Gedenkstunde „Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus“ mit Beteiligung des tschechisch-deutschen Kulturprojekts Musica non grata

Musica non grata bei der Gedenkstunde
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Den „Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus“ am 27. Januar begeht der Deutsche Bundestag alljährlich mit einer Gedenkstunde.

In diesem Jahr ist neben der Holocaustüberlebenden Inge Auerbacher und dem Präsidenten der Knesset, Herrn Mickey Levy, das tschechisch-deutsche Kulturprojekt Musica non grata der Oper des Nationaltheaters in Prag eingeladen. Musiker*innen der Staatsoper Prag gestalten die Gedenkstunde musikalisch. Die Tschechische Republik wird durch den tschechischen Botschafter in Berlin, Tomáš Kafka, und den Generaldirektor des Nationaltheaters, Jan Burian, in Begleitung des künstlerischen Leiters der Oper des Nationaltheaters, Per Boye Hansen, vertreten sein.

Die Gedenkstunde wird auf der Internetseite des Bundestags und im deutschen Fernsehen bei ARD und Phoenix live übertragen.

 

1996 hatte der damalige Bundespräsident Roman Herzog den 27. Januar, das Datum der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz, zum nationalen Gedenktag erklärt. Seitdem findet im Deutschen Bundestag alljährlich die Gedenkstunde statt.Für das musikalische Rahmenprogramm sind Werke zweier Komponist*innen ausgewählt, die durch die Nationalsozialisten verfolgt und ins KZ Theresienstadt deportiert wurden: Hans Krásas Fuge für Streichtrio (1944) und Lena Stein-Schneiders „Gebet für den Frieden“ in einer Bearbeitung für Klaviertrio.

 

Die als Helene Meyerstein geborene Lena Stein-Schneider (1874–1958) studierte unter anderem in Leipzig am Konservatorium Klavier und Gesang und veröffentlichte unter ihrem Künstlernamen Lieder, Instrumentalwerke und Operetten. International und im Berliner Kulturleben anerkannt, hatte sie eine bemerkenswerte Karriere als Komponistin. Sie gründete nach amerikanischem Vorbild den erfolgreichen Rubinstein-Frauenchor, den Berliner Rubinstein-Club und einen eigenen Salon. Als Jüdin traf sie das von den Nationalsozialisten erlassene Berufsverbot und sie verarmte in der Folge. 1942 wurde sie ins KZ Theresienstadt deportiert, das sie überlebte, jedoch konnte sie wegen Spätfolgen der Internierung ihre musikalische Laufbahn nicht fortsetzen. Das „Gebet für den Frieden“ entstand vermutlich um 1949, vier Jahre nach dem 2. Weltkrieg.

 

Hans Krása (1899–1944), Sohn eines angesehenen Prager Anwalts und einer deutsch-jüdischen Mutter, studierte unter anderem bei Alexander von Zemlinsky in Prag sowie später in Berlin und Frankreich Komposition. Als sein Förderer holte ihn dieser später als Korrepetitor ans Neue Deutsche Theater in Prag. Er feierte in den 1920er- und 1930er-Jahren als Komponist mit Werken wie einem Liederzyklus auf Gedichte von Christian Morgenstern und seiner ersten Oper „Verlobung im Traum“ große Erfolge. 1942 wurde Krása von den Nationalsozialisten ins KZ Theresienstadt deportiert, wo seine zuvor komponierte Kinderoper „Brundibár“, die heute zu den bekanntesten Lagerkompositionen überhaupt zählt, 55 Mal aufgeführt wurde. Seine Fuge für Streichtrio entstand nur wenige Monate vor seiner Ermordung in Auschwitz-Birkenau.

Ausführende sind Radovan Šandera (Violine), Stanislav Svoboda (Viola), Štěpánka Kutmanová (Cello) und Šárka Knížetová (Klavier).

„Lasst uns die Würde des Menschen vor dem Menschen nicht vergessen. Das ist die Botschaft des deutsch-tschechischen Projekts Musica non grata. Ich danke alle Beteiligten, dass wir dieses an einem so wichtigen Ort wie dem Deutschen Bundestag vermitteln können. Trotz aller dunklen Momente, finden wir im Zusammenleben von Tschechen und Deutschen in der Tschechoslowakei der Zwischenkriegszeit unzählige Geschichten der Freundschaft und gegenseitigen Inspiration. Ich schätze und danke sehr für die Unterstützung und Aufmerksamkeit, die dieses Projekt von der Bundesrepublik Deutschland erhält“, sagt Per Boye Hansen, künstlerischer Leiter des Nationaltheaters und der Staatsoper.

2020 startete der auf vier Jahre angelegte Zyklus Musica non grata in Prag, der an die reiche Musiktradition der Tschechoslowakei der Zwischenkriegszeit anknüpft.

Mit Unterstützung des Auswärtigen Amtes und der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Prag realisiert die Oper des tschechischen Nationaltheaters an unterschiedlichen Spielorten zahlreiche Opernproduktionen, Sinfonie- und Kammermusikkonzerte mit Werken von Komponisten tschechisch-jüdisch-deutscher Herkunft, die eine besondere Beziehung zu Prag und Tschechien hatten. Im Herbst 2021 wurde in einem kleinen Festival des früheren Operndirektors des Neuen Deutschen Theaters, Alexander Zemlinsky, gedacht und eine Produktion mit Kurt Weills „Sieben Todsünden“ und Arnold Schönbergs „Erwartung“ feierte Premiere.

Zu den Höhepunkten des ersten Halbjahres 2022 zählen die Opernpremieren von Franz Schrekers „Der ferne Klang“, Erwin Schulhoffs „Flammen“ sowie zum zweiten Mal die Beteiligung an der Terezín Summer School. Initiiert vom Künstlerischen Direktor der Oper des Nationaltheaters und der Staatsoper, Per Boye Hansen, wird das ambitionierte Projekt von den beiden Musikdirektoren Jaroslav Kyzlink (Oper des Nationaltheaters) und Karl-Heinz Steffens (Staatsoper) unterstützt.