Wa’era: Das elterliche Beispiel

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„ICH bin HaSchem; und ICH erschien dem Awraham, dem Jitzchak und dem Ja’akov…Auch habe ICH MEINEN Bund mit ihnen errichtet, um ihnen das Land Kana’an zu geben“ (6:2-4).

 

*Elternschaft

Raschi erklärt, dass HaSchem (G“tt) unseren Ahnen erschien, den Erzvätern. Im Grunde genommen scheint Raschi nichts zu erklären. Aber das Gegenteil ist der Fall. Der größte gemeinsame Nenner der Awot, der Erzväter, war, dass sie Väter und Beispiele für das Jüdische Volk waren. Ohne ihr Beispiel hätten wir keine guten Juden sein können. Auch ihre Art, G“tt zu dienen, haben sie an uns übertragen. Alles, was mit den Erzvätern geschehen war, ist auch mit ihren Nachkommen erfolgt. Die Kinder und die Enkelkinder der Awot erfuhren die Erfüllung aller Zusagen, die HaSchem den Awot gegeben hatte. Der Name HaSchem, der G“ttesname aus vier Buchstaben, deutet auf die totale Barmherzigkeit.

 

Die Awot waren waren in deren Glaube enorm gefestigt

Die Awot waren große Ma’anim, waren in deren Glaube enorm gefestigt. HaSchem brauchte SEINE Zusagen während deren Leben nicht ein zu lösen. Die Umsetzung der Zusagen hatten die Awot, die Erzväter, nie wahrgenommen. Aber sie hatten ein unerschütterliches Vertrauen in G“tt. Auch wenn sich nichts von allen Zusagen bewahrheitete, blieben sie dennoch gläubig. Nun würde ein höheres Verständnis für G“tt der Welt mitgeteilt werden. Dieses war das nächste Stadium von Offenbarung.

 

um ihnen das Land Kana’an (Israel) zu geben

Deren Kinder würden die Erfüllung wohl mit machen. Bei der Befreiung aus Ägypten zeigte G“tt den Nachkommen der Erzväter SEIN WESEN. Die zweite Zusage, die auch noch nicht eingelöst war, war das Land Israel. Auch das war wohl zugesagt, aber noch nicht gegeben. Dieser Aspekt wird im Satz 4 vermerkt: „um ihnen das Land Kana’an zu geben“.

 

 „Sage den Kindern Israels, ICH bin HaSchem…ICH führe Euch von unter den Lasten von Ägypten hinaus, ICH werde Euch retten und befreien…und zu MIR nehmen“ (6:6).

 

unserem Leben eine total andere Richtung geben

Für eine geistige (Ver)Änderung gibt es verschiedene Ursachen. Wir können durch allerlei Ereignisse in der Welt um uns herum beeindruckt werden. Wir können uns durch eine Verbindung zu großen Geistern, denen wir begegnen, verändern, aber es kann sich auch plötzlich ein G“ttlicher Funke in uns offenbaren, der unserem Leben eine total andere Richtung gibt.

 

Die großen Wunder veränderten die Lebensperspektive

Die großen Wunder beim Exodus veränderten die Lebensperspektive(n) vieler Juden. Durch die Verbindung zu und den Kontakt mit Tzaddikim, begabte Menschen wie Mosche und Aharon, kamen sie direkt in Berührung mit der Kedduscha (Heiligkeit) des Allmächtigen. Aber auch innerlich änderte sich etwas in den Bnej Jisraejl.

Jedoch war nicht jeder beeindruckt. Achtzig Prozent der Juden blieben in Ägypten zurück, die (leider) bekannte 80/20 Regel, die noch immer oft ihren Tribut fordert.

 

Pharao, der Kindermörder

In erster Instanz bereitete das demografische Jüdische Problem dem Pharao Sorgen und Ängste. Die Lösung lautete: Unterdrückung und Sklaverei. Es nutze jedoch nichts, denn „je heftiger sie das Volk unterdrückten, umso mehr vermehrte es sich und breitete sich aus“ (1:12). Die Sklavenarbeit wird zu Awodat Parech – zur zermürbenden und Verschleiß fördernden Arbeit. Danach spricht der Pharao die Jüdischen Hebammen Schifra und Pu’a an, die Jüdischen Kinder beim Geburtsvorgang zu töten. Weshalb der Pharao keine gedungenen Mörder einsetzte, ist laut Ramban verständlich. Der Pharao wollte diesen Babymord als einen normalen Kindstot darstellen – als ob die Babys von sich aus tot geboren seien. Als auch das nicht zu nutzen schien, erteilte der Pharao die Anordnung zu einem Baby-Genozid. Das war eine ungebremste Abstufung von Ausschluss bis Mord.

 

Wer einem Anderen eine Grube gräbt, fällt selber hinein

In Wa’era wird die Strafe beschrieben. Dem Verbrechen entsprechend, wird auch die Strafe stufenweise umgesetzt. Für den Ertrinkungstod der Babys verschwindet letztendlich das ägyptische Heer in den Fluten des Jam Suf. Mida keneged mida – wer einem Anderen eine Grube gräbt, fällt selber hinein.

 

Gewaltvorgängen gehörend und normal

Aber die ersten Plagen sind Blut, Frösche und Läuse. Und auch hier sehen wir den Gedanken von mida keneged mida – wer einem Anderen eine Grube gräbt, fällt selber hinein. Die Ägypter hatten sich nach und nach an die Sklaverei gewöhnt. Sie wurden den Gewaltvorgängen gegenüber unempfindlich und betrachteten sie schon weitestgehend als dazu gehörend und normal.

 

HaSchem lässt ihr gesamtes Weltbild auf deren Grundpfeilern erschüttern

In einer gegensätzlichen Bewegung lässt HaSchem ihr gesamtes Leben und Weltbild auf deren Grundpfeilern erschüttern. Das wichtigste Grundelement Wasser verschwand plötzlich. Durch die Leitungen strömte nur noch Blut! Die irdische Routine und Selbstverständlichkeit veränderten sich schlagartig. Vielleicht würde es den Ägyptern jetzt klar werden, wie krumm und verdorben ihr Gesellschaftsbild sei, wie unmenschlich ihr brutaler Missbrauch ihrer Sklaven sei und dass das vergossene Blut nach Rache schrie.

 

*Fake und Reelles nicht zu unterscheiden

Der Pharao zeigte sich jedoch nicht sehr beeindruckt, da seine Zauberer diese Wunder auch mehr oder weniger vollbringen konnten (7:11). Es gab jedoch einen immensen Unterschied zwischen den tatsächlichen Wundern von HaSchem und den Imitations-Wundern der Ägyptischen „Chartumim“, den Bildschriftkundigen.

Letztendlich mussten die Magier bei den Läusen erkennen, dass dieses ein Fingerzeig G“ttes sei (8:15). Und ist die Lüge noch so schnell, die Wahrheit holt sie gewiss ein. Nach dem (zweiten Welt-)Krieg musste sich Han van Meegeren, ein niederländischer Bürger und Kunstfälscher, der sich wegen Verscherbelung nationalen Erbes und durch Antiquitätenverkauf an die Nazis strafbar gemacht hatte, verantworten. Seine Gegenaussage lautete, dass alles Gemälde von Vermeer, die er geliefert hatte, Fälschungen seien. Aber seine Imitate waren so gut, dass sie nicht mehr von den Originalen zu unterscheiden waren. Van Meegeren musste damals im Gericht seine Künste zeigen, um die Richter davon zu überzeugen, dass er die Wahrheit sagte.

 

bei der Läuseplage als Amateure entlarvt

Die Zauberer des Pharao wurden bei der Läuseplage als Amateure entlarvt. Dieses schuldet der Tatsache, dass unsaubere Geister keinen Zugriff auf Dinge haben, die kleiner als ein Gerstenkorn sind (B.T. Sanhedrin 67b). Bis auf den heutigen Tag gibt es die Diskussion über die Frage, ob die Künste oder Tricks der Zauberer von Pharao nur Sinnestäuschungen oder seriöse schwarze Magie waren.

 

HaSchem ist in den kleinen Einzelheiten finden

Jedenfalls wird es deutlich, dass wir HaSchem namentlich in den kleinen Einzelheiten finden sollten. Und das ist in unserem Zeitalter der Micro – und Nano-Technologie ein Öffner bedeutender Sichtweise.

 

Author: © Oberrabbiner Raphael Evers | Raawi Jüdisches Magazin