BIRKAT KOHANIM

Birkat Kohanim
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An den Festtagen wird der Priestersegen beim Morgen- und Mussafgebet deklamiert, wie in der Sidra von dieser Woche, Bamidbar 6:24-26, beschrieben wird. In Düsseldorf sagen wir den Priestersegen nur beim Mussafgebet.
Im Talmud und in der Halacha werden viele Aspekte des Birkat-Kohanim, des Priestersegens, behandelt:

DIE KOHANIM SIND VERPFLICHTET, ZU DUCHENEN (Duchenen bedeutet, den Priestersegen, der den Kohanim obliegt, in einer festgelegten Weise vor der Gemeinde zu zelebrieren)

Dürfen Kohanim sich weigern, zu Duchenen? Die Kohanim sind verpflichtet, zu Duchenen, wenn sie bei „Retsej“ in der Synagoge anwesend sind. Wenn ein Kohen aus irgendwelchem Grund nicht Duchenen möchte, hat er die Synagoge vor Retsej zu verlassen. Wenn der Kohen den Aufruf des Chasans für die Kohanim gehört hat, ist er verpflichtet, zu Duchenen. Hat er ihn nicht gehört, ist er nicht verpflichtet, zu Duchenen.


DAS HÄNDEWASCHEN

In der Gemarra (Sota 39a) steht, dass „jeder Kohen, der seine Hände nicht gewaschen hat, nicht Duchenen darf“. Da es eine Meinungsverschiedenheit unter den Gelehrten gibt, ob das Händewaschen morgens früh nach dem Aufstehen auch für das Birkat Kohanim gelten kann, ist es üblich geworden, dass die Kohanim vor dem Duchenen keine Beracha über das Händewaschen sprechen. Die Levi’im (Leviten) müssen das Wasser über die Hände der Kohanim ausschütten, als Erinnerung an die Zeit des Bejt HaMikdasch, als die Levi’im unter Aufsicht der Kohanim, im Tempel Dienst taten.

Wenn in der Synagoge keine Levi’im anwesend sind, erfolgt das Händewaschen durch die Bechorim, die Erstgeborenen. Das Wasser, mit dem die Hände gewaschen werden, muss sauber sein und das Händewaschen hat aus einem Klie (einem Händewaschbecher) zu erfolgen. Die Kohanim müssen ihre Hände bis zum Puls waschen. Das Händewaschen erfolgt vor „Retsej“.


BESONDERE FRAGEN BEIM DUCHENEN

1.       DARF EIN AWEJL DUCHENEN?

Jemand, der Schiwwe sitzt und zum Beispiel an Schabbat zur Synagoge geht (wenn dort an Schabbat geduchent wird), dem wird abgeraten, das Duchenen mit zu machen. Er sollte dann auch die Schul verlassen, bevor der Chasan zum Duchenen aufruft (Der Chasan ruft laut: KOHANIM!). Aber wenn man ihn zum Duchenen aufgerufen hat, ist er verpflichtet, hin zu gehen, da das Duchenen immerhin eine Mitzwa aus der Thora ist und jemand während der Schiwwa zu allen Mitzwot verpflichtet ist und somit auch zum Duchenen.

Insoweit die Ansicht von Rabbi Jossejf Karo. Laut Rabbi Jossejf Karo darf man sofort nach der Schiwwa wieder Duchenen.

Aber de Rema, der die aschkenasischen Minhagim beschrieben hat, ist der Ansicht, dass jemand während der gesamten Trauerzeit nicht Duchenen dürfe. Nach dem Tod EINER seiner Eltern würde ein Kohen zwölf Monate lang nicht Duchenen dürfen. Nach dem Versterben eines anderen Familienmitgliedes darf man nur während dreißig Tage nicht Duchenen, aber danach ist es wieder erlaubt, da die gesamte Trauer nach anderen Familienmitgliedern, als nach den Eltern, nur dreißig Tage dauert. Der Grund, weshalb einem Awejl verboten wird, zu Duchenen, ist, da er nicht besimcha ist (soll heißen: hat keine Freude durch die traurigen Geschehnisse).


2.       WAS IST ZU TUN, WENN DER CHASAN DER EINZIGE KOHEN IST?

Wenn es keinen anderen Kohen gibt und der Chasan der einzige Kohen in der Schul ist, muss die Chasan-Aufgabe des Chasan-Kohen für den letzten Teil der Wiederholung der Schemone Esre von einem der anwesenden Jisraelim übernommen werden, der die Wiederholung der Schemone Esre Wort für Wort beachtet hat.

Der Chasan-Kohen dawwent dann bis und einschließlich HATOV SCHIMCHA; dann ruft ein Jisraejl ihn auf, um Duchenen zu gehen. Der Chasan-Kohen geht zum Duchan hinauf, spricht das Birkat Kohanim und bleibt bis zur Beendigung der Wiederholung der Schemone  Esre durch den Jisraejl, der ihn geholt hatte, stehen. Danach steigt der Chasan-Kohen vom Duchan hinab und spricht das Kaddisch nach der Wiederholung der Schemone Esre.


3.       DARF EIN KOHEN MITTEN IM ACHTZEHNERGEBET DUCHENEN?

Ein Kohen, der sich Mitten im Achtzehnergebet  befindet, darf die Schemone Esre nicht unterbrechen, wenn es weitere Kohanim gibt, die Duchenen können. Ist jedoch kein anderer Kohen anwesend, darf er sein Schemone Esre-Gebet unterbrechen, um zu Duchenen, da das Duchenen durch die Thora eine Pflicht ist und Dawwenen nur Miderabbanan, von Rabbinischem Ursprung, ist. Einem Kohen ist es übrigens erlaubt, zu Duchenen, auch wenn er selber noch nicht gebetet hat, im Fall dass er viel zu spät in die Schul kommt.


4.       EIN GLÄSCHEN ZU VIEL? NICHT DUCHENEN!

Ein betrunkener Kohen darf nicht Duchenen. Vielleicht scheint dieses nie vorgekommen zu sein oder vor zu kommen, aber trotzdem waren das genügend Gründe, das Duchenen beim Mittagsgebet (Mincha) gänzlich zu verbieten. Die Chachamim befürchteten nämlich, dass man mittags beim Essen auch etwas trinken würde, so dass man beim Mincha-Gebet nicht vollständig nüchtern sein könnte. Deshalb haben die Chachamim das Duchenen zu Mincha abgeschafft.

 

DIE KÖRPERHALTUNG

Wenn die Kohanim auf dem Duchan, auf der Empore, stehen, ist ihr Gesicht zum Aron Hakodesch gerichtet, mit ihren Fingern in ihren Händen fest neben einander ausgerichtet. Wenn der Chasan sie aufruft, drehen sie sich um und sprechen die Beracha (den Segensspruch) aus. Die Kohanim drehen sich um und stehen mit ihren Gesichtern zu den Menschen, die in der Synagoge stehen, zugewandt, da die Tora betont, dass das Birkat Kohanim von Angesicht zu Angesicht – also das Gesicht der Kohanim zu den Gesichtern der Menschen ausgerichtet, die in der Schul stehen -, ausgesprochen wird.

DIE HÄNDE

Die Kohanim müssen ihre Hände nach oben strecken in der Höhe ihrer Schultern und dafür sorgen, dass die rechte Hand sich etwas höher als die linke Hand befindet. Von beiden Händen müssen die Finger auf eine ganz besondere Art gespreizt werden, so dass fünf Löcher an beiden Händen zwischen den Fingern entstehen. Heutzutage ist es üblich, dass alle Wörter des Birkat Kohanim vom Chasan vorgesagt werden. Die Kohanim sprechen die Wörter Wort für Wort nach.


DIE SPRACHE

Das Birkat Kohanim muss komplett in Hebräisch ausgesprochen werden. Obwohl es im Prinzip erlaubt ist, unsere Gebete (Tefillot) in Deutsch zu sprechen, ist das bei Birkat Kohanim nicht erlaubt. Erfolgt das trotzdem, hat man seine Pflicht nicht erfüllt. Dieses wird aus den Worten in der Tora abgeleitet: „So sollt Ihr die Bnej Jisraejl segnen“. So, wie es in der Tora steht, mit Hebräischen Worten. Darüber hinaus darf das Birkat Kohanim nur ausschließlich stehend gesprochen werden.

ANDÄCHTIG SEIN IST PFLICHT

Wenn die Kohanim Duchenen, dürfen sie sich nicht umsehen oder ihre Andacht verlieren. Während des Duchenen müssen die Kohanim ihre Blicke nach unten gerichtet halten, wie beim Dawwenen. Die Anwesenden sollten den Berachot andächtig zu hören und ihre Gesichter den Kohanim zuwenden. Es ist jedoch verboten, zu den Kohanim zu schauen, da ihre Andacht hierdurch wahrscheinlich vom Inhalt der Berachot abgelenkt wird. Um die Andacht zu fördern, ist es zur Gewohnheit geworden, dass die Kohanim ihre Gesichter und an manchen Orten auch ihre Hände mit ihrem Tallit bedecken. Die Jisraelim in der Synagoge müssen dafür Sorge tragen, dass sie vor und nicht neben den Kohanim, seitwärts, stehen. Im Grunde genommen wäre es besser, wenn alle Anwesenden während des Duchenen nichts sagen würden. Es ist jedoch Minhag geworden, während des Duchenen verschiedene Tefillot zu sagen, aber man sollte hierbei aufpassen, das nicht in dem Augenblick zu machen, wo die Kohanim die Wörter der Beracha aussprechen.

Ein Kohen darf auf dem Duchan den drei vorgeschriebenen Sätzen aus der Tora keine eigenen Berachot hinzu fügen. Er darf auch nichts weg lassen, selbst kein Wort. Es ist jedoch wohl erlaubt, an einem und demselben Tag mehrere Male zu Duchenen.

EIN KOHEN DER UNRECHT BEGEHT

Maimonides ist der Ansicht, dass ein Kohen, der jemanden getötet hat, nicht mehr Duchenen dürfe, auch wenn der Totschlag durch einen Unfall oder durch ein Unglück erfolgt sei und es dem Kohen furchtbar leidtun würde, was durch sein Dazutun geschehen sei.

Ein Kohen, der zu einem anderen Glauben gewechselt ist, darf nicht Duchenen, auch wenn ihn seine Bekehrung leid tut. Insoweit die Meinung von Rabbi Jossejf Karo, aber Rabbi Mosche Isserles ist der Ansicht, dass man nicht so schwer urteilen dürfe. Wenn die Übergetretenen ihre Taten bereuen, kann man sie zum Duchenen zu lassen. So könnte man sich fragen, ob ein Kohen, der jemandem bei einem Autounfall getötet hat, wohl Duchenen dürfe. Laut Rabbi Jossejf Karo würden das nicht gehen, aber laut Rabbi Mosche Isserles wohl, zumal bei Verkehrsunfällen meistens keine Rede van Absicht sei, sondern viel eher von Nachlässigkeit.

Wenn es dem Kohen, der das Autounglück verursacht hat, leid tut, sollte er wieder zum Duchenen zugelassen werden können, da die Kohanim nicht selber segnen, sondern ausschließlich G“tt. Die Kohanim sprechen das Birkat Kohanim im Namen des Allmächtigen aus.

 

© Oberrabbiner Raphael Evers