Chanukka lehrt uns, gut, stark und menschlich zu bleiben

Chanukka
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Chanukka lehrt uns, gut, stark und menschlich zu bleiben

Während ich dies schreibe, befinden wir uns immer noch mitten im Krieg vom 7. Oktober, milchemet charvot habarzel, dem „Krieg der eisernen Schwerter“, und es ist zu erwarten, dass er leider noch lange andauern wird, zumindest bis nach Chanukka. Der brutale und barbarische Überfall von 2.500 Hamas-Terroristen auf jüdische Siedlungen rund um Gaza hat viel Leid verursacht. Eine noch nie dagewesene Zahl von Opfern verlor ihr Leben, und 239 Geiseln wurden nach Gaza verschleppt. Es war eine schreckliche Tragödie, über die wir vorerst nicht hinwegkommen.

 

Guerillataktik

Die Hamas hatte diesen Überfall auf den jüdischen Staat gut vorbereitet. Es handelte sich um eine Art Guerillataktik, die von der Armee Gideons, dem Richter, eingeführt wurde. Gewöhnlich wird davon ausgegangen, dass die Makkabäer die ersten in der jüdischen Geschichte waren, die einer großen feindlichen Streitmacht mit einer kleinen Gruppe entschlossener Kämpfer gegenüberstanden. Im Buch Schoftim (Richter) finden wir zwei Vorgänger der Makkabäer: Gideon und Schimschon. Schimschon bleibt für die meisten von uns eine rätselhafte Figur. Aber Gideon hat eine klare Geschichte. Gideon wählte die Guerillataktik nicht aus eigenem Antrieb, sondern wurde von Oben dazu angewiesen.

 

Gideon

Gideon wurde als Richter aktiv, als die Midianiter das Jüdische Land mit einer mächtigen Armee überfielen. In dem Buch Richter, Kapitel 7, sagte G’tt zu Gideon, dass er zu viele Soldaten hatte. G’tt wollte nicht, dass das Am Jisrael, das jüdische Volk, dachte, es hätte die Midianiter aus eigener Kraft besiegt. Jeder, der Angst hatte, durfte nach Hause zurückkehren. 22.000 Mann verließen das Schlachtfeld und kehrten nach Hause zurück. G’tt fand, dass die 10.000 Männer, die zurückblieben, auch noch viel zu Viele waren.

 

Die Prüfung am Wasser

Es folgte eine Prüfung zwischen frommem jüdischem und götzendienerischem Verhalten. Gideon musste seine Männer zum Wasser hinabsteigen lassen. Dort stellte G’tt sie auf die Probe: Jeder, der sich zum Trinken hinkniete, musste nach Hause gehen. Es waren die Männer, die auch vor Götzen gekniet hatten. G’tt akzeptierte sie nicht als seine Soldaten. Nur 300 Männer blieben übrig. Dann sagte G’tt zu Gideon: Durch diese 300 Männer werde Ich dich aus der Hand der Midianiter befreien. Gideon teilte seine Männer in drei Gruppen ein, gab jedem eine Trompete und leere Krüge mit Fackeln. Überall ertönten die Trompeten des jüdischen Heeres und sie riefen: „Für G’tt und für Gideon!“. Das feindliche Heer geriet völlig in Panik und floh.

 

Orthodoxie in der Armee

Diese allererste Guerillataktik der Tora wurde von G’tt selbst inspiriert. Interessant ist dabei, dass ursprünglich nur religiöse Menschen in der Armee dienten. Heutzutage höre ich oft, dass die Orthodoxen nicht in der Armee kämpfen wollen. Aber auch hier erleben wir einen Wandel.

Zunächst einmal sind viele Soldaten jetzt ‚dati‘ (Orthodoxe) Mizrachischer Prägung, aber im Moment haben sich auch viele Ultraorthodoxe, Charedim, gemeldet.

 

Mehr als 2.000 Ultra-Orthodoxe registriert

Ich erhielt einen Brief von einem Freund in Israel: „Trotz der sehr ernsten Lage gibt es auch eine erfreuliche Nachricht: Im Israelischen Fernsehen wird ständig berichtet, dass sehr viele Charedim (Ultra-Orthodoxe) in unsere Armee eingetreten sind. Sie werden sofort aufgenommen, erhalten eine Notfallausbildung und werden auf alle möglichen Armeedienststellen geschickt. Es gibt eine Menge Arbeit, um die Opfer mit Hilfe von DNA zu identifizieren. Von manchen bleibt nur ein Nagel oder ein Zahn übrig. Ein großer Teil dieser Arbeit wird von den Charedim erledigt. Ich habe das selbst in der Armee gemacht. Ich kann Ihnen sagen: Es ist eine schreckliche Arbeit. Zaka und andere Charedische Einrichtungen arbeiten rund um die Uhr, auch am Schabbat. Das Fernsehen spricht darüber mit viel Respekt. Möge es so weitergehen“. Zitat Ende. Das Blatt wendet sich also.

 

Religiöse Herausforderungen

Zur Zeit der Makkabäer herrschte ein regelrechter Religionskrieg: jüdischer Monotheismus gegen hellenistischen Polytheismus. Im Griechentum gab es ein Pantheon von Götzen und Halbgöttern mit eindeutig menschlichen Zügen. Die hellenistischen Syrer wollten uns das Griechische Heidentum und die hellenistische Lebensweise aufzwingen. Das Judentum ist ein reiner Monotheismus. Aus einem eher spirituellen Kampf wurde bald ein regelrechter Krieg zwischen dem orthodoxen Teil der jüdischen Bevölkerung unter der Führung des Hohepriesters Mattitjahu und den götzendienerischen Syrern.

 

Barbarische Mordlust weltweit

Der Unterschied zwischen diesem und dem aktuellen Krieg vom 7. Oktober, milchemet charvot habarzel, besteht darin, dass wir es hier mit einer äußerst gefährlichen Gruppe von Fanatikern zu tun haben, deren einziges Ziel die Tötung von Juden ist und die erhebliche internationale Unterstützung und Finanzierung erhalten. Ihr offizielles Statut besagt, dass das jüdische Volk von der Landkarte getilgt werden muss. Ihr barbarisches Denken, ihre Aussagen und Taten sprechen für sich. Die Frage ist, wie wir uns physisch, aber vor allem auch spirituell über Wasser halten können. Und das geht bei uns oft Hand in Hand.

 

Spirituelle Herausforderungen

Die Makkabäer hatten keine andere Wahl, als sich entweder dem Druck der hellenistischen Kultur zu beugen oder mit wahren Opfern für das ursprüngliche Judentum zu kämpfen.

 

Kampf und Aggression werden nirgends verherrlicht

Tatsächlich ist der Kampf zwischen der Hamas und Israel buchstäblich ein Kampf auf Leben und Tod um unsere eigene Identität und Lebensweise. Das Judentum ist keine bedingungslos pazifistische Religion. Der Weltfrieden ist ein Ideal, das erst in der Zeit des Maschi’ach als erreichbar gilt. Erst in der Messianischen Zeit wird es „keine Hungersnot und keinen Krieg, keine Eifersucht und keinen Streit mehr geben“ (Maimonides). Wir gehen davon aus, dass Krieg manchmal gerechtfertigt ist. Doch nirgendwo in der Rabbinischen Ethik werden Streit und Aggression verherrlicht. Dem Judentum ist der Krieg ein Gräuel.

 

Pflicht zur Selbstverteidigung

Wir legen viel Wert auf das „Streben nach Frieden“. Aber wenn wir existenziell bedroht sind, spricht der Talmud Klartext: „haba lehorgecha, haschkem lehorgo – wenn jemand darauf aus ist, dich zu töten, sei ihm voraus und töte ihn zuerst“ (B.T. Sanhedrin 72a).

 

Naturrecht und Pflicht

Von vielen Seiten hören wir, dass „Israel ein Recht auf Selbstverteidigung hat“. Auf internationalen Foren muss dies ständig betont werden, als ob es nicht selbstverständlich wäre. Der Niederländische Jurist Hugo de Groot (1583-1645) erklärte, dass das Recht auf Selbstverteidigung ein Naturrecht, ein „lex naturalis“, ist. Es ist die natürliche Reaktion eines jeden Menschen auf eine ernsthafte Bedrohung von außen. Doch für das jüdische Volk gelten hier zwei zusätzliche Gründe, sehr wachsam zu sein und zu bleiben: unsere Erfahrungen aus der Vergangenheit, insbesondere der Holocaust, und die G’ttliche Verheißung für die Zukunft, die letztlich für alle Weltbürger gilt (Bereschit/Gen. 12:3): „Ich will segnen, die dich segnen, und verfluchen, die dich verfluchen, und in dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter der Erde.“

 

Wir haben eine Botschaft

Der einzige Krieg, der unter den gegenwärtigen Umständen zulässig ist, ist ein Verteidigungskrieg mit einer gewissen präventiven Erweiterung des Konzepts der Selbstverteidigung. Der Krieg zur Selbstverteidigung ist sogar schon im jüdischen Gesetz verankert.

Warum wurde die Selbstverteidigung für das jüdische Volk als eine religiöse Pflicht definiert? Wäre es nicht besser gewesen, dies unserem eigenen Urteilsvermögen zu überlassen?

 

Zeugnis für G’ttes Rolle in der Menschheitsgeschichte

Das Volk Israel als Kollektiv wurde vom ‚G’tt der Geschichte‘ geschaffen, um eine wichtige religiöse Rolle in der Menschheitsgeschichte zu spielen. Ein Volk wurde ausgewählt, um klar definierte Ziele in der Menschheitsgeschichte zu erreichen. Aus diesem Grund wurde mit ihnen ein besonderer Bund geschlossen: „Ihr seid meine Zeugen, so spricht das Wort G’ttes, und mein Knecht, den Ich erwählt habe“ (Jesaja 43,10) als Instrument zur Verwirklichung von G’ttes Absicht in der Schöpfung. Da Israel als Volk G’ttes und als Volk der Tora bekannt ist, sind seine Hingabe, sein moralisches Niveau, sein Überleben und seine Lebensfähigkeit trotz erheblicher Bedrohungen ein Zeugnis für G’ttes Rolle in der menschlichen Geschichte.

 

Moralische Herausforderungen

Jede Epoche der Geschichte ist eine Wiederholung der Vergangenheit, aber sie ist auch einzigartig. Wir haben es mit einem barbarischen Regime zu tun, das sich an keinerlei Regeln oder humanitäre Standards hält. Das Wunderliche ist, dass sie, wie sich bald wieder herausstellte, auf viel Sympathie in unserer Umgebung zählen können. Israel wird jedoch ausdrücklich aufgefordert, große Zurückhaltung zu üben und alle humanitären Werte zu wahren. Dies scheint kein Ausbund an „Verhältnismäßigkeit“ zu sein, von dem alle reden. Israel ist dafür bekannt, dass es selbst unter den unmenschlichsten Umständen stets die höchstmöglichen moralischen Standards aufrechterhält.

 

Aufrechterhaltung der höchsten zwischenmenschlichen Werte inmitten zügelloser Barbarei

Die Einzigartigkeit des gegenwärtigen Krieges im Vergleich zur Schlacht der Makkabim besteht darin, dass wir anno 5784/2023 wissen, dass wir mit G’ttes Hilfe den physischen Kampf bestehen können. Gleichzeitig wissen wir aber auch, dass wir – selbst in Extremsituationen – als Volk des Buches an die höchsten zwischenmenschlichen Werte im barbarischsten Teil der Welt gebunden sind, wo nur das Recht des Stärkeren gilt. Inmitten einer Oase der Diktaturen, der Unterdrückung, der Willkür, des Fehlens jeglicher Demokratie und der völligen Gleichgültigkeit gegenüber den Menschenrechten muss Israel auf seinen höchsten ethischen Zehenspitzen gehen, um unseren gerechten Kampf ums Überleben zu führen.

 

Völlige Unverhältnismäßigkeit zwischen den Aktionen der Hamas und Israels

Das Wort Hamas bedeutet im Hebräischen Gewalt, Gesetzlosigkeit, Ungerechtigkeit, Entführung und Geiselnahme. Die Terroristen machen ihrem Namen alle Ehre. Unter Verstoß gegen das internationale Kriegsrecht greifen sie wahllos und vorsätzlich alle Israelischen Zivilisten an. Anfang Oktober wurden massenhaft Zivilisten zu Tode gefoltert, Frauen vergewaltigt, ganze Familien lebendig verbrannt, Kinder als Geiseln genommen und Babys enthauptet.

Die Makkabäer hatten es mit einem grausamen, allmächtigen Feind zu tun. Doch was die Hamas ohne mit der Wimper zu zucken vor der Weltöffentlichkeit aufführt, übersteigt jede Vorstellungskraft. Es ist eine Orgie von Kriegsverbrechen, die sich jeder Beschreibung entzieht.

 

Die wahre Bedeutung der Unverhältnismäßigkeit im jüdischen und modernen Kriegsrecht

Inzwischen haben die Kämpfe im Nahen Osten auch auf amerikanische Universitäten, europäische Straßen und internationale Flughäfen übergegriffen. Wir als jüdische Weltbevölkerung fühlen uns plötzlich auf die Anklagebank gesetzt. Um uns gegen falsche Anschuldigungen und Verdrehungen zu wehren, möchte ich kurz zwei Punkte erwähnen, die in der öffentlichen Diskussion unsere Aufmerksamkeit verdienen:

Unterschied: Israel muss zwischen Terroristen und Zivilisten unterscheiden. Das Problem ist jedoch, dass zivile Gebäude von der Hamas selbst zu einem legitimen militärischen Ziel im Sinne des Internationalen Kriegsrecht erklärt wurden. Die Hamas trägt keine Uniformen. Folglich kann Israel nicht zwischen Zivilisten und Terroristen unterscheiden. Palästinensische Zivilisten werden als menschliche Schutzschilde benutzt. Es zeigt sich immer wieder, dass auch viele Kindersoldaten aktiv kämpfen. Die Hamas tarnt sich immer wieder in einem zivilen Umfeld, was zu vielen zivilen Opfern führt. Begründet wird dies mit der Vorstellung, dass tote Palästinenser als „Märtyrer im Kampf gegen die Ungläubigen“ direkt ins Paradies kommen. Sie bauen keine Bunker für ihre eigenen Zivilisten. Nur ihre eigenen Kämpfer sind in ihren unterirdischen Tunneln willkommen.

Israel warnt rechtzeitig davor, dass die Zivilbevölkerung Abstand zu den Terroristen halten muss, aber die Hamas verhindert Fluchtversuche, bedroht und erschießt Zivilisten, die den Ort verlassen wollen.

 

Rechtliche Verhältnismäßigkeit

Der Völkerrechtsprofessor Lord Guglielmo Verdirame erklärte im Britischen Parlament: „Wenn man einen Staat, der aus Selbstverteidigung handelt, bittet, einem Waffenstillstand zuzustimmen, bevor er seine legitimen Verteidigungsziele erreicht hat, bittet man diesen Staat faktisch, sich nicht mehr zu verteidigen.“

Dies ist unangemessen, da ein Aufruf zur Waffenruhe nicht auf die legitimen Israelischen Kriegsziele eingeht, wie die Zerstörung der Waffen und Kampfarten der Hamas und die Freilassung ihrer Geiseln. Angesichts der klaren Ziele der Hamas sind die Israelischen Kriegsziele mit der Verhältnismäßigkeit des Rechts auf Selbstverteidigung vereinbar.

 

Judenhass ist der Kanarienvogel in der Kohlegrube

Laut dem Niederländischen Nationalen Koordinator für Antisemitismus, Eddo Verdoner, ist Judenhass nach wie vor der Kanarienvogel in der Kohlengrube. Dies zeigt, dass gesellschaftliche Trends des Antisemitismus frühzeitig erkannt werden. Derzeit sind Juden die Zielscheibe des internationalen Hasses. Aber es mehren sich die Anzeichen, dass das Ziel dieser fundamentalistischen Gruppen in Wirklichkeit der Umsturz der gesamten westlichen und demokratischen Zivilisation ist. In vielen parlamentarischen Diskussionen in Europa war zu hören, dass der Anschlag vom 7. Oktober nicht nur gegen den Jüdischen Staat, sondern auch gegen den freien Westen gerichtet war. Israel ist der Vorposten des Westens in einem Umfeld, das den Westen ablehnt und bekämpft. Dies führte bei einigen Mitgliedern der Europäischen Parlamente zu dem Gefühl, dass „wenn wir Westler hinter Israel stehen, verteidigen wir auch unsere Lebens- und Denkweise gegen einen politisierten Islam“.

 

Uns nicht auf das Niveau unserer Feinde herablassen

Eines ist in diesem Kampf klar: Wir müssen coute que coute darauf achten, dass wir uns nicht auf das barbarische Niveau unserer Gegner herablassen und nicht wie diese zu solch‘ monströsen Unmenschen werden, wie unsere Gegner im Krieg. Es mag sein, dass wir anfangs eine Welle des Hasses und der Vergeltung für die begangenen Gräueltaten verspüren. Das ist eine natürliche, aber keine kluge Reaktion.

 

Die Einheit muss wiederhergestellt werden

In jüngster Zeit hatten wir die jüdische Einheit verloren. Das Judentum glaubt an die Kraft der Einheit, aber es geht auch ganz klar um jeden einzelnen Menschen als Person, die ihren eigenen Weg und ihren Platz im jüdischen Leben finden muss. Das ist nicht immer einfach, denn der Gruppendruck, der sich aus Zusammengehörigkeit und Solidarität ergibt, ist oft stark. Damit unsere Einheit fruchtbar ist und die persönliche Entwicklung jedes Einzelnen nicht behindert, müssen wir die Individualität jedes Einzelnen respektieren. Nur so kann die Klal Jisrael, das jüdische Volk, seine endgültige Bestimmung bis zu den Tagen des Maschiach erfüllen.

 

Einheit setzt chessed, Liebe zueinander und gute Taten voraus

G’ttseidank hat es an gegenseitigem Miteinander und Taten der großen Liebe seit Ausbruch des Krieges nicht gefehlt, das ist einer der Hauptpfeiler einer jüdischen Gesellschaft. Alle Menschen in Israel haben per Wort und Tat bewiesen, dass wir Seite an Seite stehen und eins sind. Olam chessed jibane – die Welt wird durch die Liebe wiederaufgebaut.

 

Die unmögliche Aufgabe

In seiner Verheißung an Awraham (Bereschit/Gen. 15:5): „G’tt führte ihn hinaus und sagte: Sieh dir doch den Himmel an und zähle die Sterne, wenn du sie zählen kannst“. Awraham begann zu zählen, aber das war unmöglich, denn es gibt eine unendliche Anzahl von Sternen. Dann sagte G’tt zu Awraham: „So werden deine Nachkommen sein“.

 

Es schien unmöglich

Die Aufgabe des Zählens war eine unmögliche Mission. Aber dies sollte das Wesen und die Aufgabe des jüdischen Volkes werden. Das ist das ewige Überleben des jüdischen Volkes. Das Unmögliche zu vollbringen. Bis zum heutigen Tag. Wir haben, G’tt sei Dank, einen nicht enden wollenden Strom von Feinden überlebt. Das moderne Israel ist immer noch von Zäunen von Menschen umgeben, die nicht so gut von uns denken. Ich kenne kein anderes Land, dessen Existenzrecht so bedroht ist wie das kleine Israel. Das ist das große Wunder, ähnlich wie das Chanukka-Wunder: „Viele sind in die Hand von wenigen übergeben“.

Nach der Zerstörung des zweiten Tempels im Jahr 70 n. Chr. wurden wir in ein grausames Galut, ein Exil, geschickt und wanderten – mit unserer jiddischen Seele unter dem Arm – durch die ganze Welt. Ständige Ungewissheit war unser Schicksal. Aber gerade dadurch gewannen wir eine erhöhte Sensibilität für unsere hohe Berufung. Und wir kehrten nach 2.000 Jahren in unser Heimatland, Israel, zurück.

 

Chanukka ist die Zeit der Hoffnung und der Inspiration

Chanukka ist das Fest der sanften, schönen Lichter. Es geht um Spiritualität, Verantwortung, Berufung und geistliche Ausstrahlung. Unser Erzvater Awraham begann, das Judentum mit Liebe zu verbreiten. Wir müssen unserem Leben mehr jüdische Inhalte geben. Wir beschäftigen uns zu wenig mit dem, worum es im Leben wirklich geht.

Chanukka ist – historisch gesehen – das letzte Fest in der jüdischen Geschichte, das als „chag“, als wiederkehrender Punkt der Reflexion über das wahre Wesen des Judentums, festgelegt wurde. Im Zyklus unseres Lebens begegnen wir jedes Jahr denselben Höhepunkten, jedes Jahr auf einer etwas höheren Ebene (Maharal von Prag). Chanukka schenkt unserem Leben Licht, Hoffnung, Liebe zu HaSchem (G’tt), den Mitmenschen, dem Judentum und der Tora.

 

Schenken und Liebe

Zur Zeit von Chanukka herrschte ein großer Krieg, aber wir konzentrieren uns auf das Licht und Leben. Wir verabscheuen den Krieg. Licht ist die Ausstrahlung des Guten. Ein geflügeltes Wort besagt: „Wo Licht ist, da ist auch Simche (Freude)“. Liebe gibt Licht. Das Judentum konzentriert sich auf die Liebe und die positive Ausstrahlung. Die Tora wiederholt es ständig: ‚Liebe G’tt mit deinem ganzen Herzen, deiner ganzen Seele und all deinen Fähigkeiten‘. Aber du musst auch deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Und vergessen Sie nicht – ganz aktuell in diesen Tagen der Flüchtlingsproblematik – den Fremden.

Wenn du wirklich Glück in deinem Leben suchst, dann strahle diese Liebe aus, wie diese schönen Chanukka-Leuchter. Wir zünden sie nachts an, wenn draußen Kälte und Dunkelheit herrschen. Die Liebe verändert dein Leben völlig. Anstelle von Depression und Verfall entsteht wahres Glück, in der Ehe, als Eltern oder bei der Arbeit. Wir zünden die Menorah oder Chanukkiah draußen an, weil wir Güte ausstrahlen. Wo Liebe, Licht und positive Ausstrahlung sind, da ist G’tt.

 

Veränderung zur Dankbarkeit

An Chanukka zünden wir jede Nacht eine Kerze mehr an. Stillstand ist Rückschritt. Das Judentum wirft unser Leben schwungvoll in immer höhere Sphären. Seien Sie ein dankbarer Mensch. Wir haben leider viele Kriege und Pogrome erlebt. Ja, wir haben Probleme, Ängste, Schmerzen. Aber wir konzentrieren uns auf die Zukunft, auf Hoffnung und Dankbarkeit. Darauf liegt unser Fokus. Dankbare Menschen leben länger. G’tt zu danken bedeutet, Glück zu empfinden und es in die dunklen Täler hinauszutragen, selbst in den schwierigsten Zeiten.

 

Chanukka ist auch das Fest der Bildung

Das Judentum verleiht Ihrem Leben Kontinuität und Nachhaltigkeit. Die Lichter müssen an bleiben und strahlen. Die Jüdische Kontinuität bis zur Zeit des Maschiach ist unser Ideal. Wenn wir wollen, dass unsere Kinder unser Judentum fortsetzen, bleiben wir unter allen Umständen positiv und konsequent. Wir werden als Juden nur dann respektiert, wenn wir auch unsere Tradition respektieren. Die Makkabim opferten sich für den Fortbestand unseres Judentums.

Das Glas ist halb voll und nicht halb leer

Chanukka bedeutet, überall helle Punkte zu sehen. Licht ist Spiritualität. Nichts ist selbstverständlich. Chanukka wurde als Fest zum Lob und Dank an G’tt ins Leben gerufen. Überall um uns herum sehen wir nur Segen. Wir erleben Chancen, die sich keine Generation vor uns hätte vorstellen können.

Chanukka bedeutet, Verantwortung für die jüdische Kontinuität zu übernehmen

Schenken Sie Ihren Kindern Hoffnung, Licht, Liebe und Ideale. Nur mit unseren sich dem Jüdischsein  bewussten Kindern können wir eine jüdische Zukunft haben!

Trotz allem wünsche ich Ihnen ein Chanukka-Sameach und Schalom al Jisrael!

© Oberrabbiner Raphael Evers