Parascha Teruma: Wir werden tun und erst dann verstehen

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Diese Woche gehen wir zum Handeln über. Nachdem wir bei den zehn Plagen und dem Auszug aus Ägypten, bei der Teilung des Jam Suf, des Schilfmeers („G’tt wird für euch kämpfen und ihr müsst schweigen“) und beim Empfang der Tora auf dem Berg Sinai ziemlich passiv waren, erhalten wir nun den Auftrag, mitten in der Wüste Sinai ein Heiligtum zu errichten.

Natürlich musste dies ein zu bewegendes, mitreisendes Tabernakel sein, denn unsere Vorfahren waren 40 Jahre lang auf dem Weg ins Heilige Land unterwegs. Erst in Jerusalem bekamen wir einen festen Tempel.

 

Nicht Worte, sondern Taten

„Sie sollen Mir ein Heiligtum bauen, damit Ich in ihrer Mitte wohne. Nach allem, was Ich euch zeigen werde, einen Entwurf des Tabernakels und einen Entwurf aller ihrer Gegenstände, so müsst ihr sie machen. Sie sollen auch eine Lade aus Akazienholz machen, die zweieinhalb Ellen lang, anderthalb Ellen breit und anderthalb Ellen hoch sein soll“ (Ex./Schemot 25,8-10). Dies war eine „Erweckung von unten“, eine Initiative des Volkes, das aus Ägypten gezogen worden war. Das ganze Volk musste zum Bau dieses Heiligtums beitragen und Rohstoffe spenden.

 

G’ttliche Wohnung

Im Hebräischen wird dieses Heiligtum ‚Mikdasch‘ genannt – ein Heiligtum, in dem G’tt Seine Majestät, Seine Schechina, hier auf Erden ruhen kann. Die G’ttliche Wohnung wird in Iwrit „Mischkan“ genannt – und dies ist eine Antwort von Oben auf die frühere irdische Initiative, G’ttes Gegenwart hier auf die Erde „einzuladen“.

 

Heilige Lade

In Iwrit wird die Lade „Aron hakodesch“ genannt – ein heiliger Schrank, in dem die Steintafeln von Mosche Rabbenu und die erste Sefer Tora (Torarolle) lagen. Jede Synagoge hat noch heute einen „Aron hakodesch“, in dem die Torarollen aufbewahrt werden.

In der vorangegangenen Parscha (Abschnitt) hieß es, dass die Bnei Jisrael (die Juden) alle Gebote G’ttes annahmen (Ex./Schemot 24:3): „Mose kam zurück und erzählte dem Volk alle Worte G’ttes und alle Vorschriften. Da antwortete das ganze Volk einmütig und sprach: Alle Worte, die G’tt gesprochen hat, werden wir tun“.

 

Na’asse wenischma

„Alle Worte, die G’tt gesprochen hat, werden wir tun“ stellt eine völlige Hingabe an G’ttes Weisheit und Willen dar, wird aber von unseren Weisen mit vier Nuancen erklärt. Tatsächlich lautet der Hebräische Text „na’asse wenischma“ – wir werden tun und wir werden hören (oder verstehen):

– Nach Rabbi Schmu’el ben Meir (13. Jh., Frankreich) bedeutet dies: Wir werden alle bisherigen Gebote ausführen und auch auf alle kommenden Gebote und Verbote hören.

– Rabbi Jitzchak Arama (1420-1494, Spanien), Autor des enzyklopädischen Werks Pachad Jitzchak, erklärt es als einen Befehl, um die Dinge besser zu verstehen: Wir müssen die Gebote zuerst tun, bevor wir sie verstehen können (zum Beispiel finde ich es sehr schwierig zu erklären, wie ein Apfel schmeckt. Man muss ihn selbst probieren, um den Geschmack beurteilen zu können. Genauso muss man zum Beispiel erst den Schabbat halten, bevor man seinen Inhalt und Sinn verstehen kann).

– Rabbi Jehuda Arie Leib Alter (1847-1905) schreibt in seinem Werk Sefat Emmet, dass es um die Konkretisierung der Gebote G’ttes in der irdischen Praxis geht, durch die man die zugrundeliegenden abstrakten Feinheiten immer besser versteht.

– Laut dem Lubawitscher Rebbe (New York) muss man die Gebote und Verbote in Analogie zu unserem menschlichen Körper ausführen. Das müssen wir zuerst tun, und dann können wir hoffen, dass wir anfangen, die G’ttlichen Vorgänge zu verstehen. Die Analogie zum menschlichen Körper besteht darin, dass wir zuerst atmen, trinken und essen müssen, bevor wir genügend Kraft haben, um mit dem „Lernen“ zu beginnen. In ähnlicher Weise muss man die Gebote und Verbote zuerst tun, und später wird man beginnen, sie mehr und mehr zu verstehen.

Das Judentum ist eine Religion des Handelns und des Praktizierens. Wenn ich beschreiben soll, was ein gläubiger Jude ist, dann geht es nicht in erster Linie um Glauben und Philosophie, sondern darum, was dieser Mann oder diese Frau des Judentums in der Praxis verwirklicht.

 

© Oberrabbiner Raphael Evers