„Mein Dichten ist wie Dynamit“ Curt Blochs Het Onder­water Cabaret

JMB
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Seit dem 9. Februar 2024 zeigt das Jüdische Museum Berlin (JMB) die Ausstellung „Mein Dichten ist wie Dynamit“ Curt Blochs Het Onderwater Cabaret.

Als Jude von den National­sozialisten bedroht, floh der junge Jurist Curt Bloch (1908–1975) 1933 aus Dort­mund in die Nieder­lande, tauchte dort 1942 unter und emigrierte nach dem Krieg in die USA. Im Versteck produ­zierte er von August 1943 bis April 1945 eine Zeit­schrift mit dem sprechenden Titel Het Onderwater Cabaret – deutsch: Das Unterwasserkabarett. Das JMB präsentiert Blochs Werk erstmals der Öffentlichkeit.

Curt Bloch fertigte Woche für Woche ein klein­formatiges Heft mit kunstvoll gestalteten Covern und insgesamt 483 hand­geschriebenen Gedichten in deutscher und nieder­ländischer Sprache an. In seinen Cover­gestaltungen und Gedichten griff er politische und Kriegs­ereignisse auf, thema­tisierte seine Situation im Versteck und das Schicksal seiner Familie. Mit beißender Ironie und sardo­nischem Witz entlarvte er die national­sozialistische Propaganda, wobei er sich bewusst war, dass die National­sozialisten einen Massen­mord an den europäischen Juden begingen.

Hetty Berg, Direktorin des JMB, freut sich, Het Onderwater Cabaret nach aufwändiger Restaurierungs­arbeit präsentieren zu können: „Blochs Werk ist ein Akt künstle­rischen Wider­stands – gegen das national­sozialistische Regime und die nieder­ländischen Kollaborateur*innen. Die Ausstellung zeigt alle 95 Hefte im Original und rekon­struiert den Kontext und Prozess ihrer Entstehung. Damit ergänzt die Ausstellung gesell­schaftlich vorherr­schende Bilder vom Leben und Über­leben im Versteck um ein detail­liertes Zeugnis: um die Erfahrung Curt Blochs, zu der auch der Witz und die Produk­tivität gehören, mit denen er dem Terror zu begegnen wusste.“

Neben weiteren Werken, die Bloch „unter Wasser“ geschrieben hat, stellt die Ausstellung seine Mitstreiter*innen und Helfer*innen vor, flankiert von Zeitzeugen­interviews. Eine eigens von der Schauspie­lerin Marina Frenk inszenierte Auf­führung mit Richard Gonlag und Mathias Schäfer lässt aus­gewählte Gedichte von Bloch an Audio­stationen und per Video­projektion lebendig werden: Frenk singt eigene Verto­nungen, begleitet sich dabei am Klavier und trägt ein Gedicht im Duett mit Gonlag vor.

Curt Bloch bewahrte sein einzig­artiges Vermächt­nis jahr­zehntelang in seinem Haus in New York. Durch seine Tochter Simone Bloch kam es ins Jüdische Museum Berlin, wo es nun erstmals öffent­lich gezeigt wird. Simone Bloch: „Es ist sehr bewegend, zu sehen, wie die JMB-Kurator*innen das lang verbor­gene Werk meines Vaters sicht­bar gemacht haben, was sie dabei ent­deckt haben, und wie sie das Werk mit Musik zum Leben erweckt haben. Ich freue mich, dass meine Mutter aus der Ferne an diesem Erlebnis teil­haben kann. Ich bewun­dere, wie viel Auf­wand das Museum betrie­ben hat, um das Werk zu restau­rieren und zu erhalten. Dass dies in Berlin geschieht, spricht stark für den festen Glauben meines Vaters, dass sich Zeiten und Menschen ändern können, und dass man nie­mals die Hoffnung oder den Glauben aufgeben darf, dass die eigene Meinung und Wahr­nehmung von Bedeutung ist. Und dass sich fast immer Humor finden lässt. Irgend­wie. Mein Vater würde die Ironie zu schätzen wissen, dass nun das Jüdische Museum Berlin genau der richtige Ort auf der Welt ist, um dieses künstle­rische Zeugnis zu präsen­tieren und zu bewahren.“

Sonder­ausgabe des JMB Journals

Zur Ausstellung erscheint eine Sonder­ausgabe des JMB Journals. Im Versteck hatte Curt Bloch sich gewünscht, sein satirisches Untergrund­magazin möge nach dem Krieg eine große Leser­schaft finden – das JMB Journal soll dazu beitragen, den Wunsch zu erfüllen. Es ist im Museum in Print zum Preis von 5 Euro und als digitale Ausgabe unter https://www.jmberlin.de/jmb-journal-26-owc erhältlich.

Online-Feature

Ein Online-Feature zur Ausstellung bietet vertiefende multimediale Einblicke in drei ausgewählte Hefte von Het Onderwater Cabaret. Außerdem finden Sie Hinter­gründe zu Curt Blochs Leben im Versteck und den Leser*innen seiner Hefte sowie einen Blick hinter die Kulissen der Museums­arbeit, insbesondere die sorgsame Restau­rierung der 95 Hefte. https://www.jmberlin.de/feature-owc

 

Copyright Foto: Jüdisches Museum Berlin, Konvolut/816, Sammlung Curt Bloch, Leihgabe der Charities Aid Foundation America dank der großzügigen Unterstützung der Familie von Curt Bloch