Dunbars interdisziplinäres Denken beflügelte Verbraucher-, Gesundheits- und Umweltschutz in Hamburg
Vor 100 Jahren starb William Philipps Dunbar, der erste Direktor des Instituts für Hygiene und Umwelt. Er leitete das Institut von der Gründung 1892 bis zu seinem Tod 1922. In diesen 30 Jahren legte er den Grundstein für das größte hygienische Institut der damaligen Zeit in Deutschland. Seine Verdienste kamen nicht nur der Stadt Hamburg zugute sondern beeinflussten die Entwicklung des Verbraucher-, Gesundheits- und Umweltschutzes nachhaltig.
Dr. William Phillips Dunbar kam zusammen mit seinem Mentor Prof. Dr. Georg Gaffky im September 1892 nach Hamburg. Grund war der letzte große Cholera-Ausbruch Europas in unserer Hansestadt. Gaffky, der ein Schüler Robert Kochs war und wenige Jahre zuvor mit ihm zusammen die Existenz des Cholera-Erregers nachgewiesen hatte, wurde vom Senat zum hygienischen Berater berufen, um die Epidemie einzudämmen und wissenschaftlich zu untersuchen.
Dr. Ansgar Ferner, Geschäftsführer des Instituts für Hygiene und Umwelt: „Gaffky und Dunbar richteten zunächst ein provisorisches Labor ein, indem sie Material auf Krankheitserreger untersuchten, das von Ärzten und Krankenhäusern angeliefert wurden. Gleichzeitig nahmen sie das Trink-, Elb- und Abwasser genau unter die Lupe, damit sie zielgerichtet Maßnahmen ergreifen konnten, um eine weitere Ausbreitung der Cholera auf diesem Wege einzudämmen. Dank der schnellen Erfolge ihrer Arbeit wurde das provisorische Labor am 28. Dezember 1892 per Senatsbeschluss in ein staatliches Institut umgewandelt und Dunbar zum ersten Direktor des neuen Instituts berufen.“
Das damalige „Hygienische Institut“, das mit einer bakteriologischen und einer hygienisch-chemischen Abteilung gestartet war, wuchs schnell. Schon im Frühjahr 1893 übernahm es gemeinsam mit der „Polizeilichen Station zur Untersuchung der Nahrungsmittel“ die Prüfung von Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen. Während Lebensmittelproben zuvor nur sporadisch untersucht worden waren, nahmen die Hygieniker fortan regelmäßige und umfassende Analysen vor – und deckten Betrügereien ungeahnten Ausmaßes auf: Mehl war mit Gips gestreckt, Butter mit Margarine vermischt, Gebäck mit giftigen Farbstoffen versetzt. Fast ein Viertel aller Proben musste im Jahr 1895 beanstandet werden. Die Polizeibehörde ahndete diese Verstöße streng, so dass sich die Qualität der Hamburger Lebensmittel schon zur Jahrhundertwende deutlich verbesserte – ein wichtiger Erfolg Dunbars und der Wissenschaftler vom Hygienischen Institut.
Nahrungsmittel, Gesundheitsschutz, Wasserversorgung und Abwasserwesen – das waren die Aufgabenschwerpunkte des Instituts in den ersten Jahren seines Bestehens. Schon bald kamen neue Bereiche hinzu: 1898 übertrug der Senat Dunbar und seinen Wissenschaftlern die regelmäßige Überprüfung der hygienischen und sanitären Bedingungen in den Häusern der Armenviertel, und auch schul- und gewerbehygienische Fragen wurden von ihnen bearbeitet. Im Jahr 1900 übernahm das Institut zudem die fachliche Aufsicht über die städtischen Desinfektionseinrichtungen und -apparate und schulte die dortigen Mitarbeiter.
In seiner Amtszeit baute Dunbar das Themenspektrum immer weiter aus. So hat er im Jahr 1900 ein Pestlabor eingerichtet, das als einzige Stelle in Hamburg Rattenkadaver untersuchte. Auch die Nahrungsmittelkontrollen wurden ausgeweitet: Zwei neue Laboraußenstellen auf dem Amerikahöft und im Kuhwerder Hafen wurden 1903 bzw. 1904 eingerichtet und erlaubten es, Importe wie zum Beispiel Fleisch direkt nach Anlandung am Hafen zu prüfen.
Neben den routinemäßigen Untersuchungen hat Dunbar von Anfang an auch Wert auf die wissenschaftliche Ausbildung und Lehre am Institut gelegt. Die hausinternen Vorträge und Seminare wurden 1919 durch einen offiziellen Lehrauftrag ergänzt, als das Gesetz zur Gründung der Hamburger Universität verabschiedet wurde: Dem Institut wurde damit die Ausbildung von Medizinstudenten und Nahrungsmittelchemikern in Hygienefragen übertragen.
Dunbar war ein Generalist, wie man sie heute praktisch nicht mehr findet. Sein Talent bestand insbesondere darin, die wissenschaftlichen Erkenntnisse und Errungenschaften seiner Zeit zu einem Gesamtansatz zusammenzuführen und entscheidende Schlüsse auf dieser Basis zu ziehen. Neben Forschungen zu den Infektionskrankheiten Cholera, Thyphus und der Pest sowie zur Desinfektion beschäftigte sich Dunbar mit Algen, Schimmelpilzen, Hefen und Bakterien im Allgemeinen, erforschte wichtige Erkenntnisse zur Entstehung von Heuschnupfen und widmete sich mit Erfolg seinem Steckenpferd „Abwasser“: Sein Klärtechnik-Bestseller „Leitfaden für Abwasserreinigungsfragen“ wurde über 5o Jahre lang in verschiedenen Auflagen nachgefragt und ist heute nahezu vergriffen.
Dr. Ansgar Ferner: „Dunbar legte den Grundstein für unser heutiges Institut, das Hamburger Landesinstitut für Lebensmittelsicherheit, Gesundheitsschutz und Umweltuntersuchungen. Er verband von Anfang an Gesundheit, Umwelt und Lebensmittelsicherheit sowohl in der Forschung als auch in der täglichen Überwachung. Noch heute profitieren wir davon, die Expertise dieser wissenschaftlichen Themenbereiche in Hamburg unter einem Dach gebündelt zu haben.“
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