Am Montag erinnerte eine Gedenkfeier in Jerusalem an die Opfer des Massakers von Babyn Jar, bei dem vor 84 Jahren zehntausende Juden von den Nationalsozialisten ermordet wurden. Bei der Veranstaltung äußerte der ukrainische Botschafter in Israel, Korniychuk Yevgen, eine scharfe Botschaft: „Die russischen Invasoren in der Ukraine sind die neuen Nazis.“
Mit dieser Aussage löste Yevgen allerdings Kritik aus – insbesondere von Dani Dayan, dem Vorsitzenden der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem.
„Der Holocaust ist der Holocaust, und die Nazis sind die Nazis“
Dayan warnte eindringlich vor der inflationären Verwendung von Holocaust-Vergleichen. „Es ist nur dann legitim, Auschwitz zu erwähnen, wenn man über Auschwitz spricht“, sagte er in einer anschließenden Podiumsdiskussion. Dass selbst im israelischen Diskurs immer wieder solche Vergleiche bemüht würden, bereite ihm Sorge.
Dabei verwies er nicht nur auf die jüngste Aussage des ukrainischen Botschafters, sondern auch auf russische Narrative, die wiederum die ukrainische Regierung als „Nazis“ diffamieren. Diese wechselseitige Instrumentalisierung sei ein Symptom einer gefährlichen Entwicklung.
Erinnerung zwischen Verharmlosung und Verzerrung
Der Holocaust sei – so Dayan – heute weltweit stärker im Bewusstsein verankert als je zuvor. Doch gerade weil die Verbrechen der Nationalsozialisten als ultimatives Symbol des Bösen gelten, wachse die Versuchung, sie für politische Zwecke zu nutzen.
Diese Entwicklung habe Konsequenzen: „Solche Vergleiche verringern die intellektuelle Neugier darüber, was tatsächlich geschehen ist“, so Dayan. Sie drohten, das Ausmaß und die Einzigartigkeit des Völkermords zu relativieren.
Während im 20. Jahrhundert noch die Leugnung des Holocaust im Vordergrund stand, treten heute neue Gefahren in den Vordergrund: die Verharmlosung durch unpassende Analogien, die Verzerrung der Geschichte und die sogenannte „Umkehrung des Holocaust“, bei der Juden oder Israel selbst für die Verbrechen verantwortlich gemacht werden.
Parallelen der Gegenwart
Die Gedenkfeier fiel in eine Zeit, in der Israel selbst mit einer tiefen kollektiven Wunde ringt: der Erinnerung an die Massaker vom 7. Oktober 2023 im Krieg mit der Hamas. Dass diese Erfahrungen emotional aufgeladen und in Deutungsmuster eingebettet werden, ist nachvollziehbar.
Doch Dayans Mahnung bleibt deutlich: Der Holocaust darf nicht zum politischen Schlagwort verkommen. Er fordert, die Shoah als das zu bewahren, was sie ist – ein einzigartiges historisches Menschheitsverbrechen, dessen Erinnerung Verpflichtung für die Gegenwart und Zukunft bleibt.