Seit 2018 ist Staatsrat Jan Pörksen (SPD) der Chef der Hamburger Senatskanzlei. Neben seiner politischen Tätigkeit engagiert sich Jan Pörksen bereits seit seiner Studentenzeit für interkulturelle Begegnungen. Ein Grund mehr, für Raawi News, ihn einmal zu der aktuellen Entwicklung des jüdischen Lebens in Hamburg zu befragen.
Raawi: Herr Staatsrat Pörksen, wie hat sich das jüdische Leben in Hamburg in den letzten Jahren Ihrem Eindruck nach entwickelt?
J.Pörksen: Nach meinem Eindruck ist es so, dass sich das jüdische Leben in Hamburg sehr schön entwickelt hat und einfach auch viel mehr in der Stadt wahrgenommen wird und erkennbar ist. Ich war inzwischen mehrfach zum Beispiel in der Joseph-Carlebach-Schule im Grindelhof. Gerade dort merkt man, dass es wirklich ein Teil des Stadtteils geworden ist und somit auch der Stadt. Auch sind wir als Stadt immer in engem Kontakt mit der jüdischen Gemeinde. Als wir vor einigen Monaten den Opfern von Hanau gemeinschaftlich gedacht haben, waren auch Vertreter der jüdischen Gemeinde mit dabei. Man bekommt das auch in der Stadt mit. Das finde ich, wir alle, sehr erfreulich. Auch Dinge wie die Erweiterung der Kindertagesstätte zeigt einfach, dass wir hier wieder mehr jüdisches Leben in Hamburg haben.
Raawi: Aber es gibt nicht nur erfreuliche Nachrichten. Man hört immer wieder von antisemitischen Übergriffen in ganz Deutschland. Haben Sie denn in Hamburg einen Anstieg des Antisemitismus in den letzten Jahren gemerkt?
J. Pörksen: Wir haben das natürlich gemerkt und auch verschiedene Fälle mitbekommen. Wir hatten hier die Spuckattacke auf den Landesrabbiner quasi vor dem Rathaus. Zudem haben wir auch Schilderung aus den Gemeinden gehört. Wir beobachten das sehr aufmerksam. Mein Eindruck ist, dass wir in Hamburg nach wie vor grundsätzlich ein sehr gutes Klima haben. Trotzdem haben wir festgestellt, dass es auch hier einen Anstieg des Antisemitismus gibt. Deswegen müssen wir sehr, sehr aufmerksam sein. Was wir auch sind.
Raawi: Was tun Sie, um dem Antisemitismus vorzubeugen?
J.Pörksen: Wir haben ja verschiedene Punkte. Das eine ist, dass wir im ganzen Präventionsbereich, sowohl in der frühkindlichen Bildung, bei Schule und sozialer Arbeit, insgesamt gegen Extremismus, aber vor allen Dingen auch Antisemitismus vorgehen, beziehungsweise ein Bewusstsein dafür schaffen wollen. Das machen wir auch im Bereich von Aus- und Fortbildung. Wir machen es auch im Bereich der Prävention und Beratungsangebote.
Wir haben im Januar diesen Jahres ein erstes Konzeptpapier für die Entwicklung einer Landesstrategie zur Bekämpfung und Prävention von Antisemitismus verabschiedet. Das beruhte auf einer Fachtagung, die wir im vergangenen Jahr gemacht haben und aus einem runden Tisch, der im Dezember letzten Jahres gegen Antisemitismus und zum Schutz jüdischen Lebens in Kooperation mit den jüdischen Gemeinden, mit Fachpraxis, mit Wissenschaft und auch der Zivilgesellschaft stattgefunden hat. Daraus ist dieser erste Ansatzpunkt zur Entwicklung einer Landesstrategie entstanden, die jetzt gemeinschaftlich weiterentwickelt werden soll.
Das ist, glaube ich, sehr gut, dass wir das gemeinsam machen. Wir haben dann beschlossen, dass wir einen Beauftragten für jüdisches Leben und zur Bekämpfung und Prävention von Antisemitismus in der Sozialbehörde einrichten. Da läuft gerade der Auswahlprozess – ebenfalls in Abstimmung mit den jüdischen Gemeinden. Und wir haben die Beratungsprojekte “Empower” und die Antidiskriminierungsstelle „Amira“, personell aufgestockt, um für das Thema Antisemitismus auch mehr Ressourcen zur Verfügung zu haben. Das sind, glaube ich, die wesentlichen Punkte, die wir im Moment bewegen.
Raawi: Gibt es schon einen Termin zum Baustart des Wiederaufbaus der Bornplatzsynagoge?
J.Pörksen: Das ist ja kein ganz einfaches Vorhaben in jeder Beziehung, weil wir dort Gebäude um den Gedenkort haben. Wir haben uns mit der jüdischen Gemeinde gemeinschaftlich verständigt, dass wir als erstes eine Machbarkeitsstudie machen wollen, um einen Eindruck zu bekommen, wie das alles funktionieren könnte. Wir haben die Gemeinde dabei sehr unterstützt für dieses Verfahren auch Geld aus dem BUND zu bekommen und sie in die Wege zu leiten. Gerade laufen dort die Ausschreibungsverfahren. Wenn wir dann genauer wissen wie das ganze Projekt aussehen soll und auch was es für die Finanzierung bedeutet, werden wir in der Lage zu sein, alles genau zu planen und uns auch Gedanken über einen Zeitpunkt machen. Aber als erstes benötigen wir die Machbarkeitsstudie.
Die Pläne zum Neubau der Bornplatzsynagoge, sowie über das aktuelle Geschehen in Hamburg, erfahren Sie bei Raawi News.
© Foto: Jan-Niklas Pries / Senatskanzlei Hamburg