Die jüdische Tradition schreibt keine bestimmte Art der Organisation des Geschäftslebens vor. Die biblischen und rabbinischen Quellen des jüdischen Rechts und der Ethik bestehen jedoch darauf, dass die Beziehungen zwischen Käufern und Verkäufern, Arbeitgebern und Arbeitnehmern sowie Kreditnehmern und Kreditgebern geregelt werden sollten, um zu verhindern, dass die Schwachen von den Starken ausgebeutet werden und die Uninformierten den Gutinformierten zum Opfer fallen.
Die Thora selbst lehrt zum Beispiel: „Du sollst die Maße von Länge, Gewicht oder Volumen nicht fälschen…. Du sollst [einem Arbeiter] seinen Lohn am selben Tag zahlen, bevor die Sonne untergeht…. Du sollst keine Zinsen von Darlehen an deine Landsleute abziehen….“
Themen und Theologie
Der Bereich der Arbeit und des Handels ist in den Augen des klassischen Judentums nicht von Natur aus böse oder gottlos. Wie andere Arten menschlicher Tätigkeit ist er ein Bereich, in dem Heiligkeit erlangt werden kann, wenn die eigenen Handlungen keine unreinen Motive widerspiegeln und die Sorge um das Wohlergehen anderer zeigen – wenn auch nicht unbedingt eine übertriebene Sorge. Wie ein rabbinischer Weiser lehrte: „Lass das Eigentum anderer in deinen Augen so wertvoll sein wie dein eigenes“. Wettbewerb und Gewinnsucht sind an sich nicht verwerflich, aber man muss darauf achten, dass man andere, die vielleicht wirtschaftlich weniger stark oder einfach weniger klug sind, nicht in unlauterer Weise ausnutzt. Arbeit hat für diejenigen, die sie verrichten, einen eigenen Wert, nicht zuletzt die Würde, die damit verbunden ist, seinen Lebensunterhalt zu verdienen und nicht auf Hilfe angewiesen zu sein.
Wirtschaftsethik in der Praxis
Der Handel muss mit Ehrlichkeit und vollständiger Offenlegung der relevanten Informationen betrieben werden. Geschäfte zu unangemessen hohen oder niedrigen Preisen können von der Partei, die einen Schaden erlitten hat, rückgängig gemacht werden, es sei denn, sie entsprechen einem besonders strengen Standard der Offenlegung. Genaue Maße und Gewichte sind ein weiteres Beispiel für das Verbot irreführender Praktiken. Bei Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern ist die Einhaltung der örtlichen Gepflogenheiten durchzusetzen, es sei denn, es wurden vorher eindeutig andere Vereinbarungen getroffen, und die Schiedsrichter müssen die Rechte der Arbeitnehmer gegen die Interessen der Unternehmensleitung abwägen. Eine Reihe allgemeinerer ethischer Grundsätze kommt auch in der Geschäftspraxis zum Tragen: Man sollte über jeden Verdacht erhaben sein und sogar über den Buchstaben des Gesetzes hinausgehen. Dies dient der „Heiligung des Namens Gottes“ in der Welt, indem es Juden zu Vorbildern ethischen Verhaltens macht.
Zeitgenössische Fragen
Der Versuch, die Grundsätze des jüdischen Handels- und Arbeitsrechts und der jüdischen Ethik auf die komplexen Probleme der postindustriellen globalen Wirtschaft anzuwenden, hat natürlich zu Meinungsverschiedenheiten darüber geführt, welche Grundsätze in welchen Situationen Vorrang haben. Man kann sagen, dass das jüdische Recht den Insiderhandel aus einer Reihe von Gründen ablehnt. Die Rechte an geistigem Eigentum werden im jüdischen Recht verteidigt, so dass es sowohl nach jüdischem als auch nach zivilem Recht strafbar ist, veröffentlichte literarische Werke, Musik- oder Videoaufnahmen zu kopieren oder Computersoftware außerhalb der Bestimmungen der entsprechenden Lizenz zu vervielfältigen. So umstrittene Praktiken wie der Verkauf von Schusswaffen und die subtilen Manipulationen in der Werbung haben auf der Grundlage jüdischer Konzepte und Werte Kritik auf sich gezogen.