DIS/KONTINUITÄTEN REVISITED ERINNERUNG UND GEGENWART JÜDISCHEN LEBENS
Von Paula Markert & Michael Kohls
15. – 25. Mai 2022
Die Veranstaltungsreihe Dis/Kontinuitäten – Sichtbarkeit und Sichtbarmachung jüdischen Lebens im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg (MK&G) hat sich im letzten Jahr der Frage nach Vergangenheit und Gegenwart jüdischen Lebens in Hamburg und dessen heutiger Präsenz im Museum gewidmet. In drei Themenblöcken wurde über unterschiedliche Facetten
und Perspektiven jüdischer Geschichte und Gegenwart in der sammelnden, vermittelnden und sozialen Funktion des Museums nachgedacht und mit einer intersektionalen Analyseperspektive sowie einer stadtpolitischen Auseinandersetzung um Gedenken und Teilhabe verbunden werden. Die beiden Fotograf*innen Paula Markert und Michael Kohls haben die Veranstaltungsreihe begleitet und diese als Ausgangspunkt für ire Installation genommen.
In diesem kollaborativen Projekt bearbeiten die Fotograf*innen Fragen zur Sicht- und Unsichtbarkeit jüdischen Lebens in Hamburg. Michael Kohls beschäftigt sich in einer Videoarbeit ausgehend von seiner eigenen jüdischen Identität mit der Vielschichtigkeit von jüdischem Leben in Hamburg. Paula Markert beleuchtet in diesem ersten Til eines fortlaufenden, recherchebasierten Fotoprojekts die Bedeutung von Religion für politische Diskurse. Inder gemeinsamen Präsentation im Freiraum sollen Perspektiven gewechselt und so auch Fragen nach der Blickrichtung auf das ebenso persönliche wie politische Thema der religiösen Identität geworfen werden.
Mit „ House of Assembly“ macht Kohls einen Mikrokosmos jüdischen Lebens sichtbar, der sich durch die täglich wechselnde Nutzung in ständiger Diskontinuität befindet: Seit ihrer Restauration dient die Turnhalle der ehemaligen Israelitischen Töchterschule de jüdischen Reformgemeinde sowie der liberalen Gemeinde Hamburg als Synagoge. Durch die Mehrfachnutzung u.a.als Übungsraum für eine Tanzgruppe wird das sakrale und üblicherweise dauerhaft in ihr befindliche Element einer Synagoge, die Torahrollen, nach jedem
Shabbat entfernt und außerhalb der Turnhalle aufbewahrt. Mit seiner Videoarbeit, die Auf-, Abba- und Zwischensituationen der Raumnutzung zeigt, schafft Kohls so eine visuelle Metapher für die (Un-)Sichtbarkeit jüdischen Lebens in Hamburg.
Welche Formen nimmt Trauer und Erinnerungskultur an antisemitische und rassistische Kontinuitäten aus Vergangenheit und Gegenwart an?
Neben Schlaglichtern, die Paula Markers Rechercheprojekt auf Fragmente Religiöser Geschichte in Deutschland wirft, untersucht sie mittels Fotografin und Archivmaterialien institutionelle Provinienzbemühungen – u.a zu den jüdischen Silberbeständen im MK&G: Sie findet Vernehmungsprotokolle der Gestapo, die die Verfolgung von Nichtanmeldung jüdischen Vermögens
während des Nationalsozialismus dokumentieren. Ein Gutachten des „Fachausschuß Nr.7 für die Ausschaltung von Nationalsozialisten“ zur Entscheidung über die politische Haltung Carl Paul Otto Schellenbergs, der nach Kriegsende mit der Vorbereitung für eine Restitution des in Hamburg bewahrten Silbers betreut worden war: 1958 galt der Versuch der Rückgabe an
individuelle Eigentümer als weitgehend abgeschlossen. Es warn zu diesem Zeitpunkt immer noch mehr als 1.200 kg Silber vorhanden.
,Forms of Representation“ ist der Versuch, in einem ersten Zusammenschnitt von Recherchematerialien und Fotografien herauszuarbeiten, welchen Narrative die staatliche Insenierung politischer Konsequenzen aus rassistischen und antisemitischen Kontinuitäten der Vergangenheit und Gegenwart folgt und ob die Gesellschaft tatsächlich Verantwortung für die Taten radikalisierter Gruppen übernimmt oder ob Gedenken in der staatlichen Inszenierung zur Symbolpolitik verkommt.
Die Veranstaltungsreihe wurde gefördert durch #2021JLID – Jüdisches Leben in Deutschland e. V. aus Mitteln des Bundesministeriums des Inner, für Bau und Heimat.
Werkangaben
House of Assembly
Dreikanal-Videoinstallation, Full HD, Stereo, 10:13 Minuten
Michael Kohls, 2022
Forms of Representation
Vitrine mit Reproduktionen, FineArt Inkjet Print gerahmt, Slideshow
Paula Markert, 2022