Tora Übersetzung – Ein Weg gemeinsam zu wachsen

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Gestern wurde in Hamburg ein einzigartiges Projekt der Federation of Jewish Communities of Ukraine im Beisein von Dr. Iryna Tybinka, Generalkonsulin der Ukraine in Hamburg, durch Rabbiner Shlomo Bistritzky (Landesrabbiner der Jüdischen Gemeinde in Hamburg und Dekan des Rabbinerseminar Hamburg ) zusammen mit Herrn Philipp Stricharz (Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde in Hamburg) vorgestellt.

In diesem Projekt wird die Tora erstmalig ins Ukrainische übersetzt. Insgesamt wurde die Tora bisher in viele Sprachen übersetzt, nun kommt noch eine weitere hinzu. Unterstützt wird dieses Projekt durch das Rabbinerseminar Hamburg Or Jonatan. Das FJC vereint mehr als 163 Gemeinden und über 500.000 Menschen unter ihrem Dach und initiierte dieses Projekt um die Bedeutung der ukrainischen Sprache, besonders im Angesicht der aktuellen politischen Situation, hervorzuheben.

Bereits bei der Begrüßung durch den Rabbiner Shlomo Bistritzky und Phillip Stricharz, wurde deutlich, wie nah die Jüdische Gemeinde Hamburg den Juden in der Ukraine steht. Mehrere Ukrainer wurden nach Beginn des Krieges, herzlich in der Gemeinde aufgenommen und haben in Hamburg ein neues Zuhause gefunden. „Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, den Menschen das Gefühl zu geben, zu einer Gruppe dazuzustoßen. Nicht nur geflüchtet zu sein, sondern in ein neues Zuhause zu kommen.“, so Philipp Stricharz, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde in Hamburg. Besonders engagiert zeigte sich die Gemeinde beim Thema Flüchtlingskinder. Dabei wurde in einer Schule, die bisher 200 Kinder betreute, Raum für 30 Kinder und Jugendliche geschafft. „Gerade für Kinder ist es wichtig in einen Alltag zu kommen, bei dem es nicht immer nur um Flucht und Vertreibung geht, sondern in dem man auch mit anderen Kindern spielt. Dabei war unsere Schule ein wenig prädestiniert, da die Sprache schon vorhanden war und wir mehrfach familiäre Beziehungen in die Ukraine haben. Viele Familien kommen aus der Ukraine.“ Auch beratend steht die Jüdische Gemeinde Hamburg den Flüchtenden zur Seite. „75 Prozent der Geflüchteten, die in unserer Betreuung sind, konnten wir in dauerhafte Mietverhältnisse begleiten und es wurde schon über 1500 Mal eine Beratung durchgeführt.“, sagte Phillip Stricharz.

Generalkonsulin Dr. Iryna Tybinka begann ihre Rede mit einer Parabel, welche für diese Zeit wohl kaum treffender hätte sein können: „In der Ukraine gibt es eine sehr beliebte Parabel über einen Ratschlag, den einmal ein weiser alter Jude gab. Der Ratschlag lautete wie folgt: ‚Es wird nicht immer so sein‘. Der jüdische Weise riet, ein Schild mit diesen Worten an die Tür zu hängen und immer daran zu denken. Wenn Sie sich schlecht fühlen und die Welt unter Ihren Füßen zusammenzubrechen scheint, sollten Sie daran denken, dass es nicht immer so sein wird. Und auch wenn Sie von Glück überwältigt sind und die Freude keine Grenzen kennt, sollten Sie sich an diese Worte erinnern. Dies ist eine Lebensphilosophie. Eine Weisheit, die die Erfahrung vieler Generationen des jüdischen Volkes widerspiegelt. Und ein Gleichnis, das zeigt, wie die Juden, ihre Traditionen und ihre Kultur zu einem festen Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens, der Kultur und der Geschichte der Ukraine geworden sind. ‚Es wird nicht immer so sein‘ handelt im Wesentlichen von der Tatsache, dass nichts als selbstverständlich und dauerhaft angesehen werden sollte. Weder die Freiheit, noch die Demokratie, noch die Sicherheit. Deshalb müssen wir das, was wir haben, schützen und respektieren….“

Dr. Tybinka drückte sowohl ihre Dankbarkeit gegenüber der Jüdischen Gemeinde, also  auch ihre Hoffnung aus, dass viele der jüdischen Geflüchteten bald wieder in die Ukraine zurückkehren können, da ohne sie wichtige Nuancen fehlen würden. Als Beispiel dafür, zitierte sie aus einem Interview mit einer Aktivistin der Jüdischen Gemeinde der Ukraine: „Wir begannen, mehr zu beten. Wir begannen, russischsprachige Texte aus dem Hebräischen ins Ukrainische zu übersetzen. Nach Butscha und all diesen Nachrichten war es keine Option mehr die russische Übersetzung zu verwenden. Gemäß der jüdischen Tradition blieben wir nah beieinander – das half uns, uns zusammenzureißen und den Menschen zu helfen. Auch die Hinwendung zu Gott half. Selbst die äußeren Momente waren nicht so wichtig wie die inneren – Gebete, Texte und Feiertage“.

Gemeinschaft, Leidenschaft, Dankbarkeit und tiefe Gefühle scheinen auch eine große Rolle bei der Idee der Tora Übersetzung gespielt zu haben. Besonders die Leidenschaft und Dankbarkeit wurden bei der Verlesung des ersten Verses der Tora durch Alexander Kaganovsky, welcher die Übersetzung leitet, spürbar. Ein Vers welcher für ihn als Ukrainer eine große Bedeutung hat: „Wer diese Welt kreiert hat, hat ein Recht sie an denjenigen zu geben, an den er sie geben möchte. Dasselbe gilt für die Ukraine. Die Ukraine wurde den Ukrainern gegeben und niemand hat ein Recht es zu erobern. Es gehört den Ukrainern.“ Dieses Projekt sei ein Weg, die jüdische Weisheit mit den Ukrainern zu teilen, um gemeinsam zu wachsen.