Ja’akov, von Dir gelernt!“

 

örtlicher Brauch

Lavan verteidigte sich jedoch mit der Behauptung, dass es örtlicher Brauch sei, die ältere Tochter zuerst zu verheiraten. Er machte Ja’akov jedoch einen Vorschlag: er könne nach der ersten Hochzeitswoche sofort Rachel heiraten, unter der Bedingung, dass er noch sieben Jahre für sie arbeiten würde. Wer hat jemals so viel für seine Frau(en) aufgewendet?

 

„EINE LEITER AUF DIE ERDE GESTELLT, DEREN ENDE BIS IN DEN HIMMEL REICHTE“ (28:12)

Rabbejnu Ja’akow (Autor der Turim) erklärt, dass SULAM (Leiter) in Zahlenwert KOL (Stimme) ergibt. Die Stimme der Thorah und die Laute von Tefilla (Gebet) kommen von der Erde, durchdringen aber die Himmel. (Es gibt mehrere Ebenen des Himmels, z.B. den siebenten Himmel).

Weiterhin ergibt SULAM (Leiter) in Zahlenwert MAMMON (Geld). Unser Dawwenen und Lernen bilden die Leiter, auf der man aufsteigt oder absteigt: „Der Tot und das Leben sind in der Hand der Zunge“ (Sprüche 18:21).

Auch Finanzen sind eine Leiter, um den Menschen zu ehren, wenn sie zum Guten verwendet werden, zur Unterstützung von Gemeindebelangen und Talmud Thorah. Das ist Zedaka, Wohltätigkeit.

Werden Finanzen verkehrt angewendet, kann das sehr zum Nachteil des Eigentümers gereichen. Torah, Tefilla und Tsedaka sind die Leiter, mit oder auf der wir den Himmel erstürmen können.

 

DAS HEILIGE LAND

Rabbejnu Nissim schreibt in seinen Draschot (der fünften), dass die Erde, auf der die Leiter stand, Eretz Israel, das Jüdische Land, war. G“tt lässt Ja’akow wissen, wie viel Einfluss Israel hat.

Durch das geistige Klima im Heiligen Land steigen die Tzadikkim, die mit Engeln verglichen werden, auf nach Oben. Selbst wenn sie absteigen, ist das nicht wirklich eine Zurückstufung, da das Heilige Land immer wieder eine Quelle der Eingebung, der Inspiration, ist um „reculler pour mieux sauter“ (ein taktischer Rückzug, um mit erneuerter Energie weiter zu springen).

Rabbi Ja’akow Chaim Sofer, der Autor von Kaf Hachajim, besagt, dass diese Engel die Schutzengel der Völker waren. Die aufsteigenden Engel waren das Symbol der künftigen Verbannungen des Jüdischen Volkes. Das Jüdische Volk hat keinen Schutzengel. G“tt selber ist dessen König. Deshalb steht bei Ja’akow, dass „G“tt selber oben über ihm stand“, da er direkt unterhalb G“tt angesiedelt war.

Wie ist es dann möglich, dass nacheinander alle diese Völker wie die Babylonier, die Medianer, die Perser, die Griechen und die Römer über Klal Jisra’ejl herrschen konnten?

Die Antwort lautet: „die Engel stiegen auf und herab „Bo“. Das Hebräische Wort „Bo“ kann mit „auf ihn“ (auf der Leiter) übersetzt werden, aber kann auch „durch ihn“ bedeuten, das soll heißen durch Ja’akow als Urvater des Jüdischen Volkes. Klal Jisra’ejl ist selber die Ursache der Gallujot (Verbannungen). Da wir zu wenig auf unsere eigene Identität achten, gelingt es Anderen, uns ihre Identität auf zu zwingen. (oder uns in ihre Identität zu vereinnahmen).

 

HIMMELSPFORTE

Inzwischen sind wir wieder zurück. Der Tempelberg wird „Die Pforte des Himmels“ genannt. Aus diesem Ort entspringt Prophezeihung, durch diesen Punkt gelangen alle Gebete nach Oben (Kohelet Rabba 2:7).

Als Ja’akow von der Leiter träumte, lag er auf dieser Stelle. Eine Leiter mit Sprossen bildet eine Einheit in der Vielfalt. Die Sprossen stehen im Prinzip lose zu einander, werden aber in der Leiter zu einer Einheit. Sie bildet das Symbol des Gründungssteines, auf dem Ja’akow schlief: einen Punkt, auf dem sich alle spirituellen Kräfte gebündelt ausgerichtet befinden.

 

DAS HIMMLISCHE JERUSALEM

Gegenüber diesem irdischen Punkt des Zusammentreffens liegt die Himmlische Weite, in der alle diese Kräfte zusammenkommen.  Unsere Weisen nennen diese das „Himmlische Jerusalem“, das parallel zum irdischen Jerusalem liegt (B.T, Ta’anit 5a).

Dort findet die Interaktion aller dieser geistigen Welten statt. Das Himmlische Jerusalem ist des Namens „Schalejm – Harmonie – würdig, da dort alle geistigen Schöpfungen in perfekter Einheit zusammen leben.

 

IHRE RELIGIÖSE ERFAHRUNG DURCH SPIRITUELLE MITTEL VERTIEFEN

Wie wachsen wir in unserer Religion? Wie können wir uns voll und ganz in das Judentum einfühlen und es uns zu eigen machen? Wie können wir unsere Energie für mehr Inspiration öffnen? Wie viel Mühe müssen wir aufwenden, um Raum für einen totalen Neuanfang in unserer religiösen Erfahrung zu schaffen? Kann uns dabei eine höhere Vorstellungsebene helfen? Na’ase venischma‘ – tun und dann wirst du verstehen: Werden wir es besser verstehen, wenn wir alles tun?  Schöpferische Kraft ist nicht nur ein Geschenk. Wir müssen etwas mit der schöpferischen geistigen Kraft tun, die HaSchem, G‘tt uns jeden Tag schenkt. Es ist kein „darf“, sondern ein „muss“! Was müssen wir denn tun?

 

Genetische Manipulation avant la lettre

Diese Fragen kamen mir in den Sinn, als ich noch einmal las, wie Yaakov, unser dritter Erzvater, auf gesprenkeltes Vieh stieß. Yaakov hatte mit seinem Schwiegervater Lavan vereinbart, dass er die neugeborenen Tiere mit Sprenkeln als Gehalt erhält. Was hat Yaakov getan? „Er legte die Stäbe, die er geschält hatte, in die Tränke, wo die Herde zum Trinken kam, gegenüber der Herde, damit sie erhitzt würden, wenn sie zum Trinken kamen“ (Bereeschit/Gen. 30:38).

Rasji (1040-1105) erklärt, dass, wenn die Weibchen die gefleckten Stöcke sahen und zurücksprangen, die Männchen sie springen konnten. Dann brachten die Schafe und Ziegen Junge zur Welt, die wie die Ruten gesichtet wurden. Eine Art spirituelle genetische Manipulation avant la lettre.

Wenn die Kraft der Phantasie schon bei Tieren, die nicht wirklich abstrakt denken können, so große Wirkung zeigt, wie viel mehr bedeutet sie dann für uns Menschen, die wir diese Gabe der Abstraktion und des Denkens über die materielle Welt hinaus nutzen können, um unsere religiösen Gefühle zu vertiefen?

 

Phantasie ist sehr wichtig

Besonders in der Religion ist die Phantasie sehr wichtig. Im religiösen Leben sprechen wir viel über spirituelle Konzepte, die nicht leicht vorstellbar sind, weil ein Großteil unserer Spiritualität keine klare, irdische und konkrete Form hat. Je weniger irdische Form unser Leben hat, desto mehr müssen wir unsere Neschama (Seele) sprechen lassen und desto mehr müssen wir unsere Phantasie in einem positiv erbaulichen und konstruktiven religiösen Sinn einsetzen. Wie jedes Phänomen in dieser Welt kann auch die Phantasie zum Guten und zum Schlechten genutzt werden. Unsere Aufgabe ist es, unsere Vorstellungskraft zu nutzen, um unser religiöses Leben zu stärken. G‘tt hat uns diese geistige Kraft nicht umsonst gegeben. Phantasie ist wichtiger als Wissen. Wissen ist begrenzt.

 

zur Problemlösung und zum kreativen Denken

Phantasie ist die Voraussetzung für Innovation, erhöht unser Einfühlungsvermögen, macht uns nachdenklicher, zukunftsorientierter, und erweitert unseren Horizont. Das aktuelle Wissen erhält neue Dimensionen. Phantasie macht uns glücklicher.

Yaakov benutzte die Kraft der Phantasie. Das Vieh betrachtete die getupften Stäbchen während der Empfängnis. Dies beeinflusste das Aussehen ihrer Nachkommen.

Wir können unsere Vorstellungskraft im Guten und im Schlechten einsetzen. Am Arbeitsplatz wird Tagträumen nicht geschätzt, obwohl es enorm zur Problemlösung und zum kreativen Denken beitragen kann.

 

Das Judentum missbilligt schlechtes, negatives Denken, ist aber ein großer Verfechter des kreativen und vertiefenden Denkens. Erinnern wir uns an den Exodus aus Ägypten. Dies kann uns einen enormen „Kick“ in unseren täglichen Gebeten geben.

Eine fromme Person kann als jemand beschrieben werden, der seine geistigen Kräfte vollständig unter Kontrolle hat. Er kann seiner Phantasie auffordern, Bilder wie die Offenbarung auf dem Har-Sinai (Berg-Sinai) und dem Beit HaMikdasch („Tempel“) zu evozieren.
Wenn Sie die Kabbalat-Tora am Berg Sinai vorstellen – stellen Sie sich vor, wie alle um den Berg herumstanden, wie sie die Geräusche sahen und wie sie ohnmächtig wurden, als sie Haschem sprechen hörten.

 

Wachsen in unserer jüdischen Erfahrung

Aber viel wichtiger ist für mich die Verwendung unserer Vorstellungskraft in den großen Zukunftsversprechen, die sich allmählich nähern: Biat HaMaschiach, das Kommen des Messias, Techiat Hametim, die Erweckung der Toten, und Olam Haba, unser totales Bewusstsein für G’ttes unmittelbare Nähe. Wir können solche erhöhten Geisteszustände nicht wirklich verstehen.

Unsere Gelehrten betonten die Bedeutung unserer Vorstellungskraft. Wir können die Visionen unserer glorreichen Zukunft nur dann spüren, wenn wir uns ein lebendiges Bild davon machen können, indem wir Erfahrungsbilder aus der Gegenwart mit ungezügelten spirituellen Erfahrungen von G’ttes unermesslicher Güte und Größe kombinieren. Wenn wir uns das vorstellen können, wird unsere Gebetserfahrung vertieft, wir werden uns endlich auf unsere Gebete in der Synagoge konzentrieren und in unserer jüdischen Erfahrung wachsen.

 

Nur Chilul HaSchem macht Jaakow richtig wütend

Ja’akow wird ständig von Lawan betrogen. Die ersten sieben Jahre seiner beruflichen Laufbahn bei Lawan arbeitete Ja’akow, um Rachel heiraten zu können. Nachdem er sieben Jahre lang umsonst gearbeitet hat, steht er mit Lea unter der Chupah (Hochzeitsbaldachin). Natürlich fragt er Lea, warum sie sich an dieser Täuschung beteiligt hat, aber sie pariert seine Frage mit der Bemerkung, dass er sich auch als Esau verkleidet hat, um die Beracha von seinem Vater Jitzchak zu empfangen. Doch Ja’akow verlor nicht einen Moment lang die Geduld und wurde nicht zornig. Dann arbeitete er erneut – wieder unentgeltlich – für das Recht, Rachel zu heiraten. In den letzten sechs Jahren seiner Laufbahn bei Lawan arbeitete er gegen eine Vergütung in Naturalien, nämlich gefleckte und gesprenkelte Schafe und Ziegen. Doch Lawan ändert immer wieder sein Gehalt und seine Arbeitsbedingungen.

 

Der Schwindler Lawan beschuldigt Jaakow des Betrugs

Nach 20 Jahren treuer Arbeit ruft G’tt ihn zurück zu seinen Eltern. Es war eine Kombination aus dem Unmut von Lawans Familie und dem Auftrag, in das Vaterland Israel zurückzukehren: „Ja’akow hörte die Worte von Lawans Söhnen. Sie sagten: Ja’akow hat alles genommen, was unserem Vater gehörte; von den Besitztümern unseres Vaters hat er all diesen Reichtum erworben. Dann sagte HaSchem zu Ja’akow: „Kehre zurück in das Land deiner Vorfahren und in deinen Familienkreis. Ich werde bei dir sein.“ Dann ließ Ja’akow Rachel und Lea auf das Feld rufen und sagte zu ihnen: „Der G’tt meines Vaters ist mit mir gewesen. Ihr wisst selbst, dass ich mit all meiner Kraft für euren Vater gearbeitet habe. Aber er hat mich getäuscht. Er hat meinen Lohn zehnmal geändert. HaSchem hat ihm nicht erlaubt, mir zu schaden. Als er sagte: „Die gefleckten Tiere werden euer Lohn sein, da brachten alle Rinder gefleckte Junge zur Welt; und als er sagte: „Die gestreiften Tiere werden euer Lohn sein, da brachten alle Rinder gestreifte Junge zur Welt. So nahm G’tt das Vieh von deinem Vater und gab es mir“. Ende des Zitats.

 

Gestohlene Götzenbilder

Ja’akow geht mit seiner Familie weg. Lawan bemerkt, dass seine Terafim (Götzenbilder) fehlen, und beginnt ihn zu verfolgen. Er holt ihn ein und fragt (1. Mose 31,26ff.): „Was hast du getan, dass du mich betrogen und meine Töchter als Kriegsgefangene weggenommen hast? Warum bist du heimlich geflohen, hast mich getäuscht und mir nichts gesagt? Ich hätte dich mit Liedern und Freuden, mit Tamburin und Harfe hinausbegleitet. Außerdem hast du mir nicht erlaubt, meine Söhne und Töchter zu küssen. Nun denn, ihr habt töricht gehandelt, indem ihr das getan habt… Warum habt ihr meine Götter gestohlen? Zitat Ende.

 

Am Ende wütend

Zwanzig Jahre lang beklagte sich Ja’akow nicht und sagte kein Wort gegen Lawan, trotz all seiner Schikanen und Täuschungen.

Schließlich wurde Ja’akow wütend: „Da geriet Ja’akow in Wut … Was ist mein Vergehen? Was ist meine Sünde, dass du mich so intensiv verfolgst und alle meine Sachen durchsuchst? Was hast du von all deinen eigenen Sachen gefunden? Legen Sie es meinen und Ihren Verwandten vor und lassen Sie sie zwischen uns beiden entscheiden. In den 20 Jahren, die ich bei euch bin, haben eure Mutterschafe und Ziegen keinen Schaden erlitten, und die Widder eurer kleinen Tiere habe ich nicht gefressen. Ich habe keine zerrissenen Tiere zu Ihnen gebracht, ich musste sie selbst erstatten. Sie verlangten von mir auch eine Entschädigung für das, was mir tagsüber und nachts gestohlen wurde … Ich wurde tagsüber von der Hitze und nachts von der Kälte gequält, so dass mir der Schlaf die Augen tränkte. 20 Jahre bin ich in deinem Haus: 14 Jahre habe ich dir für deine beiden Töchter und sechs Jahre für deine Enkelinnen gedient, und du hast mir zehnmal den Lohn gewechselt. Wenn der G’tt meines Vaters, der G’tt Awrahams und der Gefürchtete Jitzchaks (Isaaks) nicht mit mir gewesen wäre, hättest du mich mit leeren Händen weggeschickt. G’tt hat mein Elend und die Anstrengung meiner Hände gesehen und dich letzte Nacht streng zurechtgewiesen“. Zitat Ende.

Was für eine gute Arbeitsmoral, trotz aller Widerstände. Die meisten Menschen hätten bei so viel Betrug, Widerstand und Negativität aufgegeben.

 

Chilul HaSchem – Entweihung von G’ttes Namen

Warum wurde Ja’akow so wütend? War dies der sprichwörtliche Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte? Ist dies ein klassisches Beispiel dafür, dass lang gehegte Frustration hier ein Ventil findet? Das glaube ich nicht. Ja’akows Schwiegervater Lawan nennt ihn vor beiden Familien und allen Dienern und Helfern einen Dieb. Ja’akow konnte dies 20 Jahre lang ertragen, weil es nicht in der Öffentlichkeit geschah. Aber jetzt tut Lawan das in der Öffentlichkeit. Das wird zu Chilul HaSchem, und Ja’akow kann das nicht zulassen. Als Tzadik muss er der Inbegriff von Ehrlichkeit sein. Deshalb reagiert Ja’akow auch so heftig. Der Ruf des Judentums darf nicht beschädigt werden.

 

Ein schwieriger Name, aber eine tiefgründige Philosophie: das große Dilemma der Erzmutter Rachel

Kann es schlecht für gute Menschen sein? über das Unglück der guten Menschen

Ich dachte immer, Naftali sei ein schöner biblischer Name. Es war der Name des zweiten Sohnes von Bilha, einer der vier Ehefrauen unseres dritten Erzvaters Ja‘akow. Aber ich habe nie verstanden, was seine Pflegemutter Rachel mit diesem Namen meinte.

 

Der Text aus der Thora

Schauen wir in der Thora nach, was darüber geschrieben steht (1. Mose 30, 2-8): „Als Rachel bemerkte, dass sie Ja‘akow keine Kinder gebar, wurde Rachel eifersüchtig auf ihre Schwester (Lea) und sagte zu Ja‘akow: Schenk mir Kinder, wenn nicht, will ich sterben. Da geriet Ja‘akow in Wut gegen Rachel und sagte: „Bin ich an der Stelle von G’tt, der dir die Frucht des Leibes vorenthalten hat? Da sprach sie: Siehe, hier ist meine Sklavin Bilha; komm zu ihr, dass sie auf meinen Knien gebäre und dass auch ich von ihrem Nachkommen habe. Da gab sie ihm ihre Sklavin Bilha zur Frau, und Ja‘akow kam zu ihr. Und Bilha wurde schwanger und gebar Ja‘akow einen Sohn. Da sagte Rachel: G’tt hat mir Gerechtigkeit widerfahren lassen. Er hat auch auf meine Stimme gehört und mir einen Sohn geschenkt. Deshalb gab sie ihm den Namen Dan. Und Bilha, Rachels Sklavin, wurde erneut schwanger und gebar Ja‘akows zweiten Sohn. Dann sagte Rachel: „Ich habe einen harten Streit mit meiner Schwester ausgefochten, und ich habe gewonnen. Deshalb gab sie ihm den Namen Naftali“. Ende des Zitats.

Im Kommentar zur Übersetzung wird bereits darauf hingewiesen, dass es sich bei den Worten ein schwerer Streit nicht um eine wörtliche Übersetzung handelt. Wörtlich sollte es übersetzt werden mit: „Kämpfe von G’tt hatte ich mit meiner Schwester (Lea). Und ich habe auch gewonnen“. Deshalb gab Rachel ihm den Namen Naftali, denn Naftali bedeutet so viel wie: mein Streit.

 

Mehrere Interpretationen

Lea hatte Kinder, aber Rachel hatte keine. Genau wie unsere Erzmutter Sara, die Abraham Hagar schenkte, schenkte Rachel ihrem Mann Ja‘akow ihre Magd. Rachel würde dann durch ihre Magd ein Kind bekommen, so dass sie eine Ersatzmutter sein würde.

Im hebräischen Text heißt es: „Naftulee Elokim niftalti im achoti“. Was bedeuten diese Worte? Da steht etwas wie „Kämpfe von G’tt, die ich mit meiner Schwester (Lea) hatte“. Aber wie sollen wir diese „Kämpfe G’ttes“ verstehen?

Rachel fühlte sich im Vergleich zu ihrer Schwester Lea unzulänglich. Aber was hat das mit dem Allmächtigen zu tun? Rachel war eifersüchtig auf ihre Schwester.

 

Alternative Übersetzungen

-Ein anderer übersetzt: „Heilige Listen, ich habe versucht, es meiner Schwester gleichzutun, und ich habe auch triumphiert.“ Nach dieser Übersetzung bedeutet „Naftulee Elokim“ „heilige Listen“.

-Eine dritte Gruppe von Übersetzern gibt es wie folgt wieder: „Mit Anhang an das Allgegenwärtige, wurde ich meiner Schwester zugetan“.

-Eine vierte mögliche Übersetzung wäre: „Ich habe G’tt mit großer Rührung angefleht, meiner Schwester ebenbürtig zu sein.“

-Eine fünfte Übersetzung lautet: „Die Siegel von G’tt habe ich mit meiner Schwester geteilt“.

Doch bei all diesen möglichen Übersetzungen bleibt der Hintergrund dieser Namensgebung unklar und schwer zu verstehen.

Was hat Rachel zu diesem Namen bewogen? Es muss wichtig gewesen sein, sonst hätte die Thora ihn nicht erwähnt.

 

Anhang und Versiegelung

Das Wort Naftali hat im biblischen Hebräisch die direkteste Bedeutung:

-Anhang, oder

-Versiegelung.

Rachel sagt eigentlich: „Die Angelegenheit zwischen meiner Schwester und mir – warum sie Kinder hatte und ich nicht – ist eine Angelegenheit, die von G’tt hermetisch ‚versiegelt‘ wurde. Ich hänge an G’tt und meiner Schwester, aber ich kann das nicht erreichen. G’ttes Urteile sind gerecht. Auch wenn wir als Menschen das nicht verstehen können“.

 

Rachel war der Meinung, dass sie Grund zur Beschwerde hatte

Seit Menschengedenken stellt sich die Frage, wie es sein kann, dass gute Menschen leiden müssen. Vor allem Rachel hatte Grund, sich zu beschweren, denn sie war immer sehr rücksichtsvoll gegenüber ihrer Schwester Lea gewesen. Rachel fand das alles furchtbar ungerecht. Sie war diejenige, die dazu bestimmt war, Ja’akow zu heiraten. Rachels Vater, Laban, war ein Betrüger. Laban tauschte Rachel unter dem Hochzeitsbaldachin gegen Lea aus. Rachel wusste, dass ihr Vater das vorhatte, und hatte mit Ja’akow, ihrem zukünftigen Mann, alle möglichen Passwörter vereinbart. Im „moment supreme“ – als Lea anstelle von Rachel zur Hochzeit geschminkt wurde – hatte Rachel großes Mitleid mit Lea und gab ihr die Passwörter, damit Ja’akow nicht erfuhr, wer hinter dem Schleier steckte. So bekam Lea den begehrten Ja’akow überhaupt erst. Ich habe ihr Ja’akow ‚geschenkt‘, aber – so dachte Rachel – „ich finde es ungerecht, dass ich überhaupt keine Kinder habe und Lea einen Sohn nach dem anderen gebiert. Ja’akows andere beiden Frauen, Bilha und Zilpa, haben ebenfalls Kinder. Ich bin der Einzige, der überhaupt keine Kinder hat. Das ist völlig ungerecht!“.

 

Ein klassisches Thema

Das ist das alte Thema aus den Sprüchen der Väter (4,15), wo es heißt: „Es liegt nicht in unserer Macht, etwas über das Unglück der guten Menschen zu sagen.

Wir sind nicht in der Lage, den Zusammenhang zwischen dem sichtbaren Schicksal eines Menschen und seiner Moral zu erkennen. Ebenso wenig können wir die moralischen Maßstäbe anderer wirklich schätzen. Deshalb müssen wir uns eines Urteils enthalten. Wir dürfen nicht zulassen, dass unsere kurzsichtige Sicht der Ereignisse um uns herum unsere Entscheidungen beeinflusst, sagte Rabbi S. R. Hirsch (19. Jahrhundert, Frankfurt).

 

Ergebenheit

Rachel denkt nach und kommt zur Ruhe: „Naftulee Elokim“ – es gibt Dinge im Leben, die so „versiegelt“ und geheim sind, dass der Mensch sie niemals verstehen wird. Ich glaube an G’tt und vertraue darauf, dass Er weiß, was Er tut, und dass alles einen Grund hat. Deshalb akzeptiere ich es. Deshalb konnte ich trotz meines Unglücks durchhalten.

Alles, was Er tut, dient dem Guten. Ob G’tt jemandem Reichtum oder Armut schenkt, es ist alles zu unserem eigenen Wohl und dem aller Menschen um uns herum. Das nennt man Tikkun Olam, die Verbesserung und Vervollkommnung der Welt.

 

Wie kann man das als Korrektur der Welt bezeichnen? Wir werden es nie verstehen: es ist Naftulee Elokim, verborgen und versiegelt von G’tt. Erst am Ende der Tage werden wir es verstehen.

 

Organspende 

Unsere dritte Erzmutter Rahel verschenkt das Wertvollste, was sie hat, ihren Mann Jaakow, an Lea. Können wir dann auch einer anderen Person eine Niere spenden? Diese Frage eines Schülers führte mich zu den folgenden Antworten.

 

Spenden ist möglich

In den Jüdischen Niederlanden wird viel über die Organspende diskutiert. Wie können Sie sicher sein, dass sie koscher abläuft? Fünf Fragen.

 

Was ist mit Lebendspenden: Stammzellen, Blut, Nieren, Leber usw.

Zu Lebzeiten zu spenden ist nicht nur erlaubt, sondern eine große Mitzwa. Sogar mein Bruder hat eine Niere gespendet. Es ist Teil von Haschawat Aweda, dem Zurückbringen von etwas, das in Gefahr ist, verloren zu gehen, und die Rettung eines Menschen ist eine Mitzwa: „Steh nicht tatenlos herum, wenn ein anderer Mensch verloren ist“ (Vajikra/Lev. 19:16). Aber es ist keine Verpflichtung. Der halachische Engpass besteht in der Problematik, dass ein Spender in Gefahr gerät. Der Jerusalemer Talmud sagt, dass man bis zu 50 Prozent gefährdet sein kann. Der babylonische Talmud sagt, dass man sich in angemessener Gefahr befinden kann. Die Frage ist: Wie kann man das messen? Aber Sie können alles spenden, was Ihr Leben nicht gefährdet. Leben zu retten ist eine nahezu allumfassende Mitzwa.

 

Darf einem Juden ein Schweineherz eingepflanzt werden? Ist das nicht ein treifes Tier

Dann handelt es sich um eine Xenotransplantation. Eine Anekdote: Während eines Radiointerviews sprach ich mit einem frommen Mann  über dieses Thema. Der Moderator stellte eine Frage: „Angenommen, Ihre 14-jährige Tochter braucht ein Schweineherz. Der Mann antwortete, dass er das auf keinen Fall zulassen würde: „Wir essen es, aber nicht das“. Und ich habe genau das Gegenteil gesagt: Es ist eine Pflicht, ein Leben zu retten. Ja, Schweine sind treife, wir essen sie nicht, aber das Implantieren eines Schweineherzens zur Rettung eines Lebens ist erlaubt. Wussten Sie übrigens, dass der Talmud sagt, dass das Herz eines Schweins dem Herzen eines Menschen am ähnlichsten ist?

 

Warum kann man zu Lebzeiten Organe spenden, aber nicht im Todesfall, oder ist das die falsche Frage?

Ja, das ist die falsche Frage. Wir müssen spenden, solange keine Gefahr für das Leben besteht. Nach dem Tod kann man auch Organe spenden. Aber wenn man tot ist, ist man nicht mehr verpflichtet, irgendetwas zu tun. Und beim Tod geht es auch darum, „die Ruhe der Toten nicht zu stören“, aber all das wird durch die Pflicht, ein Leben zu retten, überlagert. Es sei denn, das Todeskriterium muss absolut sein. Dies ist eine Frage der Debatte. Wann stirbt ein Mensch: wenn er aufhört zu atmen? Wenn das Herz aufhört zu schlagen? Wenn alle vom Gehirn gesteuerten Körperfunktionen tatsächlich zum Stillstand gekommen sind?

Und das ist sehr schwer zu bestimmen. Das Judentum ist in diesem Punkt sehr streng: Der Spender muss gestorben sein. In zehn Jahren wird es wahrscheinlich viel einfacher sein, dies festzustellen als heute, was auf den Fortschritt der Wissenschaft zurückzuführen ist. Man muss wirklich tot sein, ganz einfach. Die Diskussion dreht sich um die Frage: Ist der wirkliche Tod der Hirnstammtod, der Tod der Grosshirnrinde oder der totale Hirntod? In Israel gibt es Rabbiner/Wissenschaftler, die genau wissen, wie weit man halachisch gehen kann. Sie dürfen nicht ein Leben opfern, um ein anderes zu retten.

Ich denke, dass es in Zukunft viel bessere Techniken geben wird, um den Zeitpunkt des Todes zu bestimmen. Die Fragen, vor denen wir jetzt stehen, sind wahrscheinlich ein vorübergehendes Problem. In Israel werden diese Kriterien tatsächlich überwacht. In Europa ist die Situation anders. Ich habe mit einem Arzt gesprochen, der mir sagte, dass er unter Druck gesetzt wird, jemanden für tot zu erklären, damit eine Transplantation an jemand anderem durchgeführt werden kann. Das hat auch damit zu tun, dass man mit einem solchen Krankenhaus punkten will.

 

Kann man als Jude begraben werden, wenn man ein Organ spendet, wenn man klinisch für tot erklärt wird, oder wenn man ein Organ von einer (nichtjüdischen) Person erhalten hat?

Ja, das dürfen Sie. Das Judentum geht davon aus, dass bei der Transplantation eines Organs in ein anderes menschliches Wesen ein Teil des Spenders zum Eigentum des eigenen Körpers wird. Dies wirft sehr ernste halachische Fragen auf. Angenommen, Sie haben eine Niere gespendet. Die Person, die sie erhalten hat, stirbt. Können Sie dann die Niere zurückfordern, damit Sie mit ihr begraben werden können? Die Antwort lautet „Nein“, denn die Niere ist Teil des Empfängers geworden.

 

Verstehen Sie die Meinung mancher Leute, dass Juden nehmen, aber nicht geben?

Also nein. Denn wir müssen unbedingt geben, das ist eine Mitzwa. Aber Sie sind nicht gezwungen, es physisch oder moralisch zu tun. Wir erhalten Fragen wie: Was soll ich in mein Kodizill schreiben? Meine Antwort: Lassen Sie das Rabbinat entscheiden. Auch weil niemand weiß, wie es in 20, 30, 40 Jahren aussehen wird. Möglicherweise wird es in zwanzig Jahren viel bessere Methoden geben, um Organe nach dem Tod „frisch“ zu halten. Wollen Sie es also koscher gestalten? Dann soll das Rabbinat entscheiden – für jeden einzelnen Fall.

 

Author: © Oberrabbiner Raphael Evers

Foto: Jakobs Traum, dargestellt durch den Barockmaler Michael Willmann (ca. 1691)