Matot-Masej: DIE JÜDISCHEN WEGE DURCH DIE WÜSTE

Lesezeit: 4 Minuten

„Dieses sind die Wegstrecken der Kinder Israels, die sie , unter der Leitung von Mosche und Aharon, aus dem Land Ägypten kommend, gegangen sind“ (33:1).

 

nicht durchgehend auf Reisen

Weshalb werden diese Strecken hier niedergeschrieben, vermerkt? Raschi antwortet, dass „diese Wegstrecken hier beschrieben werden, um die Wohltaten von G“tt zu verdeutlichen – obwohl ER, die Bnej Jisra’ejl betreffend, entscheiden hatte, sie in der Wüste umher ziehen zu lassen – man doch nicht sagen kann, dass sie letztendlich viel umher gezogen seien. Sie waren also nicht durchgehend auf Reisen, von einem Wüstengang bis zum nächsten Wüstengang, während dieser vierzig Jahre. Raschi erklärt:

  • Sie ruhten sicherlich oder machten Pausen, denn es waren nicht mehr als 42 Wanderungen oder Weitergehen. Ziehe davon 14 ab, die alle im ersten Jahr erfolgten, VOR der Entscheidung, dass sie 40 Jahre in der Wüste umher ziehen sollten. Diese Erklärung habe ich dem Werk von Mosche Haddarschan entnommen.
  • Rabbi Tanchuma gibt eine andere Erklärung und vergleicht die Reisen der Bnej Jisra’ejl mit einem König, dessen Sohn krank sei. Zusammen mit seinem Sohn begab der König auf den Weg zu einem weit entfernten Krankenhaus. Als sie zurück kehrten, fing der Vater an, alle diese Wegstrecken auf zu zählen und er sprach zu ihm: hier haben wir gegessen, hier haben wir geschlafen, hier haben wir uns ausgeruht, hier hattest Du Kopfschmerzen, usw.“

 

Die Thora ist kein Geschichtsbuch

Rabbi Avigdor Bonchek verweist uns darauf, dass Raschi die Frage „weshalb die Thora alle diese Reisen aufzählen sollte“ ausdrücklich erwähnt. Er verwendet den Midrasch (Hintergrunderklärung), um seine Frage zu beantworten. Die Thora ist kein Geschichtsbuch. Die Reisen waren historisch absolut richtig, aber das ist noch nicht ein ausreichender Grund, um es in der Thora zu vermerken. Raschi versucht, uns die Lehre zu vermitteln, die aus diesen Beschreibungen hervor geht.

 

G“tt wollte die Strafe ermäßigen

Das Umherziehen durch die Wüste war letztendlich doch eine Strafe für die Sünde der Kundschafter. G“tt wollte die Strafe ermäßigen. Laut Rabbi Mosche Haddarshan hat G“tt versucht, das Umherreisen soviel wie möglich zu beschränken.

 

  • Die Erklärung von Rabbi Tanchuma geht noch weiter:

Nicht nur, dass G“tt das Reisen eingeschränkt hatte, sondern ER war wie ein Vater um unser Wohlempfinden besorgt. Die Juden waren krank und verdienten die besondere Zuwendung von G“tt, wie von einem Vater, der, um es zu benennen, sich um seinen kranken Sohn kümmert.

Unsere Erfahrungen zusammen mit G“tt in einem weit abgelegenen Ort sind letztendlich die Basis unserer Geschichte geworden. Die Aufzählung der Reisen zeigt die Liebe G“ttes. Sie möchte ein Gefühl der Dankbarkeit bei uns erwecken, um dabei zu bleiben, die Nähe G“ttes zu suchen. Auch eine negative Erinnerung kann positiv gedeutet werden.

  • Was meint Rabbi Tanchuma, wenn er sagt, dass der Vater mit seinem genesenen Sohn nach Hause zurück reist und auf dem Rückweg alle Orte, an denen sie vorbei kommen, aufzählt? Auf was bezieht sich dieser Vergleich? Die ursprüngliche Reise ist mit den Erfahrungen des Jüdischen Volkes in der Wüste zu vergleichen, mit allen seinen ups und downs.

wir werden an die Liebe G“ttes erinnert

Die Rückreise kannst Du mit den Juden vergleichen, die alle diese Reisen nachlesen, nachdem sie in das Land Israel eingezogen waren. Wenn man sicher unter seinem Weinstock und seinem Feigenbaum sitzt, vergleichbar mit dem Zeitraum nach der Genesung, liest man es nochmals ein Mal nach und begreift, wie dankbar man sein sollte. Wenn wir alles aufs Neue lesen, also wiederholen, werden wir an die Liebe und an die Umsorgung von G“tt erinnert.

 

  • „Sie zogen dann im ersten Monat, am fünfzehnten Tag des ersten Monats, von Ra’meses fort. Am Tag nach dem Pessach-Opfer zogen die Bnej Jisra’ejl mit erhobener Hand VOR den Augen von ganz Ägypten weg. 4. Und die Ägypter begruben, was HaShem unter ihnen erschlagen hatte, alle Erstgeborene“ (33:3-4).

in Trauer versunken

  • Raschi erklärt hier, dass die Ägypter nicht nur ihre Toten begruben, sondern dass sie in Trauer versunken waren. Was hat das mit den Reisen der Juden in der Wüste zu tun? Dass die Ägypter ihre Toten nach der zehnten Plage begruben, dürfte als bekannt vorausgesetzt werden. Ägypten war wegen seiner Bestattungsriten bekannt, wie wir das bis heute auf den Tag an den gewaltig großen Pyramiden sehen können. Raschi empfindet die Erwähnung, dass die Ägypter dabei waren, ihre Toten zu beerdigen, deshalb problematisch (siehe Gur Arje).

überbeschäftigt mit der Beisetzung ihrer Toten

  • Aber achte auf den Kontext. Die Ägypter mussten die Juden gehen lassen. Die Bnej Jisra’ejl zogen triumphierend aus Ägypten hinaus, „VOR den Augen der Ägypter“. Die Ägypter waren mit anderen wichtigen Angelegenheiten überbeschäftigt: mit der Beisetzung ihrer Toten und mit dem Trauervorgang. Sie waren mit ihrer Trauer zu sehr beschäftigt, als dass sie auf das wegziehende Sklavenvolk Druck ausüben konnten (vergleiche Maskil leDavid).

 

Author: © Oberrabbiner Raphael Evers | Raawi Jüdisches Magazin