Preis für Verständigung und Toleranz 2020 verliehen

Lesezeit: 5 Minuten

Am Samstag, 31.10.2020, wurde im Jüdischen Museum Berlin der Preis für Verständigung und Toleranz 2020 an Igor Levit und Madeleine Albright verliehen. Aufgrund der derzeitigen Corona-Beschränkungen fand die Verleihung überwiegend digital statt. Die Laudatoren waren der Bundesaußenminister a.D. Joschka Fischer für Madeleine K. Albright sowie die Moderatorin und Journalistin Dunja Hayali für Igor Levit.

 

Der „Preis für Verständigung und Toleranz“

Mit dem „Preis für Verständigung und Toleranz“ werden seit 2002 Persönlichkeiten aus Kultur, Politik und Wirtschaft ausgezeichnet, die sich auf herausragende Weise um die Förderung der Menschenwürde, der Völkerverständigung, der Integration von Minderheiten und des Zusammenlebens unterschiedlicher Religionen und Kulturen verdient gemacht haben. Der Preis wird traditionell im Rahmen eines festlichen Dinners gemeinsam vom Jüdischen Museum Berlin und den Freunden des Jüdischen Museums Berlin verliehen.

Eröffnet wurde die Veranstaltung durch Direktorin des Jüdischen Museums, Hetty Berg. Dabei stellte sie auch die neue Dauerausstellung und die Kinderausstellung „Anoah“ vor.

Madeleine K. Albright – „Ich bin zutiefst beunruhigt über das, was in den Vereinigten Staaten vor sich geht.“

Madeleine K. Albright zählt zu den einflussreichsten Politikerinnen der Gegenwart. Sie war von 1997 bis 2001 unter Präsident Bill Clinton die erste Außenministerin der USA. Als Tochter eines tschechoslowakischen Diplomaten 1937 in Prag geboren, ging sie zweimal mit ihrer Familie ins Exil. 1939 flohen sie vor den Nationalsozialisten nach England, 1948 vor den Kommunisten in die USA. Bereits früh an internationaler Politik interessiert, studierte Madeleine Albright dort Politikwissenschaft am Wellesley College und Rechts- und Staatswissenschaften an der Columbia University, wo sie 1976 promovierte. An der renommierten Georgetown University in Washington wurde sie später Professorin für Internationale Beziehungen. Sie engagierte sich seit den 1970ern bei den US-Demokraten. Sie beriet den US-Senator Edmund Muskie, gehörte im Stab des Präsidenten Jimmy Carter dem United States National Security Council an und arbeitete dort für Dr. Zbigniew Brezeinski, polnisch-US-amerikanischer Politikwissenschaftler und Politikberater. Ab 1993 vertrat die Demokratin die USA als Botschafterin bei den Vereinten Nationen. 1997 wurde Madeleine Albright von Präsident Bill Clinton berufen und als 64. Außenminister der USA vereidigt. Sie war die erste Frau in diesem Amt. Nach dem Ende ihrer Amtszeit 2001, gründete Albright das Beratungsunternehmen Albright Stonebridge Group in Washington DC, das Politik- und Strategieberatung anbietet. Albright erkannte früh, wie wesentlich ein Netzwerk von Frauen ist. Bereits als UNO-Botschafterin verbündete sie sich mit ihren wenigen Kolleginnen und erzielte, dass mehr Frauen in hohe Positionen bei der UNO berufen wurden. Mit dem Bewusstsein, dass Frauen nur vereint ihre Interessen durchsetzen können, arrangierte sie auch später in ihrer Funktion als Außenministerin Treffen der Außenministerinnen der Welt. Für ihr politisches und gesellschaftliches Handeln erhielt sie mehrere Auszeichnungen und Ehrungen, u.a. wurde sie 2001 in die American Academy of Arts und Sciences aufgenommen und 2012 verlieh ihr Barack Obama mit der „Presidential Medal of Freedom“ die höchste zivile Auszeichnung der Vereinigten Staaten.

 

In seiner Laudatio nannte Joschka Fischer, die ehemalige Außenministerin, eine echte Freundin: „ Ich bin stolz darauf, dass ich dich meine Freundin nennen kann.“ Auch Madeleine Albright erzählt in ihrer Dankesrede von der innigen Freundschaft zu Joschka Fischer. Dank seiner Hilfe hätte sie viele Dinge in Deutschland verstanden. Aber auch die derzeitige politische Situation in den USA wurde Bestandteil ihrer Rede: „Ich bin zutiefst beunruhigt über das, was in den Vereinigten Staaten vor sich geht.“ Was es wohl  braucht um die Welt ein wenig zu verändern, beschreibt Madeleine Albright so: „In der Lage sein, Ihre Überzeugungen genau zu beschreiben und sicherzustellen, dass Ihre Handlungen mit Ihren Überzeugungen übereinstimmen. Einen Glaubenssatz zu haben, der versteht, wer wir sind und dass wir alle gleich sind. Schämen Sie sich nicht für das, woran Sie glauben, und seien Sie nicht still.“

 

Igor Levit – „Ich bin zu allererst Staatsbürger!!“

 

Igor Levit stammt aus einer jüdischen Familie und wurde 1987 im russischen Nischni Nowgorod (früher Gorki) geboren. Schon sehr früh erhielt Levit Klavierunterricht von seiner Mutter und gab bereits mit vier Jahren sein erstes Solokonzert. In Hannover, wohin die Familie 1995 übersiedelte, begann er im Alter von 13 Jahren ein Studium für musikalisch Hochbegabte an der Hochschule für Musik, Theater und Medien. Sein Klavierstudium schloss er mit der besten Bewertung in der Geschichte der Hochschule ab. Zu seinen Lehrern gehörten Karl-Heinz Kämmerling, Matti Raekallio, Bernd Goetzke, Lajos Rovatkay und Hans Leygraf.

Der Pianist Igor Levit zählt zu den wichtigsten klassischen Musikern der Gegenwart und wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Als jüngster Teilnehmer gewann Igor Levit beim 2005 ausgetragenen International Arthur Rubinstein Wettbewerb in Tel Aviv neben Silber auch den Sonderpreis für Kammermusik, den Publikumspreis und den Sonderpreis für die beste Aufführung zeitgenössischer Pflichtstücke. 2018 erhielt er den „Gilmore Artist Award“ und den „Instrumentalist des Jahres 2018“ der Royal Philharmonic Society. Im Frühjahr 2019 erfolgte der Ruf als Professor für Klavier an die Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover.

Viel Beachtung findet daneben Levits politisches und gesellschaftliches Engagement gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus. So gab er 2018 anlässlich des Skandals um die Rapper Kollegah und Farid Bang seinen ECHO KLASSIK-Musikpreis zurück. In seiner Rede anlässlich der Verleihung des Klassikpreises „Opus Klassik“ 2019 setzte er ein Zeichen gegen die Verrohung der Sprache. Seinen Preis widmete er den Opfern des Anschlags von Halle. Für sein politisches Engagement erhielt Igor Levit mehrere Auszeichnungen. Anlässlich des 75. Jahrestages der Befreiung von Auschwitz ehrte ihn das Internationale Auschwitz Komitee mit der „Statue B“ als „Gabe der Erinnerung“ 2020. Für sein künstlerisches Engagement während des Corona-Lockdowns zeichnete ihn der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am 1. Oktober 2020 mit dem Bundesverdienstkreuz aus.

Dunja Hayali lobte Igor Levit nicht nur für seine musikalischen Leistungen, sondern auch für seinen Einsatz gegen die Ungerechtigkeiten in der heutigen Gesellschaft. Da die beiden eine Freundschaft verbindet, bat sie Levit außerdem einen „Unterschlupf“ bei ihr, wenn es einmal zu viel werden sollte. Da diese Laudatio bereits im Voraus aufgezeichnet wurde, schaltete man Dunja Hayali noch einmal live hinzu. Es war deutlich zu erkennen, dass beide sich auch ohne Worte bestens verstanden. Igor Levit bedankte sich mit zwei Klavierstücken, welche nicht nur den Zuschauern, sondern auch Moderatorin Isabelle Körner ins Herz gingen, die mit ihren Tränen zu kämpfen hatte. Alles in allem ein gelungener Abend. Wir freuen uns bereits auf die Preisverleihung 2021.

 

Wir gratulieren den Preisträgern noch einmal und wünschen ein ganz herzliches MAZAL TOV!

 

© Foto: Screenshot Livestream /Jüdisches Museum Berlin