Hamburger Anti-Mobbing-Programm macht Schule

Zwei Kinder zwischen einem Globus und Büchern
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Systematisches Ausgrenzen, Beleidigen oder körperliche Übergriffe: Mobbing hat viele Gesichter. Und es kann jede oder jeden treffen. Insbesondere Jugendliche sind häufig Mobbing und Cybermobbing ausgesetzt. Laut einer aktuellen Befragung von Schülerinnen und Schülern im Auftrag der Techniker Krankenkasse (TK) ist fast jedes sechste Schulkind in Deutschland von Mobbing betroffen. Die bundesweite Umfrage ist Teil des kürzlich veröffentlichten Evaluationsberichts zum Mobbing-Präventionsprojekt „Gemeinsam Klasse sein“, das von der TK in Kooperation mit der Beratungsstelle Gewaltprävention der Behörde für Schule und Berufsbildung in Hamburg entwickelt worden ist. Nach einer Pilotphase in den Bundesländern Hamburg, Bremen und Schleswig-Holstein wird das kostenlose Online-Programm „Gemeinsam Klasse sein“ mittlerweile in ganz Deutschland erfolgreich eingesetzt.​​​​​​​

„Gemeinsam Klasse sein“

Mobbing und Cybermobbing: Kinder und Jugendliche so früh wie möglich aufklären

„Durch Cybermobbing hat sich die Lage für die Betroffenen nochmal verschärft“, sagt Maren Puttfarcken, Leiterin der TK-Landesvertretung Hamburg. „Früher konnten Jugendliche dem Mobbing in der Schule zuhause entkommen. Heute verfolgt Cybermobbing sie online rund um die Uhr bis ins Kinderzimmer.“ Die Betroffenen leiden oftmals noch jahrelang an den gesundheitlichen Folgen des Mobbings. „Umso wichtiger ist es, Kinder und Jugendliche so früh wie möglich über Mobbing und Cybermobbing aufzuklären, damit es im besten Fall gar nicht erst dazu kommt. Als TK engagieren wir uns seit vielen Jahren im Rahmen der Gewaltprävention mit „Gemeinsam Klasse sein“ und freuen uns, dass das Programm von den Schulen so gut angenommen wird.“

Schulen aus ganz Deutschland machen mit
Schulsenatorin Ksenija Bekeris:
„Es ist ein großer Erfolg, dass das in Kooperation zwischen der TK und der BSB Hamburg entwickelte Präventionsprogramm mittlerweile in allen 16 Bundesländern angeboten wird. „Gemeinsam Klasse sein“ erfreut sich an den Schulen einer hohen Anerkennung und Wertschätzung. Die nun veröffentlichten Evaluationsergebnisse bestärken diesen Eindruck“.

„Ziel des Programms ist es, nicht nur die Kinder und Jugendlichen sondern auch die Lehrkäfte und Eltern zu erreichen. Mit „Gemeinsam Klasse sein“ wollen wir ihnen Werkzeuge an die Hand geben, um Mobbingsituationen besser zu erkennen und entsprechend zu handeln“, so Kaj Buchhofer, von der Beratungsstelle Gewaltprävention.

Aufklärung über Mobbing hilft nachweislich

Für die bundesweite Evaluation wurden rund 1.800 Schülerinnen und Schüler aus fünf Bundesländern befragt. Das Ergebnis zeigt, dass Aufklärung wirkt. So verfügten die Schülerinnen und Schüler nach der Teilnahme an „Gemeinsam Klasse sein“ über deutlich mehr fundiertes Wissen zur Thematik Mobbing und dessen Auswirkungen als vorher. Rund 90 Prozent von ihnen gaben an, ihr Wissen zu Mobbing und Cybermobbing durch die Teilnahme an „Gemeinsam Klasse sein“ gestärkt zu haben. Rund 87 Prozent von ihnen fühlten sich durch das Programm besser in die Lage versetzt, Mobbing zu erkennen. Auch die Lehrkräfte fühlten sich nach der Teilnahme an „Gemeinsam Klasse sein“ besser vorbereitet, um Mobbing zu erkennen und besser darauf reagieren zu können. Das wirkte sich auch auf die Schülerschaft aus: Die Bereitschaft sich bei eigener Betroffenheit (77,1 Prozent) oder beim Beobachten von Mobbing (80,6 Prozent) Hilfe bei Erwachsenen zu holen, stieg signifikant.

In Hamburg hatten mehr als 300 Jungen und Mädchen aus 14 fünften Klassen aus fünf Stadtteilschulen und Gymnasien an der Befragung teilgenommen. 93 Prozent der Hamburger Schülerinnen und Schüler gaben an, dass nach der Projektteilnahme Regeln zum Umgang miteinander in der Klasse und in Klassenchats eingeführt und angepasst wurden. Und 85 Prozent dieser Schülerinnen und Schüler denken, dass die Regeln dazu beitragen, Mobbing in der Klasse zu verhindern.

Für die bundesweite Evaluation zum Präventionsprojekt „Gemeinsam Klasse sein“ hat das Institut für Therapie- und Gesundheitsforschung (IFT-Nord) von Juli 2021 bis Dezember 2023 insgesamt 1.804 Schülerinnen und Schüler der fünften Klasse an 32 Schulen in den Bundesländern Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Niedersachsen vor und nach der Durchführung von „Gemeinsam Klasse sein“ zu ihren Erfahrungen mit Mobbing und dem Projekt befragt. 1.514 Schülerinnen nahmen an der ersten Befragung teil, in der es hauptsächlich um eigene Erfahrungen mit Mobbing und Cybermobbing ging. Auf diese Teilnehmenden bezieht sich der prozentuale Anteil der Schülerinnen und Schüler, die schonmal von Mobbing betroffen waren bzw. andere gemobbt haben. In der zweiten Befragung nach der Durchführung von „Gemeinsam Klasse sein“ ging es hauptsächlich um Wissenszuwachs und Lösungsstrategien im Umgang mit Mobbing und Cybermobbing. An dieser Befragung nahmen 1.374 Schülerinnen und Schüler teil. Darüber hinaus erfolgten halb-strukturierte Interviews mit Projektverantwortlichen an den Schulen. Der vollständige Abschlussbericht liegt auf dem Lebensweltenportal der TK. Weitere Informationen für interessierte Schulen gibt es auf www.gemeinsam-klasse-sein.de.

Zum Online-Programm: Teilnehmende Schulen können die umfangreichen, kostenfreien Materialien des Projekts nutzen und damit bis zu fünf Projekttage gestalten. Ziel ist es, Jugendliche sowie Eltern und Lehrende für die Problematik zu sensibilisieren, um so Mobbing gar nicht erst entstehen zu lassen. Dabei kommen unter anderem Filmclips und Erklärvideos zum Einsatz, die an Hamburger Schulen erstellt wurden. Sie vermitteln die besonderen Merkmale von Mobbing und Cybermobbing und unterstützen Schülerinnen und Schüler dabei, Regeln für ein respektvolles Miteinander zu erarbeiten.

Damit die Schulungsunterlagen von den teilnehmenden Bildungseinrichtungen optimal genutzt werden können, müssen die Lehrkräfte im Vorfeld entsprechend geschult werden. Diese Schulungen führen speziell dafür ausgebildete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der regionalen Schulbehörden durch, sogenannte Ländermultiplikatoren. Die geschulten Lehrerinnen und Lehrer erhalten dann einen Zugangscode zum Online-Angebot und sind ihrerseits wieder Multiplikatoren innerhalb ihrer eigenen Schule.