Ein Rückblick mit Verantwortung: Zum Jubiläum des Hamburger Landesamts für Verfassungsschutz zeigt eine Ausstellung im Rathaus, wie wichtig das Frühwarnsystem für unsere Demokratie – und für den Schutz jüdischen Lebens in Deutschland – geblieben ist.
Von Anfang an: Nie wieder
Als 1950 das Landesamt für Verfassungsschutz in Hamburg gegründet wurde, war die Shoah erst wenige Jahre vorbei. Die Erinnerung an das unvorstellbare Menschheitsverbrechen war frisch – und mit ihr die kollektive Verpflichtung, aus der Geschichte zu lernen: Nie wieder sollte es geschehen, nie wieder sollte Hass auf Jüdinnen und Juden, auf Andersdenkende, auf Demokratinnen und Demokraten sich ungehindert verbreiten dürfen.
Seit 75 Jahren ist der Verfassungsschutz Hamburg Teil dieses Versprechens. Er schützt nicht nur abstrakte Gesetze, sondern ganz konkret die Werte und Menschen, die unsere freiheitliche Demokratie tragen – darunter auch das jüdische Leben in unserer Stadt.
Antisemitismus als Dauerbeobachtungsfeld
Der moderne Antisemitismus ist oft verschleiert, subtil und tritt in neuen Gewändern auf: als israelbezogener Hass, als Verschwörungserzählung, als Teil extremistischer Ideologien von rechts wie von links – und zunehmend auch im religiös-fundamentalistischen Gewand.
Der Verfassungsschutz erkennt diese Entwicklungen frühzeitig. „Antisemitismus ist kein Randphänomen, sondern eine Bedrohung, die unsere gesamte Gesellschaft betrifft“, sagt Torsten Voß, Leiter des Hamburger Landesamts. Deshalb steht die Beobachtung antisemitischer Bestrebungen seit Jahren im Zentrum der Arbeit der Behörde.
Ein Frühwarnsystem mit Verantwortung
Als „Seismograph der Demokratie“ – so nennt Voß den Verfassungsschutz – registriert die Behörde Erschütterungen im gesellschaftlichen Gefüge lange, bevor sie in Gewalt umschlagen. Gerade in Zeiten wachsender gesellschaftlicher Polarisierung, populistischer Hetze und digitaler Radikalisierung ist diese Funktion essenziell – nicht zuletzt für den Schutz jüdischer Einrichtungen, Gemeinden und Einzelpersonen, die sich häufig Anfeindungen ausgesetzt sehen.
Ausstellung im Rathaus: Geschichte trifft Gegenwart
Zum 75-jährigen Bestehen lädt der Hamburger Verfassungsschutz vom 5. bis zum 29. September 2025 zu einer Ausstellung ins Rathaus ein. Sie dokumentiert die Entwicklung der Behörde, ihre Aufgaben und ihre Rolle in der politischen Kultur der Bundesrepublik – von den frühen Jahren bis in die Gegenwart. Die Ausstellung beleuchtet dabei auch zentrale Themen wie Rechtsextremismus, Islamismus, Reichsbürger, linksextreme Strukturen und eben auch: Antisemitismus in all seinen Erscheinungsformen.
„75 zum 75-sten“: Stimmen für die Demokratie
Begleitend zur Ausstellung hat das Landesamt unter dem Titel „75 zum 75-sten“ 75 Persönlichkeiten aus Hamburg um ein kurzes Statement gebeten – warum sie unsere Demokratie für schützenswert halten. Unter ihnen auch Stimmen aus der jüdischen Gemeinschaft. Sie machen deutlich: Das Eintreten für Demokratie ist immer auch ein Eintreten gegen Judenhass – und für eine offene, tolerante Gesellschaft, in der jüdisches Leben sichtbar, sicher und selbstbestimmt gedeihen kann.
Erinnern. Beobachten. Schützen.
75 Jahre Verfassungsschutz Hamburg sind nicht nur ein Verwaltungsjubiläum. Sie sind Erinnerung und Mahnung – und ein klares Bekenntnis zur wehrhaften Demokratie. In einer Zeit, in der Antisemitismus wieder lauter wird, zeigt das Jubiläum auch: Die Geschichte verpflichtet. Und es braucht Menschen und Institutionen, die hinschauen, handeln und schützen.