WaJeschew

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„Midda keneged midda“: Menschen werden in der gleichen Währung zurückgezahlt. Man wird mit seinem eigenen Verhalten belohnt oder bestraft. „Midda keneged midda“. Unfall oder Pech gibt es in der Thora nicht.

Dieses ist ein wichtiges und typisches religiöses Thema. Nur der Himmel kann es genau auf den Punkt bringen und so alles wieder ins Gleichgewicht versetzen.

Ja’akov fragte Lea nach der ersten Hochzeitsnacht, weshalb sie an der Personenverwechslung unter der Chuppa mitgewirkt hatte.

Da Ja’akov Betrug vermutete, hatte er Losungsworte mit Rachel für die Zeit ihrer Verschleierung vereinbart, also wo sie so verhüllt war, dass er sie nicht erkennen konnte.

Rachel sah jedoch, dass Lea für das Hochzeitsfest zurecht gemacht wurde, bekam mit ihr Mitleid und verriet ihr die Losungsworte.

Lea antwortete Ja’akov: „Ich habe das von Dir gelernt. Du hattest Dich als Esaw verkleidet und Dich so des Segens bemächtigt“. Pech gehabt oder schief gelaufen!

Die Brüder sandten Joseph’s mit Blut beschmierten bunten Rock zu Ja’akov. In der Aramäischen Übersetzung steht, dass dieser Rock durch die Kinder von Silpa und Bilha zu Ja’akov gelangte, da Joseph mit ihnen sehr befreundet war (Lea’s Kinder hassten ihn).

Um jeden Zweifel bei Ja’akov zu beseitigen, sandten sie den Rock mit Bilha’s und Silpa’s Söhne. Von ihnen würde Ja’akov es glauben, dass Joseph von wilden Tieren zerrissen wurde.

„Ja’akov erkannte das Kleidungsstück und sagte: „dieses ist der Rock meines Sohnes; ein wildes Tier hat ihn gefressen““ (31:33). Der Sohar (die mystische Lehre) erklärt, dass Ja’akov Awinu bestraft wurde, da G“tt es mit großen Tzadikim ganz genau nimmt.

Ja’akov hatte sich mit zwei Widderfellen wie Esaw verkleidet. Seine Kinder betrogen ihn mit Widderblut. Genau wie sein Vater Jitzchak enorm erschrak, als er die Personenverwechslung entdeckte (27:31), wurde auch Ja’akov mit einem enormen Schrecken bestraft. Jitzchak erschrak furchtbar: er sah, dass die Hölle sich unter Esaw öffnete. Er wurde sich dessen bewusst, dass er sich furchtbar in Esaw geirrt hatte, in dem er dreiundsechzig Jahre lang seine besten Kräfte investiert hatte.

Auch Ja’akov erschrak furchtbar, da er wusste, dass nur, wenn keiner seiner Kinder zu seinen Lebzeiten versterben würde, er kein Gehinom sein würde. Ja’akov wurde mit zweiundzwanzig Jahren Trennung von Joseph bestraft, da Ja’akov während zweiundzwanzig Jahren seine Eltern verlassen hatte. Obwohl Ja’akov im Auftrag seines Vaters und seiner Mutter weg gezogen war, und er durch Übermacht seinen Eltern keine Ehrerbietung darbringen konnte, ist das für Tzadikim in der Größenordnung von Ja’akov doch unverzeihlich.

Am meisten jedoch erstaunte mich das Thema „Midda keneged midda“, Man wird mit seinem eigenen Verhalten belohnt oder bestraft, Unfall oder Pech gibt es in der Thora nicht – im Geschehen um Tamar und Jehuda.

Die Brüder unter Führung von Jehuda sprachen zu Ja’akov „erkenne doch, ob dieses Kleidungsstück von Deinem Sohn ist oder nicht“ (37:32).

Etwas weiter –im Hauptteil 38 – wird Jehuda durch Tamar verführt. Als Pfand händigte er seinen Siegelring, die Schnüre (Tzizit) und den Stab aus. Tamar schien schwanger zu sein und wurde nach dem damals geltenden Recht zum Tode verurteilt, da sie der Prostitution verdächtigt wurde (nach der Sintflut, die unter anderem wegen Unzucht über die Menschheit gekommen war, wurde auf diesem Gebiet sehr streng vor gegangen). Sie sandte die Pfandstücke zu Jehuda mit den gleichen Worten: „erkenne sie doch!“

Aber Tamar wollte seine Gefühle schonen und vermied es, ihn zu beschämen. Sie überließ ihn die Entscheidung, ob er es eingestehen wollte. Jehuda wurde mit genau der gleichen Münze bezahlt. Und er gab es ehrlich zu. Aus dieser Beziehung entstammt Maschi’ach. Nur G“tt allein kann aus Dunkelheit Licht schöpfen.

 

 

In der Parscha geschehen viele Dinge, die schwer zu verstehen sind

In der Parscha Wajeschew geschehen viele Dinge, die unsere Aufmerksamkeit verdienen. Schauen wir sie uns alle an. Die Parscha enthält viele Lektionen für die Ewigkeit.

 

 I: Meinungsverschiedenheit zwischen Joseph und seinen Brüdern

„UND JOSEPH ERZÄHLTE IHREM VATER BÖSE GERÜCHTE ÜBER SIE“ (BERESCHIT/Gen. 37:2).

Eines der Punkte, über den Joseph bei seinem Vater das Verhalten seiner Brüder anprangerte, war die Tatsache, dass sie das Fleisch eines Tieres aßen, das noch lebte (ewer min hechai). Joseph sah sie das Fleisch eines Tieres essen, das nach der Schechita, der rituellen Schlachtung, noch zuckte. Laut dem Jüdischen Gesetz ist das erlaubt (der Halacha entsprechend ist das Tier nach der Schlachtung bereits tot), aber nach dem Gesetz der Noachiden ist dieses verboten. Noachiden dürfen das Fleisch eines Tieres erst essen, nachdem dieses vollkommen tot ist. Dieses bildete eine schwerwiegende Meinungsverschiedenheit zwischen Joseph und seinen Brüdern.

Waren sie vor Mattan Thora – der Thoragesetzesgebung im Jahre zweitausendvierhundertachtundvierzig vor der Zeitrechnung – schon Bnej Jisrael (Juden) oder doch noch Noachiden? Die Brüder meinten, dass sie bereits auf der Ebene der Bnej Jisrael NACH Mattan Thora seien. Joseph jedoch hielt ihnen entgegen, dass sie sich noch auf der Ebene der Noachiden befinden würden, die die Thoragesetze aus eigenen Stücken an nahmen, so dass sie mit Beschwerden von beiden Seiten rechnen müssten. Die Gültigkeit der Schlachtvorschriften war erst  nach Mattan Thora wirklich in Kraft getreten. Daher meinte Joseph, dass die Brüder mit dem Verzehr von Fleisch eines gerade geschlachteten Tieres hätten warten müssen, bis das Tier ganz still gelegen hätte und wirklich tot war, wie das für Noachiden vorgeschrieben war und ist. Dieses Missverständnis führte letztendlich zur Ägyptischen Golah (Verbannung).

 

II: Re’uwens Dilemma

„VERGIESSE KEIN BLUT, SCHMEISS IHN IN DIESES LOCH, STRECKE DEINE HÄNDE NICHT NACH IHM AUS, DENN ER HATTE DIE ABSICHT, IHN AUS IHRER HAND ZU RETTEN UND IHN SEINEM VATER ZURÜCK ZU BRINGEN“ (37:22). Die Brüder waren sehr eifersüchtig, da ihr Vater den Joseph bevorzugte. Außerdem hatte Joseph bekannt gegeben, dass er über sie herrschen würde. Daraufhin entschieden sie, ihn zu töten. Re’uwen versuchte, seine Brüder auf zu halten. Der Midrasch (Wajikra Rabba 34:8) kommentiert zudem: „Hätte Re’uwen geahnt, dass G“tt in der Thora über ihm schreiben würde, dass er die ernsthafte Absicht gehabt hatte, Joseph zu retten, dann hätte Re’uwen den Joseph auf seinen Schultern zu seinem Vater zurück getragen – anstatt an zu deuten, dass sie ihn in das Erdloch werfen sollten, aus dem er sich nicht eigenständig hätte befreien können. Merkwürdig! Dieser Midrasch lässt vermuten, dass Re’uwen nicht sehr seriös gewesen sein soll. Aber so einfach war es nicht.

Re’uwen, der als Erstgeborener die schwerste Verantwortung zu tragen hatte, wird von seinem Gewissen geplagt: „Waren meine Brüder bei ihrem Todesurteil für Joseph auch gerecht?“. Diese Frage muss ihn andauernd beschäftigt haben. Der Rokeach (dreizehntes Jahrhundert, Deutschland) deutet an, dass Re’uwen sich selber die Frage mit einem Argument beantwortet hatte, das später als rechtmäßig bezw. als gesetzmässig erklärt wurde: „Wenn ein Täter zum Tode verurteilt wird ohne dass es auch nur EINE entlastende Anhörung gibt, wird der Beschuldigte frei gelassen. Die Tatsache, dass nichts zu seinem Vorteil bezw. zu seiner Verteidigung gesagt werden konnte oder durfte, weist darauf hin, dass alle Richter befangen waren“.

Der Gaon von Wilna erklärt, dass wir oft Gutes tun möchten, aber nie wissen, ob wir richtig gehandelt haben oder nicht. Dieses war Re’uwens Dilemma. Die Brüder hatten entschieden, dass Joseph die Todesstrafe als ein „Rodejf-Angreifer“ verdient hatte. Sie meinten, dass Joseph sie lebensgefährlich bedrohte.

Obwohl er dem nicht zustimmen konnte, war Re’uwen sich nicht ganz sicher, ob er Recht hatte. Deshalb ließ er ihn nur in das Loch werfen. Hätte er verstanden, dass seine Entscheidung wirklich der Wille G“ttes gewesen sei, dann hätte er mit viel mehr Überzeugung gehandelt und er hätte Joseph auf seinen Schultern zu seinem Vater zurück gebracht. Re’uwen’s Problem ist ein allgemeines menschliches Dilemma: wir kennen den Effekt unseres Handelns nicht: der „Weg zur Hölle ist mit guten Absichten gepflastert“. Erst viele Jahre später kann man rückblickend beurteilen, ob eine bestimmte Wahl die richtige in unserem Leben gewesen war. Dieses ist jedoch leider ein tragischer Bestandteil der menschlichen Tragödie…

 

III: Wie benennen wir ein Held?

„JOSEPH WAR NUN VON SCHÖNER GESTALT UND VON SCHÖNEM AUSSEHEN“ (39:6).

Im Talmud wird Joseph der herausragende Tzaddik genannt. Der Tzaddik ist der jüdische Held. Wie benennen wir ein Held? In den Sprüchen der Väter (Pirkej Awot) steht: „Ben Soma sagt: Wer ist weise? Der, der von Anderen lernt. Wer ist ein Held? Der, der im Stande ist, sich zu bezwingen und zu beherrschen. Wer ist reich? Der, der mit dem, was er hat, glücklich ist. Wer erfährt Ehre und Anerkennung? Der, der andere Menschen ehrt und anerkennt“.

Wie sehen hier, dass das Judentum keine Heldenverehrung kennt, wie diese in manchen Kulturen erfolgte und erfolgt. Mit Kraft, Reichtum oder Intelligenz zu prahlen, ist nicht passend. Die Definition eines Heldes ist, sich selbst beherrschen zu können, seine Triebe und Lüste zu bezwingen und seine Bedürfnisse zu zügeln. Das Judentum kennt also keine Heldenverehrung, wie in den mittelalterlichen Ritterromanen oder wie in den griechischen Mythen und Sagen nachzulesen ist.

Unsere Helden sind Helden des Geistes. Es sind Menschen, die ihren irdischen Einschränkungen, den kleinen Interessen, den schwierigen Umständen, Eigenwahn oder Selbstverblendung entstiegen sind, sich von ihnen gelöst haben.

 

IV: Judentum ist mehr als nur „Hühnersuppe“

„ABER ER HINTERLIESS SEIN GEWAND IN IHRER HAND, FLÜCHTETE UND LIEF NACH DRAUSSEN“ (39:12). Als die Frau von Potiphar –Sulaika- Joseph erwischte, flüchtete er nach draußen. Sulaika behielt nur sein Gewand, sein Kleidungsstück, in ihren Händen. Die Aussage dieser Geschichte soll verdeutlichen: wenn wir versuchen, unsere Jugend mit allerlei „äußerlichen“ Verlockungen ins Judentum hinein zu ziehen, bleibt uns nur eine leere Hülse als Bezug zum Judentum übrig. Wenn der Inhalt uns entgleitet, sind wir vom Ziel weit entfernt. Es war die Mesirut Nefesch (Aufopferungsbereitschaft) von Joseph, die ihn sein Judentum behalten ließ. Ein Beispiel für uns: Judentum ist mehr als nur „Hühnersuppe“, a Jauch!

 

 

Warum haben wir so viele Mizwot bekommen?

Diese Woche lesen wir weiter über das Leben von Ja’akov, unserem dritten Patriarchen. Er wird Amud HaTora genannt, die Säule der Tora. Nach dem Auszug aus Ägypten erhielten wir als Volk die Tora. Die Tora beschreibt die beiden wichtigsten Tätigkeiten eines jüdischen Menschen: das Lernen der Tora und das Verrichten der Mizwot (Gebote). Auch in der Vergangenheit – bevor die Tora gegeben wurde – haben die Menschen gute und wohltätige Taten vollbracht. Was ist der Unterschied zwischen vor der Tora und nach der Tora? Mit anderen Worten: was ist der Unterschied einer guten Tat, die wir umgangssprachlich auch »Mizwe« nennen, und einer Mizwa, also einem Gebot der Tora?

Die 613 Mizwot der Tora wurden uns gegeben, sagen einige unserer Weisen, um G’tt näher zu kommen. Es gibt vielen Menschen eine innere Befriedigung, auf G’ttes Wegen zu wandeln. Obwohl das Wort Mizwa »Gebot« bedeutet, hat das Wort Mizwe im jüdischen Sprachgebrauch auch die Bedeutung von »guter Tat« oder »ein Vergnügen, ein Genuss«. So kann man hören, wie gesagt wird: ah, tu mir eine Mizwe und tu dies oder das. … Das bedeutet dann: tu mir einen Gefallen.

Eine zweite Meinung besagt, dass die Mizwot uns gegeben sind, um uns zu reinigen und zu läutern. Beide Bedeutungen – Gebot und gute Tat – passen zu dieser Erklärung. Denn ob wir einander einen Gefallen tun, weil es eine Mizwa (ein Gebot) ist oder nur eine nette Geste oder ein Akt spontaner Liebe aus einem Impuls der Zuneigung füreinander – beides reinigt uns und läutert unseren Charakter vom Egoismus und führt zur Nächstenliebe.

Es besteht jedoch ein großer Unterschied zwischen einem Gebot des Allmächtigen und einem spontanen Impuls, jemandem etwas Gutes zu tun. Wenn wir ein Gebot G’ttes erfüllen, sind wir in Kontakt mit dem Allmächtigen. Man kann dies mit einem Professor vergleichen, der einen Studenten bittet, etwas für ihn zu tun. Sobald der Student tut, was der Professor will, entsteht ein Band zwischen dem Auftraggeber und dem Ausführenden. Durch diese Verbindung wachsen wir über uns hinaus und erreichen eine höhere Ebene.

ABSICHT Wenn wir aus eigenem Antrieb etwas Gutes tun, schafft das nicht automatisch eine Verbindung zwischen Haschem und dem Menschen. Und es ist diese Nähe, die wir suchen. Dies bedeutet, dass die Kawana (Absicht) in unseren Handlungen wesentlich ist. Wenn wir etwas Gutes tun, weil unser gutes Gefühl oder unser Gewissen uns dazu auffordert, schafft das eine Bindung auf zwischenmenschlicher Ebene. Das Judentum möchte, dass aus unserem guten Verhalten eine dritte Dimension entsteht: die Verbindung mit dem Schöpfer des Himmels und der Erde.

Es ist ein Segen, dass ein physischer Mensch so hoch hinaus kann, dass er durch einfache materielle Taten der Menschlichkeit in Kontakt mit G’tt kommen kann –das Höchste, was ein Mensch in seinem Leben erreichen kann. Der Kontakt mit dem G’ttlichen in der Welt ist zum Greifen nah. Es geht um die gute Absicht mit der guten Tat. Es entsteht eine dreidimensionale Verbindung.: G’tt – ich – meine Mitmenschen. Was könnte ich mir mehr wünschen?

Wir Juden sind eine ethnische Gemeinschaft – vielleicht das hartnäckigste Volk der Welt. Es ist immer gelungen, unsere Identität zu bewahren, trotz vieler Probleme der Diaspora: Zerstreuung in alle Welt, Assimilation und Antisemitismus. Warum ist das so? Wir haben immer an unserem Glauben festgehalten. Wir haben immer versucht, nach den jüdischen Geboten zu leben und gute Taten zu tun.

HINTERGRÜNDE Für Mizwot und gute Taten gibt es vier Hintergründe: Erstens: Es gibt nur einen G’tt. Ohne die Absicht, G’tt zu dienen, gibt es eine Gemeinschaft, aber keine Glaubensgemeinschaft. Zweitens: G’tt schloss am Berg Sinai einen Bund mit dem gesamten jüdischen Volk mit vielen Rechten und vor allem Pflichten. Auch gute Taten sind verpflichtend. Sie fallen unter die Pflicht des Chessed (Nächstenliebe).

Drittens: Das Fundament dieses Bundes besteht aus 613 Mizwot. Diese 613 Vorschriften regeln das gesamte Jüdische Leben, von der Wiege bis zur Bahre. Viertens: Mit dieser Tora und ihren Vorschriften in den Händen glauben wir an das Kommen eines Maschiachs, der die Herrschaft der Tora und der Mizwot über die ganze Welt verbreiten und den Weltfrieden bringen wird.

Wie praktizieren wir Mizwot und guten Taten? Am Berg Sinai sagten wir zu G’tt »Na’ase venischma – wir werden erst tun und dann verstehen«. Der hebräische Ausdruck »Na’ase wenischma« ist eigentlich die umgekehrte Reihenfolge, besonders für Menschen, die gewohnt sind, unabhängig zu denken. Wie kann man Dinge erst tun und dann verstehen – also tun, ohne zu wissen, was man tut?

Ich hatte anfangs auch große Schwierigkeiten damit, aber es steckt eine wichtige religiöse und pädagogische Wahrheit dahinter. Die Erziehung eines Kindes kann nicht warten, bis man den Grund für das, was man lehrt, erklären kann. Dies kann erst viel später geschehen, wenn das Kind geistig reif genug ist. Man kann mit der Gabe von Obst und Gemüse nicht warten, bis das Kind den Nutzen von Mineralien und Vitaminen erkennen kann. Das Verstehen erfolgt über das Handeln.

PRAXIS Nach jüdischer Auffassung muss man die Einhaltung der Gebote üben; der Einfluss der Einhaltung von Geboten und Ritualen auf unsere Gedanken und Einstellungen darf nicht unterschätzt werden.

Außerdem wird uns reichlich erlaubt und sogar befohlen, die Absichten hinter den Geboten zu studieren. Einige sind eindeutig, zum Beispiel das Verbot des Stehlens. Bei anderen hat man mehr oder weniger begründete Ahnungen, wie das Gebot, das Land in Eretz Israel im siebten Jahr brach liegen zu lassen. In anderen Fällen ist der Sinn unverständlich, zum Beispiel im Gesetz über die rote Kuh (4. Buch Mose 19,2–20).

Das Judentum ist ein To-Do-G’ttesdienst. Die Leute fragen sich nicht, was man glaubt, sondern was man tut. Indem du das tust, gehörst du dazu: Du bewahrst die Tradition, du tust G’ttes Willen, du wirst ein Glied in der Kette der Generationen bis zur Zeit des Maschiach.

 

JEHUDA UND TAMAR

Jeder macht schon mal einen Fehler. Aber wie löst Du das Problem? Durch leugnen, zugestehen, böse werden? Es gibt viele Strategien, um in der Vergangenheit begangene Fehler aus der Welt zu schaffen. Aber mit aufrichtiger Teschuwa (sich innerlich sammeln) kommst Du am Weitesten, laut dem amerikanischen Rabbiner Bulka.

Der große Kabbalist Rabbi Chaim Vital lenkt unsere Aufmerksamkeit auf die Eröffnungsworte des Hauptteils achtunddreißig, in dem die Episode von Jehuda und Tamar zur Sprache kommen. Das erste Wort lautet Wajehi – und es war, was im Talmud eindeutig als Bezeichnung von Elend und Tzores (Sorgen) gesehen wird: Waj Hi, es war unerträglich und schmerzhaft. Jehuda verkauft seinen Bruder Josejf und gerät in den Strudel einer abwärts gerichteten spirituellen Spirale.

 

Jehuda wird abberufen

Seine Brüder werfen ihm den Verkauf vor und „setzen ihn ab“, entheben ihn also aus seiner bisherigen Position innerhalb der Familie. Jehuda verlässt seinen Vater, vernachlässigt die Ehrerbietung an seine Eltern und lässt sich bei Adulam nieder, heiratet eine kanaanitische Frau und bekommt Söhne, Ejr und Onan, die aufgrund ihres verwerflichen sexuellen Verhaltens sterben. Jehuda verweigert seiner Schwiegertochter Tamar die Schwagerehe mit Schela.

Daraufhin verkleidet sich Tamar als eine Frau von leichten Sitten, setzt sich an eine Kreuzung und verführt Jehuda. Dieser Vorgang erzeugt zwei Kinder bei ihr, Peretz und Serach. Eine erschütternde Entwickelung von geistigem Verfall (obwohl der Maschiach aus Peretz hervor geht).

Als seine Brüder sahen, welchen Verdruss ihr Vater Ja’akov durchstehen musste, entzogen sie Jehuda seine Leitungsposition innerhalb der Familie. Ejr und Onan sterben ziemlich schnell nach ihrer Hochzeit mit Tamar, da sie nicht wollten, dass Tamar schwanger werden sollte. Dieses würde ihre Schönheit mindern. Jehuda’s dritter Sohn, Schela, wird der Tamar versprochen, aber Schela ist noch jung. Jehuda bangt auch für Schela’s Leben bei dieser Frau, deren Ehemänner auf so mysteriöse Weise ihr Ende fanden.

 

Tamar verführt Jehuda

Tamar entscheidet, sich verführerisch an zu ziehen, macht Jehuda schöne Augen und wird von ihm schwanger. Jehuda hatte wohl einige Sachen bei Tamar zurück gelassen, unter anderem seinen Stab, als Pfand, da er Geld holen ging. Aber als sein Mitarbeiter zurück kam, hatte Tamar sich schon längst wieder umgezogen. Weit und breit war keine Dame der leichten Sitten zu sehen, als Jehuda’s Mitarbeiter kam, um dessen Stab und weitere Gegenstände gegen Geld ein zu tauschen.

Wenn er später berichtet bekommt, dass Tamar schwanger sei, wird der Gerichtshof böse. Man erteilt den Auftrag, sie zu ergreifen und man will sie verbrennen lassen. Tamar möchte Jehuda nicht öffentlich bloß stellen. Anstatt dieser Möglichkeit, sendet sie ihn eine verschlüsselte Mitteilung: der Eigentümer dieses Stabes und der weiteren Gegenstände ist der Vater meines Kindes. Als Jehuda den Stab und die Gegenstände sah, erkannte er sie natürlich sofort.

 

Ein schwieriges Dilemma oder in einer Zwickmühle

Nun befand er sich in einer schwierigen Zwickmühle. Entweder er musste so vorgehen, als ob ihn das nicht berühren würde und die Exekution weiter führen. Tamar würde ermordet werden, ihr Geheimnis ins Grab mit nehmen und niemand würde jemals erfahren, wie es sich alles wirklich zugetragen hatte. Aber das tat er nicht.

Anstatt dessen, bekannte er ritterlich und öffentlich, dass er der Vater des Kindes sei. Noch besser, er sagt: „Sie ist aufrichtiger und ehrlicher als ich“ (38:26).

Da er alles dieses öffentlich zu gab, mit allen entsprechenden Folgen, verdiente er die Königherrschaft und wir werden nach ihm genannt: Jehudim oder auch Juden, trotz allem.

 

Moralische Korruption

Ist so eine große Belohnung wohl in einer Situation angebracht, die, auf den ersten Blick betrachtet, überhaupt nicht so bewundernswert ist? Die Antwort liegt in unserer Ansicht zu Macht. Die Meinung, dass Macht „den Charakter verdirbt“, bezieht sich nicht so sehr auf materielle Korruption. Wichtiger ist die moralische Korruption. Die schlimmste Art von Korruption ist die Macht selber, der Gedanke, dass Macht alles rechtfertigt, dass wenn man einmal an der Macht ist, man keine Fehler mehr begehen kann. Diese Art von moralischer Korruption hat einen verheerenden Effekt. Jehuda hatte genug Macht, um Tamar zu töten, ohne dass viele Fragen gestellt würden. Tamar beachtete seine Position und war bereit, hier zu zu stimmen. Jehuda löste die Situation so auf, wie es ein wahrhaftiger Herrscher zu tun hat: er gab seinen Fehler zu und akzeptierte die Konsequenzen.

 

Die Größe und die Fähigkeit, um zu zu geben

Die Kunst, die Fähigkeit, Fehler zu zu geben, ist in jeder Machtposition besonders ausschlaggebend, wie zum Beispiel als Lehrerin oder Lehrer, als Elternteil, als Minister oder als Präsident. Wir tragen Jehuda’s Name, um uns selbst daran erinnern zu helfen, dass wir, wenn wir selbst über Macht verfügen, Mensch bleiben und Fehler machen können.  Und wenn Fehler gemacht wurden, man diese zu gibt und es in Ordnung bringt. Und doch ist dieses der Stammbaum von Maschiach.

Der christliche Messias wurde unbefleckt empfangen. Aber der Jüdische Maschi’ach hat eine ganz andere Geschichte: die Wege G“ttes sind unergründbar.

Das Exil des Jüdischen Volkes hatte mit dem Verkauf von Josejf nach Ägypten begonnen. Aber bevor die Goles, also die Verschleppung in die Verbannung, beginnen sollte, wollte G“tt das Licht der Befreiung erschaffen. Jehuda und Tamar bekamen Peretz, den Vorfahren der Davidschen Dynastie. Da würde der Maschi’ach letztendlich daraus hervor gehen.

Die Vorgeschichte der Davidschen Dynastie ist nicht gerade ehrvoll. Das Zusammenfinden von Jehuda und Tamar hat den Schönheitspreis nicht verdient. König David stammte von der Moabitischen Ruth ab. König Salomon wird von Batscheva geboren. Aufgrund ihrer niederen Abstammung regierten die Jüdischen Könige in Bescheidenheit und im Bewusstsein als Untertanen von HaShem.

Die Geschichte von Maschi’ach ist schwer zu verstehen. Aber dieses sind die Wege G“ttes.  Es scheint Finsternis zu sein. Aber nur G“tt allein kann aus Finsternis Licht schaffen.

 

Was ereignete sich zwischen den Brüdern und Josejf?

Josejf war in Panik. Er flehte zu seinen Brüdern um sein Leben, aber sie hörten ihm nicht zu. Sie rissen ihm seinen seidenen Zierrock weg. Schimon warf Josejf in das Erdloch und wies seine Brüder an, Steine nach ihm zu werfen, um ihn zu töten. Das Erdloch war voller Schlangen und Skorpione. G“tt beschützte jedoch Josejf. Der Aufenthalt im Erdloch war schrecklich. Josejf wusste nicht, was ihn erwarten würde, was sein Schicksal sein könnte. Er versuchte, sich die Thora, die er von seinem Vater gelernt hatte, in Erinnerung zu rufen, aber er war so schockiert, dass er einen Black Out hatte. Er musste fürchterlich weinen, aber die Brüder hörten nicht einmal hin. Sie begannen zu essen, da sie heilig davon überzeugt waren, dass sie im Recht seien. Josejf musste bestraft werden. Ruben nahm nicht an der Malzeit teil, da er durchgehend fastete. Auf diese Weise wollte er für die Einmischung in das Eheleben seines Vaters Teschuwa ableisten.

 

Josejf wird verkauft

Plötzlich erschien da eine Karavane mit Ischmaeliten. Obwohl die Araber normaler weise Kerosin (damals als Mittel für Beleuchtung, also für Licht verwendet) beförderten, hatten sie heute herrliche Speisen dabei. G“tt hatte das so geregelt, dass Josejf, der Tzaddik, nicht unter dem schlechten Geruch leiden sollte. Jehuda machte seinen Brüdern den Vorschlag, dass sie Josejf nicht töten sollten. Sie würden dann ja seinen Tod verbergen müssen. Wenn er jedoch verkauft werden sollte, könnten sie ihn ohne Blutvergießen los werden. Wenn jemand stirbt, ist es nicht mehr möglich, zu sehen, welche Strafe der Sünder erhalten würde. Wenn Josejf jedoch am Leben blieb, würden sie sehen können, wie er seiner rechtmäßigen Strafe entgegen ginge. „Wir sollten ihn an die Ischmaeliten verkaufen“. Jehuda fing langsam an ein zu sehen, dass Josejf total unschuldig sei und dieses alles nicht verdiente. Eigentlich hätte er ihn sofort zurück bringen sollen, aber das brachte er nicht übers Herz. Die Brüder verkauften Josejf an die Ischmaeliten.

 

Die Brüder nach dem Verkauf

Nachdem Josejf verkauft worden war, funktionierte der Hass gegenüber Josejf nicht mehr. Die prophetische Vorhersage des Bundes zwischen den Bereichen, die G“tt mit Avraham geschlossen hatte, war in Gang gesetzt worden. Das Ägyptische Exil, die Verbannung und die Sklaverei, standen bevor.

 

Die Brüder befürchteten, dass EINER von Ihnen ihrem Vater Ja’akov die Wahrheit erzählen würde.

Sie schworen sich gegenseitig, dass Ja’akov nie vom Verkauf erfahren würde. Die Brüder fürchteten den Fluch von Ja’akov. Der Fluch eines Talmid Chacham geht immer in Erfüllung. Wenn sie es nicht schaffen würden, es zu retten, würde es niemand mehr geben, um die Wahrheit G“ttes den Menschen bekannt zu machen. Ruben war beim Verkauf nicht anwesend. Die Brüder beschlossen dann, dass G“tt Selber der Zehnte sein würde, und hofften, dass ER mit ihnen einverstanden sei. Nachts kam Ruben zurück. Er wollte Josejf aus dem Erdloch befreien. Aber leider! Es befand sich niemand mehr im Erdloch. Leider…

Verzweifelt schrie er, dass sein Vater ihn verdächtigen würde, dass er Josejf aus Eifersucht umgebracht hätte, da das Erstgeborenenrecht auf Josejf übertragen worden war. Er hoffte, seine Sünde wieder gut machen zu können, indem er Josejf zurück bringen würde. Dieses hatte jedoch nicht sein sollen.

Zweiundzwanzig lange Jahre

Ja’akov trauerte zweiundzwanzig Jahre lang, bis er Josejf wieder sah. Jeder stand wie eine Mauer um ihn herum, um ihn zu trösten. Aber Ja’akov blieb enorm niedergeschlagen. Er machte sich selber große Vorwürfe, dass er Josejf ohne Begleitung nach Schechem gesandt hatte. Er begriff, dass dieses eine Strafe für die Tatsache sei, dass er seinen Vater Jitzchak furchtbar erschreckt hatte, als Esav sofort nachdem Ja’akov weggegangen war, ins Zelt gekommen war und um eine Beracha (einen Segen) bat.

Ja’akov war untröstlich, da er fühlte, dass er seinen Anteil in der Zukünftigen Welt verlieren würde, wenn er es nicht schaffen würde, zwölf Stämme zu bilden. Wenn auch nur einer fehlen sollte, wäre es keine Rede mehr von zwölf Stämmen. Er warf sich selber vor, vier Schwestern geheiratet zu haben.

 

Unmöglich, jemandem für die Lebenden zu trösten

Ja’akov blieb in seinem Verdruss, da man nicht für die Lebenden getröstet werden kann. Josejf war nicht gestorben. Die Anwesenheit G“ttes war nicht mehr bei Ja’akov. Die Schechina konnte er nicht mehr befragen. Sein Vater Jitzchak tat so, als ob er nichts wüsste. G“tt wollte sich Ja’akov nicht offenbaren. Deshalb fand es Jitzchak auch nicht notwendig, Ja’akov die Wahrheit zu erzählen. Er teilte Ja’akovs Trauer.

Ja’akov war zweiundzwanzig Jahre von Zuhause fort gewesen. Zweiundzwanzig Jahre hatte er seinen Eltern keine Ehre erwiesen, deshalb musste er nun Josejf zweiundzwanzig Jahre vermissen. Ja’akov versuchte, auf übernatürlichem Weg zu erfahren, ob Josejf noch lebte. Es sah so aus, als ob allerhand Anzeichen daraufhin deuteten, dass Josejf noch lebte, aber Gewissheit konnte Ja’akov nicht erhaten…

 

Ein Prophet darf seine Prophetie nicht unterdrücken

„Jossef hatte einen Traum, den erzählte er seinen Brüdern und diese hassten ihn noch mehr“ (Gen. 37:5).

Die Brüder hassten Jossef bereits deswegen, da er ihr „schlechtes Benehmen“ Vater Ja’akov verraten hatte. Jossejf hatte hierbei lautere Absichten. Er hoffte, dass Ja’akov die kleinen Unwegsamkeiten der Brüder mit ihnen besprechen würde, so dass sie geistig werden wachsen können. Normalerweise sollte man das zuerst mit der betreffenden Person besprechen.

Anscheinend fühlte Jossejf sich hierzu nicht befugt, in Anbetracht seines jugendlichen Alters. Vielleicht ist das der Grund, weshalb die Thora sein Alter so explizit benennt.


Noch mehr Hass

Die Träume fügten den Hass hinzu. Weshalb? Zuerst glaubten die Brüder noch, dass Jossejf es in der Tat aufrichtig meinte, selber tatsächlich besser sei als sie  und in der Tat sich auf einer höheren geistigen Ebene befand, als sie – obwohl er jünger war. Es irritierte sie schon, dass sie in den Augen von Ja’akov nicht so gut davon kamen, aber es war noch irgendwie zu billigen, wenn Jossejf perfekter als sie war.


Ein Fantast mit einem Größenwahnsinn

Als er aber damit anfing, zu erzählen, was er geträumt hatte, waren sie der Ansicht, dass er nicht nur sich selbst, sondern auch sie zum Narren hielt: ein Fantast mit Größenwahnsinn! Sie hassten ihn jetzt erst recht, da Jossejf den Eindruck erweckte – ohne irgendwelchen Bezug zur Wirklichkeit – dass er sich oberhalb von denen angesiedelt empfand.

 

ein Wenig bespotten

Im Schulchan Aruch (Jüdischer Kodex, IV:228 Anfang) steht, dass jemand, der sich selbst zum Narren hält, im privaten Bereich ein Wenig bespottet werden darf. Wenn jemand von sich selbst meint, er sei ein grosser Tzaddik (Heiliger) – während dieses absoluter Unsinn ist – darf man ihn/sie dazu persönlich ansprechen, seine/ihre Angeberei anprangern und ein Bisschen belächeln. Obwohl das für den/die eingebildete(n) Narr/Närrin äußerst peinlich oder unangenehm sein kann, ist das jedoch notwendig – es sollte vorsichtig angegangen werden, ohne die Person verbal zu verletzen und ohne „unnötiges Gerede“ oder „ungebührliches verbales Verhalten“.


Die Brüder heuchelten keine unaufrichtige Sympathie vor

Jemandem den Siegel vorhalten, kann manchmal sehr heilsam wirken, auch oder gerade bei der entsprechenden Person selbst. Man sollte hierbei nur unbedingt die Absicht haben, dem Mann oder der Frau, der oder die sich in seinem/ihren Hochmut verrannt hat, zu helfen, damit er/sie den (psycho-religiösen) richtigen Weg wieder findet.

Obwohl das für die Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit der Brüder spricht, dass sie ihn nicht mehr ansprechen konnten – sie heuchelten keine Sympathie vor, ohne dieses auch so zu meinen – hätten sie – indem sie glaubten, dass er zu Unrecht hochmütig wäre – dieses mit ihm besprechen sollen.

Etwas zu fröhlich oder zu begeistert

Noch ein anderer Grund für den zusätzlichen Hass auf Jossejf war der Umstand, dass er – so der Meschech Chochma (neunzehntes Jahrhundert) – etwas zu euphorisch über den Traum seiner künftigen Herrschaft war. Er erweckte bei seinen Brüdern den Eindruck, dass er es ganz offensichtlich genoss, dass sie für eine so erhabene Position nicht ausgewählt wurden. Freude über die Rücksetzung eines Anderen ist schlecht. Wird einem Größe angeboten, sollte man G“tt für diese zusätzliche Möglichkeit, noch mehr Gutes tun zu können, danken. Wenn man jedoch nur über die Tatsache erfreut ist, dass Andere diese Position oder Gelegenheit nicht erhalten haben, wird dieses nicht gut geheißen.


Eine Offenbarung von Oben

Ein Prophet darf seine Prophetie nicht unterdrücken und für sich selbst behalten. Obwohl Jossejf wusste, dass er ein großes Risiko mit der Erzählung seiner Träume an seine Brüder einging, tat er das doch und auch noch Leschejm Schamajim (um G’tt zu gehorchen). Die Ehrlichkeit seiner Absichten geht auch aus der Tatsache hervor, dass er auch seinem Vater erzählte, dass dieser sich eines Tages vor ihm verbeugen würde.

 

gegen Ehrfurcht vor Vater

Obwohl dieses vollkommen gegen Kibbud Aw Wa’ejm – Ehrfurcht vor Vater und Mutter – verstößt, -fühlte sich Jossejf – als Prophet – doch genötigt, diese Botschaft aus dem Himmel in geschlossenem Kreis zu erzählen, und sei es nur schon deswegen, da man es von Oben anscheinend notwendig empfand, dieses schon jetzt – bevor es zur Wirklichkeit wurde – der Familie von Ja’akov mit zu teilen.Ohne diesen zusätzlichen Hass wäre man in Ägypten nie zu recht gekommen, wäre der Bund zwischen den Stücken (Brit bejn Habetarim) nie zu Stande gekommen und wir hätten die Thora (vielleicht) nie erhalten.

 

Der Traumkönig: Jossef wurde wegen seiner Träume gehasst

Ja’akov liebte Jossef, da er ihm ähnelte, so Raschi (elftes Jahrhundert). Nur äußerliche Ähnlichkeit ist bei geistigen Riesen, wie Ja’akov, kein Grund zu Liebe. Die geistige Größe Jossejfs wird von seiner körperlichen Ausstrahlung widerspiegelt. Ein Tzaddik (Heiliger) wie Ja’akov kann die „Seelengröße“ anderer empfinden, fest stellen.

 

Vollständige Selbstbeherrschung

Ja’akov erkannte die vollständige Selbstbeherrschung Jossejfs. Das ist der Anfang von Kedduscha – eines Lebens, höheren Zielen gewidmet. Der Kommentator Ba’al Haturim besagt, dass das das Wort „Sekunim“ von der Bezeichnung „Ben Sekunim, Sohn in seinem Lebensabend“ – laut der Thora die Begründung, weshalb Ja’akov Jossejf so liebte – die Anfangsbuchstaben von fünf der sechs Bereiche der Mischna, der Mündlichen Lehre, bildet:

 

  • Das S steht für Sera’jim, das von den Vorgaben der Landwirtschaft handelt.
  • Das „K“ steht für Kodschijem, das über Opferungen erläutert.
  • Das „N“ ist der Anfangsbuchstaben von Naschijem, das das Ehe-, Ehevermögens – und Ehescheidungsrecht regelt.
  • Das Jud steht für „Jeschu’ot“, das sich auf das Zivilrecht bezieht en
  • Das „M“ ist der Anfangsbuchstabe von Mo’ejd, das die Fest-/Feiertage beinhaltet.

 

Die Reinheit musste Jossejf selber in die Tat umsetzen

In dieser Reihenfolge fehlt jedoch EIN Bestandteil: die Taharot, die die Reinlichkeitsvorgaben besprechen. Die ersten fünf Bereiche der Mischna erhielt Jossejf durch Überlieferung von seinem Vater, ohne dass er hieran viel Eigenes hinzu zu fügen und Chidusch (eigenes Neues) ein zu bringen brauchte.

 

Hausaufgaben und häusliche Herausforderung: sich in geistiger Säuberlichkeit spezialisieren

Aber Taharot, die die spirituelle Reinheit und geistige Säuberlichkeit fördern sollte, war für ihn ein „häuslicher Wettkampf“, also eine Aufgabe, die es zu meistern und zu lösen galt. Jossejf spezialisierte sich darin. Er perfektionierte seine Zuneigung zu G“tt und arbeitete durchgehend an der Lauterkeit der Absichten. Er glaubte, in seinem siebzehnten Lebensjahr darin bereits eine bestimmte Ebene erreicht zu haben. Deshalb „brachte er sein Haar in Ordnung und strich sich über seine Augen, um schön oder anziehend aus zu sehen“. Er war kein Snob oder Ausgeflippter, wie die meisten Pubertierenden heutzutage, die Stunden vor dem Spiegel verbringen, um sich zu stylen. Er wollte geprüft werden, um fest zu stellen, ob seine geistigen Verwurzelungen gegen die Verführungen Stand halten würden.

 

Bringe Dich selber nie in Bedrängnis, auch nicht, um Deine Geisteskraft zu testen

Als Sohn der hübschen Rachejl wusste er, dass er gerade auf dem Bereich der Sexualität die benötigten Herausforderungen würde überstehen müssen. G“tt bestrafte Jossejf hierfür, da der Mensch – wie hoch er auch aufgestiegen sein möge – sich selber nie der Verführung hin begeben sollte. G“tt prüfte ihn mit der Sulaika, der Frau von Potifar. Jossejf verstand damals, dass der einzige Weg die Flucht war. Leider ist das oft der einzige Weg, der Jeetzer Hara, der irdischen materialistischen Zuneigung, zu entkommen. So schnell wie möglich „den Bereich verlassen“, wenn eine Awera (eine Verfehlung) droht.

 

Gewohnheitsbedürftige Eigenheiten und minimale Charakterfehler

Jossejf wird im Talmud konsequent Jossejf der Tzaddik genannt. Für den oberflächlichen Leser kommt er in einem übersetzten Thoratext doch nicht so ungeschoren davon. Das ist gerade die Kraft der Thora. Unsere größten geistigen Vorbilder und Lenker werden – wie erhaben ihre Ebene auch sein mag – mit ihren gewohnheitsbedürftigen Eigenheiten oder minimalen Charakterfehlern beschrieben. Gerade hohe Bäume fangen viel Wind. Gerade die größten Geister werden namentlich unter die Lupe genommen.

 

Der Wahrheitsgehalt der Thora

Unsere Tzaddikim werden durch die Thora nicht nur in den Himmel gehoben, wie das in anderen Schriftbeiträgen schon mal erfolgt. Dieses ist eine starke Bestätigung für den Wahrheitsinhalt der Thora. Gerade, da die Thora nicht von Menschen geschrieben wurde, ist es möglich, auch die (geringsten) Schwächen der allergrößten Anführer an den Pranger zu stellen.

 

Die Aufgabe des Hinweises

Es geht nämlich nicht um die Tzaddikim selber, sondern um ihre „Hinweisaufgabe“ zum Allerhöchsten. Mit G“tt verglichen, ist tatsächlich niemand unfehlbar. Kein wahrer Tzaddik würde darauf Wert legen, zu hören, dass er immer und überall gleich gewaltig, also ganz besonders, sei.

Die wirklich Frommen kennen ihre persönlichen Schwächen. Diejenigen, die G“tt am nächsten stehen, werden am intensivsten überprüft, getestet und beurteilt. Manchmal werden sie dabei – in unterschiedlichen Bereichen – schon mal als zu leicht beurteilt. Da die Thora kein Erzeugnis von Menschen ist, kann das einfach beschrieben werden, ohne der Wahrheit des Judentums Schaden zu zufügen.

 

KENNT DAS JUDENTUM HELDENVEREHRUNG?

„Jossef hatte nun mal eine schöne Gestalt und ein schönes Äußeres“ (Gen. 39:6) Im Talmud wird Jossejf als der herausragende Tzaddik bezeichnet. Der Tzaddik ist der Jüdische Held. Wie definieren wie ein Held? In den Sprüchen der Väter (Pirkej Awot) steht: „Ben Soma spricht: Wer ist weise? Der, der von anderen lernt. Wer ist ein Held? Der, der im Stande ist, sich zurückzunehmen und sich zu beherrschen. Wer ist reich? Der, der sich mit dem, was er hat, freut. Wer erhält Ehre und Bewunderung? Der, der anderen Menschen ehrt und bewundert“.

  • Wir sehen hier, dass das Judentum keine Heldenverehrung kennt, wie diese in manchen Kulturen üblich war und ist. Über Kraft, Reichtum oder Intelligenz zu prahlen, anzugeben, ist nicht angebracht. Die Definition eines Helden ist jemand, der im Stande ist, sich selbst zu beherrschen, seine Gelüste und Leidenschaften zu zügeln und seine Sehnsüchte in den Griff zu haben. Das Judentum kennt also keine Heldenverehrung, wie diese in den Ritterromanen des Mittelalters oder wie sie in den griechischen Mythen und Sagen zu finden sind. Unsere Helden sind Helden des Geistes. Menschen, die über ihre irdischen Einschränkungen, über kleine Interessen, über schwierige Gegebenheiten, über Selbstverliebtheit oder Selbsteinbildung hinausgewachsen sind.
  • Unsere Helden sind keine Filmstars und Pop-Idole, da diese oft nur eine oberflächliche Ausstrahlung haben und manchmal überhaupt keine Vorbilder für unser tägliches Verhalten sind. Unsere Helden sind die „Kraftsäulen des Geistes“, die ein großes Wissen des G“ttlichen in der Welt mit einer sehr die Menschen liebende und „gebende“ Gesinnung verknüpfen. Du bist dann erst ein guter Jude, wenn Du lieber gibst als nimmst und jedem in Deiner Umwelt Teil nehmen lässt an Deinen Kenntnissen, an Deinen Gaben, an Deinen guten Eigenschaften oder Eigentümern.
  • Die Jüdischen Helden haben sich immer gegen die Vergötterung von Dingen und Denkbildern gewandt. Viele Menschen sind davon überzeugt, dass Götzendienst heutzutage nur noch bei primitiven Völkern stattfindet. Niemand weiß, dass Götzendienst eigentlich viel näher in unserer eigenen Umwelt zu finden ist. Das gegenwärtige Heidentum ist die Vergötterung von alldem, was wichtig ist – der Verstand – und das direkt ergreifbare, die Materie. Moderne Menschen bestreiten oft jede Art von G“ttlichkeit – eine Macht oberhalb des Menschen – und sind der Ansicht, dass es nichts außerhalb des wahrnehmbaren         Universums, der sichtbaren Welt, gäbe.

Die Materie der Welt erhält einen absoluten Wert und eine eigene Existenz im modernen Denken. Diese Menschen bezeichnen sich als Atheisten oder Materialisten. Im Grunde genommen befanden sich die früheren heidnischen Völker auf einer höheren Ebene, da sie zumindest noch an einer G“ttlichen Macht glaubten oder an einen Schöpfer von Himmel und Erde.

 

  • „Wie würde ich dann dieses große Böse tun und gegen G“tt sündigen? (39:10).

Aber auf wem sollten wir uns dann für ein Beispiel oder Vorbild wenden, wie wir unsere Persönlichkeit entfalten sollen?

  • Im Grunde genommen soll der Mensch sich vollkommen mit G“tt identifizieren. Das geht übrigens nicht so einfach. Wir werden betrachtet, G“tt durchgehend zu imitieren und uns mit Ihm zu vereinen. Wie machen wir das?

Indem wir Sein gutes Beispiel im Alltag und in Allem nacheifern.

 

  • Nur indem wir uns aus unserem „gewohnten alltäglichen Umfeld“ lösen, können wir mit G“tt EINS werden. In der Thora steht, dass wir uns an G“tt befestigen sollten. Aber die Frage der Chachamim, der Jüdischen Gelehrten, hierzu ist: „G“tt ist doch ein verzehrendes Feuer, wie kann man sich an G“tt befestigen?“. Und die Antwort lautet, dass wir es G“tt nachmachen             sollten. Genauso, wie G“tt die Nackten kleidet – in der Thora zum Beispiel Adam und Eva – und den Armen zu essen gibt, haben auch wir uns um unsere Mitmenschen zu kümmern. G“tt nachmachen und das Gleiche tun bedeutet, dass man sich mit Seinem Wesen identifiziert.

G“tt nachmachen bezeichnen wir als Heiligkeit – Keduscha. Wenn es uns nicht verboten wäre, G“tt zu „vermenschlichen“, sollte man sagen dürfen, dass G“tt unser größtes „Beispiel“ ist.

 

  • Da der Mensch aber kein G“tt ist, hat G“tt ein Heiligkeitsprogramm vorgegeben und uns eine Anzahl von Aufgaben erteilt, die Mitzwot. Durch diese identifizieren wir uns mit dem Wille G“ttes. Da wir annehmen, dass der Mensch eine G“ttliche Seele hat und dass diese G“ttliche Seele der höchste menschliche Bereich sei, stellen wir fest, dass wir auf diese Weise unsere wahre Persönlichkeit und den ursprünglichsten Kern unseres Charakters erreichen und kennen lernen. Es ist wohl eine Lebensreise. Es G“tt nachzumachen ist eine Aufgabe, die während des gesamten Lebens gültig ist.

 

Chanoch Lana’ar Al Pi Darko – erziehe jeden nach seinem Können und seinem Niveau 

Jossejf war komplett anders als seine Brüder. Die Brüder sollten aus der großen Stadt wegbleiben, um nicht in Versuchung zu kommen. Deshalb waren und blieben sie – auch später in Ägypten – Hirte.

 

über das Irdische weit erhaben 

Aber Jossejf konnte dem Luxus, dem Prunk und der Pracht des Hofes und allen ihren Verführungen widerstehen. Selbst Sulaika, die schöne Frau von Potifar, konnte ihn nicht bezaubern. Als Vize-König konnte er alles bekommen, was sein Herz begehrte. Aber Jossejf war über das Irdische weit erhaben, dieses störte ihn in seiner Religion nie. Weltliche Angelegenheiten störten ihn in seinem religiösen Empfinden nicht.

 

noch immer intensiv mit Tora beschäftigt 

Dieses war auch der Grund der großen Freude, die Ja’akov empfand, als ihm berichtet wurde, dass Jossejf noch lebte. Ja’akov sagte: „Jossejf, mein Sohn lebt noch!“. Ja’akov verstand aus einem Hinweis von Jossejf nach dem letzten Tora-Abschnitt, den sie noch zusammen gelernt hatten, dass Jossejf anscheinend noch immer intensiv mit seinem Tora-Lernen beschäftigt sei.

Die Tatsache, dass Jossejf sich noch an diesen Abschnitt erinnerte, war für Ja’akov ein Zeichen, dass Jossejf noch immer ein guter „Jude“ geblieben war, ein richtiger Sohn von Ja’akov, trotz aller irdischer Verführung. Für Ja’akov war das das allerwichtigste.

 

Ja’akov bleibt bei der Beachtung und Beobachtung der Klein- und Feinheiten

Es ist jedoch auch eine andere Erklärung möglich. Rav Sorotskin (zwanzigstes Jahrhundert, Israel) erklärt, dass Ja’akov später mit der Errichtung einer Jeschiwa verdeutlichen wollte, dass er das Tora-Studium wichtiger betrachtete als alle andere wichtige Staatsangelegenheiten (vgl. B.T. Megilla 15).

 

eine Jeschiwa in Ägypten 

Ja’akov erteilte Jossejf über einen Hinweis eine Lehre. Es schien so, als ob Jossejf seiner Stellung als Vize-König höhere Priorität einräumte als seinen Glaubensangelegenheiten und dem Tora-Studium. Ja’akov sandte Jossejf deshalb später über Jehuda eine non-verbale, also eine nicht-mündliche Nachricht zu, eine Jeschiwa, eine Talmud-Tora-Schule, in Ägypten zu errichten: „Das Tora-Studium und Glaubensangelegenheiten bilden die Dauerhaftigkeit des Jüdischen Volkes; wie wichtig Regierungsangelegenheiten auch sein mögen – der Erhalt der Jüdischen Identität muss vorrangig bleiben!“.

 

Eine gesonderte Jeschiwa    Weshalb hatte Jossejf gewartet, bis Jehuda in Ägypten eine Jeschiwa errichtete? Weshalb ist er selbst nicht früher damit gekommen? Unsere Weisen haben uns weitervermittelt, dass alle unsere Erzväter – und wahrscheinlich auch die Stammväter, wie Jossejf und Jehuda – eine Jeschiwa hatten, in der durchgehend „gelehrt und gelernt“ wurde.

Zweifellos hatte auch Jossejf eine Jeschiwa errichtet – wie er das bei seinen Vorfahren gesehen hatte. Wenn das so war – weshalb war noch EINE weitere Jeschiwa erforderlich?

 

Blick auf die schwächeren Brüder    Da Ja’akov auch beim Tora-Lernen und Tora-Belebung ein Auge für und den Blick auf die schwächeren Brüder hatte. Jeder sollte auf seiner (geistigen) Ebene lernen können!     Und dieses ist eine wichtige psychologische Lehre: Chanoch Lana’ar Al Pi Darko – erziehe jeden nach seinem Können und seinem Niveau. Beachte und berücksichtige die individuellen Qualitäten eines jeden Einzelnen!

 

Parscha Wajeschew inhaltlich betrachtet und erzählt

Ja’akow hatte 12 Söhne:

-Re’uwen, Schimon, Levi, Yehuda, Jissachar und Zewulun waren die Söhne von Lea.

-Josef und Benjamin waren die Söhne von Rachel.

-Dan und Naftali waren die Söhne von Bilha, der Dienerin Rachels.

-Gad und Ascher waren die Söhne von Zilpa, der Dienerin Leas.

 

Die Brüder wurden eifersüchtig auf Josef

Ja’akow war gerade in das Land Kena’an zurückgekehrt. Er ging dorthin, um dort mit seiner Familie zu leben. Natürlich liebte er alle seine Kinder gleichermaßen, aber ein Kind war für ihn das absolut beste. Dieses Kind war Josef. Josef erhielt von seinem Vater einen schönen, bunten Mantel. Er trug ihn die ganze Zeit. Seine Brüder waren eifersüchtig. Aber sie waren nicht so eifersüchtig, bis Josef anfing, von seinen Träumen zu erzählen. „Wir waren alle auf dem Feld und haben das Stroh gebündelt. Doch plötzlich richtete sich mein Strohbündel auf und eure Bündel verbeugten sich vor meinem!“ „Was!“ riefen die Brüder von Josef. „Glaubst du, dass du als jüngster Bruder König über uns werden kannst? Glaubst du, wir würden uns vor dir verbeugen?“ Und die Brüder standen auf und gingen weg. Sie konnten ihm nicht mehr zuhören.

 

Der zweite Traum

Josef blieb jedoch hartnäckig und erzählte später seinen letzten Traum: „In meinem letzten Traum verneigten sich die Sonne, der Mond und die elf Sterne vor mir!“ „Oh nein“, sagten seine Brüder, „willst du uns jetzt sagen, dass unser Vater, unsere Mutter und wir selbst uns alle vor dir verbeugen werden? Was für eine Chuzpe! Was für eine Frechheit!“ Auch Ja’akow war böse. Er sah, wie Josef seine Brüder eifersüchtig machte. „Sei nicht albern“, sagte er zu Josef vor allen, „warum sollten wir uns alle vor dir verbeugen? Schluss mit diesem Unsinn!“ Ja’akow wusste, dass die Träume in Erfüllung gehen konnten, aber er wollte nicht, dass die Brüder eifersüchtig auf Josef wurden.

 

Josef auf dem Weg zu seinen Brüdern

Er war 17 Jahre alt, als sein Vater ihn rief und sagte: „Josef, deine Brüder hüten Schafe in Sichem (Schechem). Geh zu ihnen und lass mich wissen, wie es ihnen geht“. Josef ging nach Sichem, aber seine Brüder waren schon weg. Er rannte ihnen hinterher. Josefs Brüder sahen seinen bunten Mantel schon von weitem. Sie wussten, dass er kommen würde: „Seht, da kommt der Traumkönig“, sagte einer von ihnen. „Er wird uns einen weiteren seiner Träume erzählen. Lasst ihn uns ein für alle Mal loswerden“, sagte ein zweiter Bruder. „Gute Idee“, sagte ein dritter, „und dann wollen wir mal sehen, was mit seinen Träumen passiert“.

 

Re’uwen’s Plan

Doch plötzlich stand sein ältester Bruder Re’uwen auf und sagte: „Nein, wir werden den Jungen nicht zu Tode prügeln, wir werden ihn in eine Grube werfen. Die Schlangen und Skorpione werden den Rest erledigen“. Insgeheim wollte Re’uwen zurückkommen und seinen Bruder aus der Grube retten. Als Josef bei seinen Brüdern ankam, packten sie ihn, zogen ihm den schönen Mantel aus und warfen ihn in den Brunnen. Re’uwen musste für eine Weile weggehen, warnte aber seine Brüder, Josef nicht anzugreifen, während er weg war.

 

Josef wird an Araber verkauft

Später, als die Brüder gerade aßen, sahen sie eine Karawane von Arabern. Die Kamele waren mit den köstlichsten Gewürzen und allen möglichen schönen Dingen beladen. „Warum lassen wir Josef im Brunnen sterben, wenn wir ihn an diese Händler verkaufen können“, schlug Jehuda seinen Brüdern vor. Sie beschlossen, Josef aus dem Brunnen zu ziehen. Sie brachten ihn zu einer arabischen Karawane und verkauften ihn. Als Re’uwen zurückkehrte, sah er, dass der Brunnen leer war: „Wo ist Josef“, fragte er. Die anderen Brüder erzählten ihm, was geschehen war. „Was? Habt ihr nicht verstanden, dass unser Vater sterben wird, wenn er erfährt, dass Josef verschwunden ist?

 

Der Mantel von Josef in Ziegenblut getaucht

Daraufhin beschlossen die Brüder, ihrem Vater zu sagen, dass Josef von einem wilden Tier getötet worden sei. Sie schlachteten eine Ziege und tauchten Josefs Mantel in ihr Blut und zerrissen ihn an mehreren Stellen. „Niemand wird jemals die Wahrheit erfahren“, sagten die Brüder. Sie dachten, sie könnten es geheim halten. Als sie nach Hause kamen, zeigten sie Ja’akow den blutbefleckten Mantel. „Oh, nein“, rief Ja’akow, „was ist passiert?“ „Wir haben seinen Mantel gefunden. Er muss von einem wilden Tier getötet worden sein“.

Ja’akow zerriss seine Kleider als Zeichen der Trauer und weinte. Alle seine Kinder versuchten, ihn zu trösten, aber er wollte weder zuhören noch getröstet werden. Er war am Boden zerstört, weil sein geliebter Sohn verschwunden war.

 

Josef wird an Potiphar verkauft

Die Karawane zog weiter, und als sie in Ägypten ankamen, verkauften die arabischen Händler Josef an den Chef der Wache des Pharaos. Der Vorsteher der Wache hieß Potiphar. Potiphar schätzte Josef und liebte ihn sehr. Er machte ihn zum Oberhaupt seines Haushalts. Anfangs mochte auch seine Frau Josef, aber später wurde sie wütend auf ihn, weil er nicht tat, was sie wollte. Dann begann sie, alle möglichen Lügen über ihn zu verbreiten, und ehe er sich versah, saß Josef im Gefängnis.

 

Zwei Diener des Pharaos träumen im Gefängnis

Im Gefängnis traf er auf zwei Diener des Königs, den Weinschenk und den Bäcker. Der Weinschenk musste ins Gefängnis gehen, weil eine Fliege in den Weinbecher des Königs gefallen war. Der Bäcker hatte versehentlich ein Brot mit einem Stein darin gebacken. Eines Nachts hatten sowohl der Weinschenk als auch der Bäcker einen Traum, und sie erzählten Josef ihre Träume. „Ich träumte von einem Weinstock mit drei Zweigen“, sagte der Weinschenk, „und an ihm wuchsen allerlei köstliche Trauben. Dann kelterte ich die Trauben zu Wein und goss den Wein in den Becher des Königs Pharao.“

 

Josef erklärt die Träume

„G’tt hat mir die Gabe gegeben, Träume zu erklären“, sagte Josef zu dem Weinschenk, „und ich weiß, was dein Traum bedeutet.“ Josef teilte ihm mit, dass er in drei Tagen aus dem Gefängnis entlassen würde und wieder arbeiten dürfe.

 

Der Traum des Bäckers

Auch der Bäcker erzählte seinen Traum: „Ich träumte, dass ich drei Körbe mit Weißbrot auf dem Kopf hatte. Dann kam ein Vogel und fraß ein Stück Brot aus dem Korb“. Josef schwieg einen Moment lang. Er wusste nicht, wie er dem Bäcker die Bedeutung erklären sollte, denn der Traum war sehr traurig. „Was bedeutet das?“, fragte der ungeduldige Bäcker. Josef sagte zu ihm: „In drei Tagen wird der Pharao dich aus dem Gefängnis holen, aber er wird dich töten, weil du einen Stein in sein Brot gebacken hast“. Beide Träume wurden wahr.

 

Der Geburtstag des Pharaos

Drei Tage später hatte der Pharao Geburtstag, und er gab ein großes Fest für alle. Er gab dem Weinschenk seine Arbeit zurück, denn es war nicht wirklich dessen Schuld, dass eine Fliege in den Wein gefallen war. Aber er hat dem Bäcker nicht verziehen. Er hängte ihn auf, weil er den kleinen Stein hätte sehen müssen. „Oh“, sagte Josef, der im Gefängnis blieb, „bitte vergiss nicht zu sagen, wer Dir Deine Träume erklärt hat.“ „Das werde ich sicher tun“, sagte der Weinschenk. Aber er hat Josef ganz vergessen.

 

Drei Übertretungen Israels kann Ich noch vergeben, aber bei der vierten werde Ich die Strafe nicht abwenden

Wie ernst nehmen die Juden die Worte ihrer Propheten?

HAFTARA: Amos 2:6 3:8

So spricht HaSchem, G’tt: „Drei Übertretungen Israels (kann Ich noch vergeben), aber bei vier werde Ich sie (die Strafe) nicht abwenden, weil sie den Gerechten für Geld verkaufen und den Armen für ein Paar Schuhe“.

Wie ernst nehmen die Juden die Worte ihrer Propheten? Oft wurden Prophezeiungen nicht geglaubt oder sie wurden nicht akzeptiert, weil sie den Finger auf den wunden Punkt legten. Josef hatte prophetische Träume. Sie passten nicht in die Welt und das Selbstverständnis seiner Brüder. Deshalb lehnten sie Josef und seine Träume ab. Erst nach langem Leiden erkannten sie seine Überlegenheit. Wie Josef wurde auch der Prophet Amos von seinen Zeitgenossen ignoriert. Am Jisrael hat dafür teuer bezahlt.

In dem zitierten Pasuk (Vers) werden zwei Botschaften angedeutet, eine kollektive und eine individuelle.

 

Das Kollektiv: Die Bnei Israel standen am Vorabend eines neuen Exils. Die Assyrer würden die zehn Stämme des Nordreichs „Israel“ erobern und wegführen. Zur Zeit des Maschiachs werden diese zehn Stämme zurückkehren, aber bis heute ist wenig über ihr Schicksal bekannt. Amos erhebt schwere Vorwürfe gegen das Volk wegen der Unterdrückung der Armen. Die Reichen versuchten auf jede erdenkliche Weise, sich auf Kosten der weniger Glücklichen zu bereichern. Das ist in den Augen von HaSchem unverzeihlich. Bei den drei Übertretungen könnte es sich um die drei schwersten Verbrechen handeln. In der Parscha Wajeschew wird das Vorspiel zur ägyptischen Sklaverei beschrieben. Amos warnt seine Zuhörer, dass sie so tief gesunken sind, dass ein neues Exil notwendig sein könnte, um das hohe Niveau der Keduscha (Heiligkeit) des Jüdischen Volkes wiederherzustellen.

Das ist sicher sehr extrem! HaSchem ist bereit, selbst bei den eklatantesten Verstößen gegen das Judentum ein Auge zuzudrücken, solange die Ärmsten und die „Underdogs“ verschont werden. Dies ist ein Denkanstoß, vor allem in der heutigen Zeit der Krise.

 

Der Einzelne: Das Ende des Pasuks bezieht sich auch auf Josef, die zentrale Figur der Parscha. Er wurde für ein Paar Schuhe verkauft. Mit dem Geld aus dem Verkauf von Josef kauften die Brüder ein Paar Schuhe. Nur freie Menschen trugen Schuhe. Sklaven liefen barfuß. Dies zeigte Josefs Brüdern, dass seine Träume von der Herrschaft über seine Brüder keine Zukunftsprognosen waren, sondern Projektionen seiner Herrschafts- und Machtgelüste.

Dieses brüderliche Verbrechen war so schwerwiegend, dass man sich noch viele, viele Jahre später daran erinnerte und es sogar 1500 Jahre später in der Episode der assara harugee malchut, der zehn Märtyrer (1. Jahrhundert) bestrafte. Der gegenseitige Hass und Neid ist das Schlimmste, was der Am Israel, dem Jüdischen Volk, passieren kann.

 

Author: © Oberrabbiner Raphael Evers

Joseph’s Brothers Sell Him into Captivity | ©1855 Konstantin Flavitsky