Nizawim: Teschuwa uTefilla uZedaka

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UTeschuwa UTefilla UZedaka – Buße, Gebet und Nächstenliebe verändern den Menschen völlig und zerstören alle schlechten himmlischen Beschlüsse

Heute steht Ihr alle zusammen vor HaSchem, Euerem G“tt: Euere Stammeshäupter, Euere Ältesten, Euere Polizeiverantwortlichen, alle Menschen von Israel, Euere Kinder, Euere Frauen, der Fremde bei Euch, der sich Mitten in Euerem Lager befindet, von den Holzfällern bis zu den Wasserschöpfern, um dem Bund mit HaSchem, Eueren G“tt bei zu treten, den HaSchem, Euer G“tt heute mit Euch unter Sanktionen schließt, wie in den Flüchen ausgesagt, mit der Absicht, um Euch heute zu Seinem Volk auf zu werten, wobei Er Selber Euer G“tt sein möchte, wie er Euch versprochen hat und wie ER es Eueren Ahnen Awraham, Jitzchak und Ja’akov unter Eid versprochen hat“ (Dewarim/Deut. 29:9-12).

Es geht um heute.

Auch in der Religion müssen wir schnell und geschickt handeln. Wenn wir in unserem Leben etwas Besonderes erleben, müssen wir diese Inspiration sofort aufgreifen und sie für das Gute nutzen. Alle Hinweise von Oben sollten wir nutzen, um uns zu verbessern.

Den ganzen letzten Monat über haben wir uns geistig auf ein besseres und erhabeneres neues Jahr vorbereitet. Mit dem bevorstehenden Rosch Haschana – dem jüdischen Neujahrsfest (25. abends, 26. und 27. September) – beginnen auch die schweren Tage der Buße, der Reue und der Befreiung von denSünden.

Das Wort heute verwendet die Tora, um aufzuzeigen, das Inspiration unheimlich wichtig ist und unverzüglich angepackt werden sollte. In unserem Eröffnungspassuk bedeutet „heute“ jedoch nicht nur „unverzüglich, jetzt“, sondern das Wort „heute“ deutet auch unsere Annäherung an die Thora und an das Judentum an. Wir standen nicht nur damals alle vor HaSchem, sondern auch noch heutzutage. Und nicht nur zu Rosch Haschana, sondern eigentlich stehen wir jeden Tag, ja jeden Moment vor HaSchem.

Alle diese Gebote wurden schon viel früher verfügt oder erteilt. Jedoch heißt es „heute“, denn wir sollten begreifen, dass die Thora nichts anders als das Diktat G“ttes an die Menschheit ist, jeden Tag aufs Neue. Wir stehen jeden Tag mit dem Allmächtigen wieder Auge in Auge, um unsere Verbindung zur Thora und zum Judentum immer wieder mit frischem Mut zu beleben. Dieses ist mit der Thora möglich, da diese von HaSchem stammt. Deshalb ist die Thora eine andauernde Quelle der Erneuerung und der Vertiefung ist.

Sünden zwischen Menschen und Mitmenschen müssen bei den Mitmenschen wieder gutgemacht werden. Dies ist oft eine sehr schwierige Aufgabe. Wir wollen etwas wieder gutmachen, aber wir zögern, wir schieben es auf. Aber eines Tages muss es geschehen. Die Rückgabe gestohlener Waren ist schwierig. Eine direkte Konfrontation mit der bestohlenen Person ist äußerst erniedrigend.

Maimonides (1140-1205, Ägypten) beschreibt in seinen Werken, wie man unter allen Umständen versuchen sollte, andere Menschen, einschließlich Sünder, so wenig wie möglich zu beschämen. Dies erfordert viel Fingerspitzengefühl und Sensibilität. Man muss sich in die Situation des anderen hineinzufühlen. Ein Freund hat mir eine wunderbare Geschichte erzählt, wie ein Meister dieses Dilemma im Unterricht gelöst hat. Wahrlich phänomenal!

„Erinnern Sie sich an mich?“, fragte ein deutlich jüngerer Mann einen älteren Mann auf der Straße. „Nein“, sagte der ältere Herr.

Dann erzählt ihm der junge Mann, dass er sein Schüler war. Der Lehrer fragt: „Was machst du denn so? Was machen Sie im Leben?“ Der junge Mann antwortet: „Nun, ich bin Lehrer geworden“. „Ah, wie gut, wie ich?“, fragt der ältere Mann. „Ja, in der Tat. Ich bin sogar Lehrer geworden, weil Sie mich dazu inspiriert haben, so zu werden wie Sie“.

Neugierig fragt ihn der alte Mann, wann er beschlossen habe, Lehrer zu werden. Und der junge Mann erzählt ihm folgende Geschichte: „Eines Tages kam ein Freund von mir, ebenfalls ein Schüler, mit einer schönen neuen Uhr herein. Ich beschloss, dass ich sie haben wollte. Ich stahl sie und nahm sie aus seiner Tasche.

Kurz darauf bemerkte mein Freund, dass seine Uhr fehlte, und beschwerte sich sofort bei unserem Lehrer, dass waren Sie.

Dann haben Sie sich an die Klasse gewandt und gesagt: „Die Uhr dieses Jungen wurde heute im Unterricht gestohlen. Wer auch immer sie gestohlen hat, bitte geben Sie sie zurück.“

Ich habe sie nicht zurückgegeben, weil ich es nicht wollte. Sie schlossen die Tür und sagten, wir sollten alle aufstehen und einen Kreis bilden.

Sie durchsuchten unsere Taschen, eine nach der anderen, bis die Uhr gefunden war. Sie haben uns aber gesagt, wir sollen die Augen schließen, weil Sie nur nach seiner Uhr suchen würden, wenn wir alle die Augen schließen. Wir haben Ihre Anweisungen genau befolgt.

Sie sind von Tasche zu Tasche gegangen, und als Sie meine Tasche durchsucht haben, haben Sie die Uhr gefunden und sie mir aus der Tasche genommen. Sie haben ständig in die Taschen der anderen geschaut. Als Sie fertig waren, sagten Sie: „Öffnet Eure Augen. Wir haben die Uhr.‘ Sie haben mir nichts gesagt. Sie haben auch nie gesagt, wer die Uhr gestohlen hat.

An diesem Tag haben Sie meine Würde für immer gerettet. Es war der beschämendste Tag in meinem Leben. Aber das ist auch der Tag, an dem ich beschlossen habe, kein Dieb oder schlechter Mensch zu werden. Sie haben nie etwas gesagt, nicht einmal mit mir geschimpft oder mich zur Seite genommen, um mir eine Moralpredigt zu halten. Ich habe Ihre Botschaft deutlich verstanden. Dank Ihnen habe ich verstanden, was ein echter Erzieher tun sollte. Erinnern Sie sich an diese Situation?

Der alte Lehrer antwortete: „Ja, ich erinnere mich an die Situation mit der gestohlenen Uhr, die ich in allen Taschen gesucht habe. Ich habe mich nicht an dich erinnert, weil ich bei der Suche auch die Augen geschlossen habe.“

Erheben, das ist die Essenz der Erziehung. Wenn man korrigieren will, indem man die andere Person erniedrigt, weiß man nicht, wie man erziehen soll“.

Dieses ist das Geheimnis der Inspiration. Wenn wir die „Offenbarung von Oben“ nicht sofort ergreifen und damit loslegen, geht die Inspiration im Strom unserer tagtäglichen Belastungen verloren. Leider, aber wahr…

© Oberrabbiner Raphael Evers

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