Wajikra: Unsere Reise durch die Glut, das Exil

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Wajikra ist das dritte Buch der Tora. Wajikra ist das Buch der Opferungen und bespricht den gesamten Prozess bezüglich der Opferungen, d.h. was, wie und ab der Erbringung bis zur Ausführung. Alle Opfergaben wurden zu einem zentralen heiligen Ort gebracht, zum Mischkan, dem Tabernakel.

–          Wajikra heißt auch Torat Kohanim – die Lehre der Priester.

–          Ein großer Teil ist den Aufgaben der Kohanim im (tragbaren) Heiligtum gewidmet.

–          Dort mussten Feueropfer, Friedensopfer, Erstlingsopfer, Sünde Opfer, Schuldopfer und Mehlopfer erbracht werden. Bei allen Opfergaben wurde Salz verwendet.

 

„G“tt rief Mosche und sprach zu ihm aus dem Zelt der Zusammenkunft“ (1:1).

Mosche konnte nicht in den Tabernakel hinein gehen, da der Geist G“ttes auf dieses Heiligtum in Form der G“ttlichen Wolke nieder geschwebt war, die das Jüdische Volk tagsüber auf seiner Wanderung durch die Wüste führte und während dessen Lagerungen auf dem Ohel Mo’ejd, dem Zelt der Zusammenkunft, ruhte. Jetzt rief G“tt ihn und Mosche konnte eintreten und mit HaSchem kommunizieren.

Am Ende des zweiten Buches der Tora, Schmot, lesen wir, wie das Heiligtum seine Keduscha (Heiligkeit) erhielt. Der Geist G“ttes ruhte auf dem G“tteshaus. Aber das wird durch die Tora am Ende des zweiten Buches Schmot auf eine ganz typische Art begründet: „Denn die Wolke von HaSchem ruhte tagsüber auf dem Mischkan, und das Feuer ruhte nachts darauf, vor den Augen des gesamten Hauses von Israel während seiner Wanderungen.“ (Schmot/Ex. 40:38).

Die Wolke befand sich laut dem buchstäblichen Text auf dem Mischkan während aller ihrer Wanderungen.

Aber ist der Satz, der Abschnitt, nicht etwas ungenau? Es steht da, dass die Wolke auf dem Mischkan war, als sie (weiter) wanderten. Aber in Wirklichkeit war sie nicht oberhalb des Mischkan, als sie weiterzogen. Während der Reise ging die Wolke der G“ttlichen Majestät dem Volk voraus.

 

Nur oberhalb des Heiligtums, als sie lagerten

Der Mischkan (Tabernakel) wurde vor der Abreise abgerissen und war während der Wanderungen nicht mehr vorhanden! Es kann nicht anders sein, als dass die Tora meint, dass immer, während sie ihr Lager aufschlugen, die Wolke den Mischkan bedeckte.

Die Tora besagt durch diesen semantischen Hinweis, dass auch an Augenblicken, an denen die Juden nicht weiterzogen, sondern innehielten und ihr(e) Lager aufschlugen, als Teil ihrer Reisen gesehen werden. Dieses scheint eine sonderliche oder ungewohnte Andeutung zu sein, beinhaltet aber einen sehr tiefsinnigen Gedanken, der bis auf den heutigen Tag äußerst aktuell ist.

 

In der gesamten Tora sind wir durchgehend unterwegs

Die Wanderung durch die Wüste ist ein auffallendes und äußerst ausgedehntes Ereignis in der Tora. Die Bnej Jisraejl sind in der gesamten Tora durchgehend unterwegs, aber während die Tora mit dem Ableben von Mosche endet, sind sie noch immer nicht im Heiligen Land eingetroffen. Dieses wird erst im Buch Jehoschua erfolgen. Ich muss hierbei immer an die Aussage unsere Weisen denken, dass „das, was mit unseren Ahnen geschehen ist, ein Vorzeichen für die Kinder ist“ – und die Kinder, das sind wir!

 

Die Realität des Jüdischen Lebens hat das bewiesen

Auch wir machen eine endlose Reise durch die Gola (Golus) mit, dem Exil zwischen den unterschiedlichen Völkern von Wladiwostok bis Alaska, von Nord-Amerika bis Süd-Afrika. Überall, wo wir uns niederlassen – die Lagerungen aus der Wüste – sind es nur zeitlich begrenzte Verweilorte und wir werden leider oft wieder gezwungen, weg oder weiter zu ziehen, meistens aus antisemitischen Gründen, in welcher Erscheinungsform auch immer.

 

unserer Reise zum endgültigen Ziel

So, wie es in der Wüste nie vorhersehbar war, wie lange die G“ttliche Fürsorge und der Schutz sie an einem bestimmten Ort belassen würde, war das auch in unserer Galut-Erfahrung nicht vorhersehbar, die wir jetzt wieder während unserer Reise zum endgültigen Ziel durchlaufen – Eretz Jisraejl.

 

Alles war nur ein Teil unserer langen Reise vorwärts

Die Orte, an denen wir unsere Zelte aufschlagen und aufschlugen, sind und waren Teil unserer Reisen. Selbst wenn wir irgendwo eine längere Zeit bleiben, ist dieses nie dauerhaft. Es ist nur ein Teil unserer langen Reise vorwärts in Richtung der Messianischen Befreiung im Jüdischen Jahr 6000. Wir befinden uns auf dieser langen Reise, bis wir schließlich und letztendlich den Wiederaufbau von Zion und Jeruschalajim sehen mögen mit der Ankunft des Maschiach, bimhera bejamejnu, möglichst kurzfristig, zu unseren Zeiten.

 

Aber all zu oft denken wir, „dass wir hier ewig bleiben (werden)“. Unser wirkliches Zuhause ist wo anders, in Eretz Jisraejl. Wir waren während Hunderte von Jahren wo anders. In Polen haben Juden wohl Tausend Jahre gelebt. Polanja heißt es in Iwrith. Po bedeutet hier. Lan ist: ist anwesend. J-a ist ein kurzer G“ttesname. Hier wohnt G“tt. Glaubte man, bis dieser Traum auf grausamste Weise zerstört wurde.

 

Das ist unsere Geschichte

Es gibt inzwischen viele Orte, wo Juden glücklich wohnen, leben und gedeihen. Aber unsere Geschichte lehrt uns, dass kein Verweilort auf ewig ist und dass wir immer von Land zu Land umziehen. Das ist unsere Geschichte, dieses ist unser Schicksal, unsere Bestimmung. Ob wir das angenehm oder nett finden oder nicht.

 

Author: © Oberrabbiner Raphael Evers | Raawi Jüdisches Magazin

Foto: © Maurycy Minkowski: Nach dem Pogrom, Öl auf Leinwand, 103,9 × 152,4 cm, The Jewish Museum, New York.