Raawi liest: Maya Lasker – Wallfisch: Briefe nach Breslau

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Wieviel Leid kann ein Mensch ertragen? Die jüdische Musikerin Anita Lasker-Wallfisch hat genügend Leid ertragen – Diskriminierung, Haft, Vernichtungslager Auschwitz, Verlust fast aller Angehörigen. Als gefeierte Cellistin und Mitglied des Auschwitzer Orchesters überlebte sie die Konzentrationslager Auschwitz und Bergen Belsen. Ihr Leid reicht für mehrere Generationen. Auf jeden Fall hätte sie vieles zu berichten, mehr als die Zuhörer ertragen können, die von ihren schrecklichen Erlebnissen in Konzentrationslagern und ihrem Überleben als Mitglied des Häftlingsorchesters in Auschwitz hören.

 

Als Anita Lasker nach einer langen Reise über Breslau, die Lager Auschwitz und Bergen-Belsen sowie Brüssel 1946, als Holocaust- Überlebende nach London kam, interessierte sich niemand für ihre Geschichte. So lernte Anita über ihre Geschichte zu schweigen. Sie heiratete den Musiker Peter Wallfisch und bekam bald ihre Tochter Maya. Maya spürte instinktiv, dass etwas in der Familie nicht ausgesprochen wurde und begann zu rebellieren. „Briefe nach Breslau“ beschreibt ihre eigene Identitätsbildung, aber auch die Geschichte ihrer Mutter und deren Eltern. Die „Briefe nach Breslau“ sind Briefe, die Enkeltochter Maya an ihre im Holocaust ermordeten Großeltern schreibt, in denen sie ihre verkorkste Jugendzeit, den Weg der Mutter Anita sowie deren beiden Schwestern Marianne und Renate nachzeichnet. Dabei schildert sie schonungslos von ihrer stetigen Angst, Ungewissheit, sowie dem Gefühl nirgendwo Anerkennung finden zu können. Schon früh verliert sie den Halt und durchlebt als Jugendliche und junge Erwachsene turbulente Jahre, verweigert den Schulbesuch, rutscht in die Alkohol und Drogenszene ab, scheitert immer wieder in problematischen Beziehungen, ehe sie nach erfolgreichem Entzug in der Ehe mit einem religiösen Juden in seinem Glauben eine Heimat findet. Als Psychoanalytikerin macht sie sich daran die unterschiedlichsten Traumata aufzuarbeiten. Und das ziemlich erfolgreich.  „Briefe nach Breslau“ erzählt auf einer nicht belehrenden Weise vom Leben als Tochter einer Holocaust- Überlebenden und vom Trauma mehrerer Generationen. Ein Buch, das in keinem Bücherregal fehlen sollte. Raawi vergibt dafür 5 von 5 Sternen.

 

Maya Lasker-Wallfisch
Briefe nach Breslau – Meine Geschichte über drei Generationen

Erschienen: 18.05.2020 im Suhrkamp Verlag
Gebunden, 254 Seiten
ISBN: 978-3-458-17847-7